Bürgergeld: So muss das Jobcenter die Rentenbeiträge zahlen

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Für Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld ist ein Minijob oft die einzige Möglichkeit, eigenes Einkommen zu erzielen. Gleichzeitig bleibt die Frage, was in dieser Zeit aus der Altersvorsorge wird. Denn das Jobcenter zahlt im Bürgergeld-Bezug keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Zeiten des Leistungsbezugs allein erhöhen die spätere Rente daher nicht.

Umso wichtiger ist die Konstellation, in der Bürgergeld-Berechtigte einen Minijob ausüben. Wer einen 556-Euro-Job im Jahr 2025 (ab 2026: 603 Euro) hat und auf Bürgergeld angewiesen ist, kann mit Hilfe des Jobcenters dennoch Rentenansprüche aufbauen – wenn er oder sie sich im Minijob nicht von der Rentenversicherungspflicht befreien lässt.

Der Effekt ist überraschend: Unterm Strich steht Monat für Monat genauso viel Geld zur Verfügung. Aber im Hintergrund fließen zusätzlich Beiträge in die Rentenkasse, die praktisch über das Bürgergeld-System mitfinanziert werden.

Viele Bürgergeld-Beziehende arbeiten ausschließlich im Minijob
Aktuelle Statistiken der Jobcenter zeigen, wie bedeutend Minijobs für Menschen im Bürgergeld-Bezug sind: Rund 813.800 Leistungsberechtigte gelten als erwerbstätig. Von ihnen arbeiten etwa 273.800 ausschließlich in einer geringfügigen Beschäftigung. Das entspricht einer Quote von 33,6 Prozent.

Damit ist der Minijob längst kein Randphänomen, sondern ein fester Bestandteil der Erwerbsrealität im Bürgergeld-System. Besonders problematisch ist dabei, dass diese Beschäftigungsform ohne bewusst getroffene Entscheidungen kaum zur Altersvorsorge beiträgt.

Minijob: Brutto ist fast gleich Netto – aber ohne eigene Ansprüche

Der Minijob gilt als klassisches „Brutto-für-Netto“-Modell. Beschäftigte erhalten im Regelfall ihr Gehalt ohne eigene Abzüge ausgezahlt. Bei der aktuell maßgeblichen Minijobgrenze von 556 Euro im Jahr 2025 landen damit auf den ersten Blick die vollen 556 Euro auf dem Konto.

Sozialabgaben in Höhe von 13 Prozent für die Krankenversicherung und 15 Prozent für die Rentenversicherung werden zwar abgeführt, allerdings ausschließlich durch den Arbeitgeber.

Das summiert sich auf etwa 175 Euro monatlich. Für Minijobberinnen und Minijobber bedeutet das: Die pauschalen Arbeitgeberbeiträge führen weder zu einer eigenständigen Krankenversicherung noch zu vollwertigen Rentenansprüchen aus dem Minijob. Ohne zusätzliche eigene Beiträge bleibt die spätere Rente dadurch spürbar niedriger, als sie sein könnte.

Rentenversicherungspflicht im Minijob: Befreiung ist möglich, aber riskant

Rechtlich sind Minijobs grundsätzlich rentenversicherungspflichtig. Das heißt: Der volle Rentenbeitrag von 18,6 Prozent des Bruttoverdienstes wird fiktiv angesetzt. Der Arbeitgeber zahlt davon pauschal 15 Prozent, die fehlenden 3,6 Prozent trägt regulär die beschäftigte Person.

Die meisten Minijobber können sich auf Antrag von dieser Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Das geschieht über ein Formular der Minijob-Zentrale, das vom Arbeitgeber weitergeleitet wird. Dieser Schritt will gut überlegt sein, denn die Befreiung gilt unwiderruflich, solange das konkrete Beschäftigungsverhältnis besteht.

Bereits 2021 hatte die Deutsche Rentenversicherung ermittelt, dass sich rund 80 Prozent der Minijobber von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen.

Damals zeigte eine Beispielrechnung: Schon ein monatlicher Pflichtbeitrag von 16,20 Euro konnte langfristig ein Rentenplus von 6,67 Euro im Monat bewirken, also gut 80 Euro im Jahr. Nach heutigem Stand, mit höheren Verdienstgrenzen und Beiträgen, fällt der Effekt eher günstiger aus.

Wie sich der eigene Beitrag berechnet: 3,6 Prozent vom Minijob-Lohn
Wer sich nicht befreien lässt, zahlt die fehlenden 3,6 Prozent selbst. Diese werden direkt vom Lohn einbehalten und zusammen mit den 15 Prozent des Arbeitgebers an die Minijob-Zentrale überwiesen.

Bei einem Verdienst von 556 Euro im Monat ergibt sich folgende Rechnung:
18,6 Prozent Rentenbeitrag auf 556 Euro entsprechen rund 103,42 Euro. Der Arbeitgeber übernimmt 15 Prozent, also etwa 83,40 Euro. Die Differenz von 3,6 Prozent, rund 20,02 Euro, trägt die Minijobberin oder der Minijobber.

Die Nettoauszahlung reduziert sich in diesem Beispiel von 556 Euro auf 535,98 Euro. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Verlust. Für Bürgergeld-Beziehende ist genau dieser Punkt jedoch entscheidend – denn hier greift der Freibetragsmechanismus des SGB II.

Bürgergeld und Hinzuverdienst: Wie Freibeträge wirken

Wer Bürgergeld erhält und nebenher arbeitet, darf einen Teil des Erwerbseinkommens behalten, ohne dass dieses auf die Leistung angerechnet wird. Diese Freibeträge sollen Arbeit lohnend machen und einen Anreiz zur Aufnahme oder Ausweitung von Beschäftigung bieten.

Bei einem Minijob mit 556 Euro Verdienst ergibt sich im Zusammenspiel mit dem Bürgergeld-Regelwerk ein maximaler Freibetrag von 194,80 Euro. Nur der darüber liegende Anteil des Einkommens mindert die Bürgergeld-Zahlung.

Genau hier setzt der Rentenversicherungsbeitrag von 3,6 Prozent an. Er reduziert das anrechenbare Einkommen und sorgt dafür, dass das Jobcenter mehr Bürgergeld auszahlen muss. So fängt das System den Rentenbeitrag faktisch wieder auf.

Bürgergeld-Rechner – Leistungen direkt online berechnen

Um die individuelle Situation besser einschätzen zu können, lohnt sich eine konkrete Berechnung. Online verfügbare Bürgergeld-Rechner helfen dabei, Bedarf, Freibeträge und anrechenbares Einkommen zu ermitteln.

Wer plant, im Minijob auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu verzichten, kann dort durchspielen, wie sich der Rentenbeitrag auf die Höhe des Bürgergeldes und auf das verfügbare Monatseinkommen auswirkt. Das schafft Transparenz und zeigt, ob und in welcher Höhe sich zusätzliche Rentenbeiträge langfristig lohnen.

Beispiel Julia: Gleicher Geldbetrag im Monat, zusätzliche Rentenpunkte

Wie das Zusammenspiel aus Minijob, Rentenversicherungspflicht und Bürgergeld konkret aussieht, zeigt eine Beispielrechnung.
Julia ist 29 Jahre alt, lebt allein in Hamburg und ist auf Bürgergeld angewiesen. Ihr monatlicher Bedarf setzt sich zusammen aus dem Regelsatz von 563 Euro sowie 690 Euro für Miete und Heizung. Insgesamt ergibt sich ein Bedarf von 1.253 Euro.

Julia arbeitet in der Gastronomie in einem Minijob und verdient 556 Euro im Monat. Aufgrund der geltenden Freibeträge bleiben 194,80 Euro ihres Einkommens anrechnungsfrei – das ist der höchstmögliche Freibetrag bei einem Minijob in Verbindung mit Bürgergeld.

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Im Folgenden werden die beiden Varianten gegenübergestellt: einmal mit Befreiung von der Rentenversicherungspflicht, einmal mit aktiver Rentenversicherungspflicht und einem Beitrag von 20,02 Euro im Monat.

Vergleichstabelle zur Beispielrechnung

Aspekt Ergebnis ohne bzw. mit Rentenversicherungspflicht
Bruttoeinkommen aus dem Minijob Ohne RV-Pflicht: 556,00 EUR
Mit RV-Pflicht: 556,00 EUR
Rentenversicherungsbeitrag aus dem Minijob Ohne RV-Pflicht: 0,00 EUR
Mit RV-Pflicht: -20,02 EUR
Nettoauszahlung aus dem Minijob Ohne RV-Pflicht: 556,00 EUR
Mit RV-Pflicht: 535,98 EUR
Freibeträge auf das Einkommen In beiden Fällen: 194,80 EUR anrechnungsfrei
Anrechnung auf das Bürgergeld Ohne RV-Pflicht: 361,20 EUR
Mit RV-Pflicht: 341,18 EUR
Gesamtbedarf (Regelsatz + Wohnkosten) In beiden Fällen: 1.253,00 EUR
Auszahlung Bürgergeld Ohne RV-Pflicht: 891,80 EUR
Mit RV-Pflicht: 911,82 EUR
Verfügbares Geld im Monat (Bürgergeld + Minijob) In beiden Fällen: 1.447,80 EUR

Die Tabelle zeigt: Julias Netto aus dem Minijob ist mit Rentenversicherungspflicht um 20,02 Euro niedriger. Gleichzeitig steigt ihre Bürgergeld-Zahlung um genau diesen Betrag.

Am Ende hat Julia in beiden Varianten monatlich dieselben 1.447,80 Euro zur Verfügung. Der Unterschied besteht darin, dass mit Rentenversicherungspflicht jeden Monat 20,02 Euro in die Rentenversicherung fließen – faktisch finanziert über das Bürgergeld-System, weil das Jobcenter die Lücke beim Bedarf durch höhere Leistungen schließt.

Langfristige Wirkung: Kleine Beiträge, greifbare Rentenansprüche

Auf das Jahr gerechnet ergeben die 20,02 Euro Rentenbeitrag rund 240 Euro. Über mehrere Jahre hinweg summiert sich so ein relevanter Betrag an Pflichtbeiträgen, aus denen später Rentenansprüche entstehen.

Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung haben bereits 2021 gezeigt, dass schon vergleichsweise geringe Pflichtbeiträge im Minijob einen merklichen Effekt auf die spätere Rente haben können. Mit den heutigen Verdienstgrenzen und Rentenwerten fällt dieser Effekt eher stärker aus.

Gerade für Menschen, die längere Zeit Bürgergeld beziehen und nur in geringfügigem Umfang arbeiten können, ist dies eine der wenigen realistischen Möglichkeiten, eigene Rentenansprüche aufzubauen und Altersarmut etwas abzumildern.

Rechtslage: Jobcenter dürfen Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht verlangen

In der Praxis berichten Leistungsberechtigte immer wieder, dass Jobcenter sie auffordern, sich mittels Formular der Minijob-Zentrale von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Eine solche Aufforderung ist rechtlich problematisch.

Denn beim Minijob handelt es sich nicht um eine freiwillige Rentenzahlung, sondern um eine gesetzlich festgelegte Versicherungspflicht. Die Befreiung ist eine Option, die die beschäftigte Person freiwillig wählen kann – sie darf nicht durch Druck der Behörde erzwungen werden.

Interne Unterlagen der Bundesagentur für Arbeit, auf die sich Berichte von Beratungsstellen und Medien stützen, halten fest, dass Pflichtbeiträge aus dem Minijob zur Rentenkasse als Absetzbeträge nach § 11b Abs. 1 Nr. 2 SGB II zu berücksichtigen sind. Das bedeutet: Diese Beiträge mindern das anrechenbare Einkommen und müssen bei der Berechnung des Bürgergeldes zugunsten der Leistungsberechtigten angesetzt werden.

Eine behördliche Praxis, die darauf zielt, Personen zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu drängen, steht im Widerspruch zu diesen Vorgaben. Betroffene sollten wissen, dass sie sich nicht befreien lassen müssen und dass eine einmal ausgesprochene Befreiung während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses nicht rückgängig gemacht werden kann. Bei Unsicherheiten kann unabhängige Beratung – etwa bei Sozialberatungsstellen – sinnvoll sein.

Was darf ich beim Bürgergeld anrechnungsfrei hinzuverdienen?

Die Frage nach der zulässigen Höhe des Hinzuverdienstes im Bürgergeld ist für viele Betroffene entscheidend. Die Freibeträge sind gestaffelt und hängen von der Höhe des Einkommens ab. Im unteren Einkommensbereich bleiben Anteile des Erwerbslohns vollständig anrechnungsfrei; weitere Teile werden nur mit einem bestimmten Prozentsatz auf das Bürgergeld angerechnet.

Im Beispiel eines Minijobs mit 556 Euro führt diese Staffelung dazu, dass 194,80 Euro nicht auf das Bürgergeld angerechnet werden. Genau dieser anrechnungsfreie Betrag sorgt dafür, dass das Gesamtbudget aus Lohn und Bürgergeld höher ist als der eigentliche monatliche Bedarf.

Wer konkrete Zahlen für seine eigene Situation benötigt, kann einen Bürgergeld-Rechner nutzen oder sich an eine Beratungsstelle wenden. Dort lassen sich Freibeträge, Anrechnung und die Wirkung eines Rentenversicherungsbeitrags im Einzelfall nachvollziehen.

Hinweis für Wohngeld-Empfängerinnen und -Empfänger

Nicht nur Bürgergeld-Beziehende profitieren potenziell von der Rentenversicherungspflicht im Minijob. Auch für Wohngeld-Haushalte kann es vorteilhaft sein, sich nicht von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen.

Wer Wohngeld erhält und im Minijob 556 Euro verdient, zahlt bei aktiver Rentenversicherungspflicht ebenfalls 20,02 Euro Beitrag. Dieser Beitrag kann dazu führen, dass beim Einkommen Abzugsbeträge von zehn Prozent des Einkommens, also 55,60 Euro, berücksichtigt werden. Die konkrete Wirkung hängt jedoch stark vom individuellen Fall ab.

Wohngeld-Empfängerinnen und -Empfänger sollten daher nachrechnen, ob sich der Rentenversicherungsbeitrag bei ihnen lohnt. Online-Rechner zum Wohngeld sowie Beratungsangebote der Kommunen oder Mietervereine können helfen, die Auswirkungen auf das Wohngeld präzise zu ermitteln.

Rentenerhöhung 2026: Warum zusätzliche Rentenpunkte noch wichtiger werden

Für das Jahr 2026 ist eine erneute Rentenanpassung vorgesehen. Zwar unterscheiden sich die Prognosen je nach wirtschaftlicher Entwicklung, doch langfristig zeigen die vergangenen Jahre, dass Renten regelmäßig steigen.

Zusätzliche Rentenpunkte aus Pflichtbeiträgen im Minijob gewinnen dadurch an Bedeutung. Wer heute über mehrere Jahre im Rahmen eines Minijobs Beiträge zahlt, profitiert später nicht nur von der bloßen Existenz dieser Punkte, sondern auch von jeder künftigen Rentenerhöhung, die auf diese Ansprüche angewandt wird.

Gerade Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, Phasen von Arbeitslosigkeit oder längeren Zeiten im Bürgergeld-Bezug können mit gezielten Pflichtbeiträgen im Minijob ihre Altersrente ein Stück weit stabilisieren.

Fazit: Nicht vorschnell von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen

Für Bürgergeld-Beziehende mit Minijob ist die Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht von erheblicher Tragweite. Wer sich befreien lässt, hat kurzfristig ein etwas höheres Netto, verzichtet aber auf zusätzliche Rentenansprüche.

Das Beispiel von Julia zeigt, dass im Bürgergeld-Bezug die tatsächliche monatliche Verfügbarkeit von Geld gleich bleibt – unabhängig davon, ob Rentenbeiträge gezahlt werden oder nicht. Mit Rentenversicherungspflicht wandern allerdings jeden Monat 20,02 Euro in die eigene Altersvorsorge, ohne dass das verfügbare Einkommen sinkt. Die Differenz wird über höhere Leistungen des Jobcenters ausgeglichen.

Vor diesem Hintergrund ist es für viele Leistungsberechtigte sinnvoll, sich gerade nicht von der Rentenversicherungspflicht im Minijob befreien zu lassen.