Das Jobcenter muss bei der Tilgung von Gasschulden helfen, denn ein Verweis auf die übergangsweise Nutzung einer Notunterkunft ist nicht zulässig, wenn in der Bedarfsgemeinschaft minderjährige Kinder leben (Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg).
Im Eilverfahren verpflichtet das Gericht das Jobcenter zur Energiekostenübernahme bei Gasschulden in Höhe von ca. 13.000 Euro, denn eine erfolgte Gassperre steht einem Verlust der Wohnung gleich.
Verfassungsrecht: Menschenwürdige Existenz und Energieversorgung
Das Jobcenter muss – zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz – Gasschulden einer Bürgergeld-Familie in Höhe von 12.888,90 Euro als Darlehen übernehmen und den Forderungsbetrag unmittelbar an die GASAG AG zahlen.
Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben in Verfahren des Eilrechtsschutzes zur Übernahme von Energiekostenschulden auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des insoweit einschlägigen § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II zu prüfen, welche negativen Folgen im konkreten Einzelfall drohen.
Daher ist bei der Prüfung, ob neben einem Anordnungsanspruch ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art eine Unterbrechung der Energieversorgung gerade für den oder die Betroffenen hätte.
Gassperre steht Wohnungsverlust gleich
Der Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg ist sich einig, dass eine erfolgte Gassperre einem Verlust der Wohnung gleichsteht.
Der Sicherung einer ausreichend beheizbaren Wohnung kommt – gerade im Winter – aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz für eine Familie mit minderjährigen Kindern im Bürgergeld-Bezug ein überragender Stellenwert zu.
Das gilt erst recht, wenn kleine Kinder betroffen sind.
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Bescheid prüfenÜbernahme der Gasschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II als Darlehen
Die Übernahme der Gasschulden hat gemäß § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II als Darlehen zu erfolgen.
Das Gericht macht die einstweilige Anordnung davon abhängig, dass die Antragsteller unverzüglich mit dem Jobcenter schriftlich eine Vereinbarung treffen, dass die anfallenden Abschlagszahlungen per Direktanweisung an die GASAG erfolgen.
Fachliche Einordnung: Anmerkung vom Bürgergeld-Experten Detlef Brock
Dieses Urteil ist zu begrüßen, und besonders hervorheben möchte ich, dass hier das Gericht die richtige Entscheidung getroffen hat, gerade wenn kleine Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) tritt bei der Gesamtabwägung nach § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II indes auch ein wirtschaftlich unvernünftiges und vorwerfbares Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit mitverursacht haben mag, regelmäßig zurück (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 68/09 R).
Denn Miet- oder Energiekostenschulden werden in aller Regel durch ein (ggf. nicht nachvollziehbares) Fehlverhalten des Leistungsberechtigten entstanden sein, und die Regelung zur Schuldenübernahme würde ansonsten leerlaufen.
Besondere Schutzpflicht bei Familien mit minderjährigen Kindern
Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – kleine Kinder bzw. Minderjährige betroffen sind, weil möglicherweise ein erwachsener Leistungsberechtigter in Ausnahmefällen auf die übergangsweise Nutzung einer Notunterkunft verwiesen werden darf, nicht aber minderjährige Kinder bei einem fehlerhaften Verhalten ihrer Eltern.
Etwas anderes kann jedoch in Missbrauchsfällen bei gezielter Herbeiführung von Miet- bzw. Energierückständen gelten, wenn es trotz entsprechender Unterstützung in der Vergangenheit wiederholt zu Rückständen gekommen ist und kein Selbsthilfewille erkennbar ist.
Von einem derartigen sozialwidrigen und auch ihren Kindern gegenüber verantwortungslosen Verhalten der Antragsteller/Eltern geht der Senat im vorliegenden Fall indes nicht aus.



