Jobcenter müssen keine höheren laufenden Mietkosten übernehmen, wenn die Wohnung der Leistungsbeziehenden nicht erhaltenswert ist und erhebliche Zweifel daran bestehen, dass überhaupt eine weitergehende Mietzinsverpflichtung im Sinne von § 535 Abs. 2 BGB entsteht (LSG NRW, Az. L 7 AS 706/25 B ER).
Kein Anordnungsgrund für Bürgergeld-Beziehende
Unstreitig lagen Anhaltspunkte für einen drohenden Wohnungsverlust vor. Ein Anordnungsgrund setzt jedoch zusätzlich voraus, dass der zu sichernde Wohnraum erhaltenswert ist – es darf also nicht nur darum gehen, mögliche Ansprüche des Vermieters abzusichern.
Maßgeblich ist in einer wertenden Betrachtung, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade dieser konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte (vgl. Beschluss des LSG NRW vom 21.05.2025 – L 7 AS 487/25 B ER).
Schrottimmobilien nicht erhaltenswert nach § 22 Abs. 1 SGB II
Eine Erhaltungswürdigkeit liegt regelmäßig nicht vor, wenn die Wohnung elementaren Wohnbedürfnissen nicht genügt, etwa weil es sich um eine Schrottimmobilie handelt oder Kinder unzureichend mit Wohnraum versorgt sind (vgl. Beschluss des Senats vom 06.12.2017 – L 7 AS 2132/17 B ER).
Konkreter Fall: Defekte Heizung, Wasserschäden, nur kaltes Wasser in der Küche
Die von den Antragstellern bewohnte Wohnung verfügt nicht über einen funktionierenden Heizkörper und weist erhebliche Wasserschäden auf. Das ergibt sich aus dem Bericht des Außendienstes des Jobcenters, der nach einer Wohnungsbesichtigung Folgendes festhielt:
„Die Wohnung ist augenscheinlich in einem desolaten Zustand. Durch einen Wasserschaden ist der einzige Nachtspeicherofen (siehe Foto) verrostet. Nach Aussage des Kunden ist der Nachtspeicherofen defekt. Im Badezimmer und der Küche sind die Wasserschäden an der Decke deutlich sichtbar. Weitere Heizkörper befinden sich nicht in der Wohnung.
Im Badezimmer übernimmt ein Durchlauferhitzer die Warmwasseraufbereitung. In der Küche gibt es nur kaltes Wasser. Ein Untertischgerät gibt es nicht. Im Wohnzimmer befindet sich ein mobiles Klimagerät.“
Die anwaltlich vertretenen Antragsteller haben den beschriebenen Zustand der Wohnung in ihren Schriftsätzen ausdrücklich bestätigt.
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Bescheid prüfenGericht zweifelt an ausreichender Wohnraumversorgung: 58 m² für vier Personen
Für einen Vier-Personen-Haushalt ist in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich eine Wohnfläche von bis zu 95 m² angemessen (vgl. zur Herleitung der angemessenen Wohnflächen: BSG, Urteil vom 29.08.2019 – B 14 AS 43/18 R).
Vor diesem Hintergrund erscheint dem Gericht eine zureichende Versorgung der Antragsteller mit Wohnraum durch die 58 m² große Wohnung jedenfalls zweifelhaft.
Kein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden in Höhe von 12.140,34 €
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch unbegründet, soweit die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 12.140,34 € beantragt wurde. Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch, weil die Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 22 Abs. 8 SGB II nicht erfüllt sind.
Zwar können – sofern Bürgergeld für Unterkunft und Heizung erbracht wird – auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.
Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht. Vorliegend ist eine Schuldenübernahme zur Sicherung der Wohnung jedoch nicht gerechtfertigt, weil diese Wohnung nicht erhaltenswert ist.
Anmerkung von Bürgergeld-Experte Detlef Brock
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu den Unterkunftskosten (Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 617/14) betont, dass es sich bei den Kosten für Unterkunft und Heizung um eine der grundrechtsintensivsten Bedarfspositionen handelt.
Ausnahmen sind denkbar, wenn die Wohnung nicht erhaltenswert erscheint – etwa bei einer „Schrottimmobilie“ oder wenn Kinder unzureichend mit Wohnraum versorgt sind.