Bürgergeld: Jobcenter-Zuschuss – Einarbeitung reicht nicht – aktuelles Urteil

Lesedauer 3 Minuten

Ein aktuelles Urteil aus Hessen setzt einen klaren Maßstab. Ein Eingliederungszuschuss (EGZ) ist kein Automatismus. Jobcenter dürfen die Förderung ablehnen, wenn zwar eine erschwerte Vermittlung vorliegt, aber keine nachweisbare Minderleistung. Für Betroffene heißt das: Ohne konkrete, belegte Anfangsdefizite gibt es keinen Zuschuss. Eine normale Einarbeitung reicht nicht. (Az: L 7 AS 448/24)

Was das Urteil festlegt

Das Hessische Landessozialgericht entschied am 25. Juli 2025 (Az. L 7 AS 448/24). Streitpunkt war ein EGZ für eine neu eingestellte Betreuungskraft. Die Arbeitgeberin verlangte sechs Monate Zuschuss in Höhe von 50 Prozent. Das Gericht erkannte eine erschwerte Vermittlung der Arbeitnehmerin an.

Eine individuelle Minderleistung fand es jedoch nicht. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Minderleistung: Begriff und Maßstab

Der EGZ gleicht Anfangsnachteile am Arbeitsplatz aus. Dafür braucht es zwei Dinge. Erstens eine erschwerte Vermittlung. Zweitens eine Minderleistung zu Beginn der Beschäftigung. Minderleistung liegt vor, wenn die Arbeitsleistung anfangs deutlich unter dem bezahlten Lohnniveau liegt.

Dann trägt der Arbeitgeber objektiv „zu viel“ Lohn. Der Zuschuss soll diese Lücke zeitweise schließen. Die Förderhöhe richtet sich nach dem Umfang der Leistungslücke und den Anforderungen des Arbeitsplatzes.

Einarbeitung ist normal – und kein Zuschussgrund

Jeder neue Job erfordert Einarbeitung. Das gilt als normal. Eine kurze Anlernphase oder fehlende Routine reicht nicht. Nötig sind arbeitsplatzbezogene Defizite, die über das Übliche hinausgehen. Nur dann spricht man von Minderleistung.

Entscheidend ist die Frage: Entspricht die Anfangsleistung klar nicht den konkreten Anforderungen? Und führt das zu einer objektiv überhöhten Lohnzahlung?

Erschwerte Vermittlung: Notwendig, aber nicht genug

Alter, längere Arbeitslosigkeit oder ein abgelaufenes Zertifikat können die Vermittlung erschweren. Diese Merkmale öffnen die Tür zur Förderung. Sie ersetzen aber nicht den Nachweis der Minderleistung. Das Urteil ordnet die Prüfung daher zweistufig. Zuerst die Personallage. Danach die konkrete Leistung am Arbeitsplatz.

Warum das Bürgergeld-Beziehende betrifft

Für viele Bewerber ist der EGZ ein wichtiges Argument im Gespräch. Er kann eine Einstellung ermöglichen. Das Urteil zeigt den Hebel. Wer Förderung will, muss Substanz liefern. Arbeitgeber brauchen belastbare Angaben zu Beginniveau, Lernzielen und Zeitplan. Bewerber sollten dabei aktiv unterstützen. So steigen die Chancen auf eine Zusage.

Gesetzlicher Rahmen kompakt

Jobcenter können nach § 16 SGB II i. V. m. § 88 SGB III fördern. Die Förderung dient dem Ausgleich einer Minderleistung. § 89 SGB III koppelt Höhe und Dauer an den Umfang der Leistungseinschränkung. Damit ist der EGZ kein allgemeiner Einstellungsbonus. Er ist ein Nachteilsausgleich für einen begrenzten Zeitraum.

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Reichweite der Entscheidung

Ein LSG-Urteil bindet nicht das ganze Bundesgebiet. Es ist aber richtungsweisend. Die Nichtzulassung der Revision spricht für eine gefestigte Linie. Wer heute einen EGZ beantragt, sollte diese Maßstäbe kennen und belegen können.

Was Arbeitgeber jetzt konkret darlegen sollten

Beschreiben Sie die Startposition der Arbeitnehmerin präzise. Welche Aufgaben schafft sie anfangs nicht vollständig? Welche Fertigkeiten fehlen? Legen Sie einen Einarbeitungs- und Qualifizierungsplan vor. Definieren Sie messbare Zwischenziele.

Benennen Sie Zeitpunkte, an denen Fortschritte geprüft werden. Begründen Sie, warum die Anfangsleistung unter dem vergüteten Niveau liegt. Erläutern Sie, wie Anleitung, Schulung und Praxis die Lücke schließen. So entsteht ein prüffähiges Bild der Minderleistung.

Häufige Fehler in der Praxis

Viele Anträge scheitern an vagen Stellenprofilen. Ohne klare Anforderungen gibt es keinen Maßstab. Auch pauschale Aussagen wie „fehlende Erfahrung“ genügen nicht. Ein weiterer Fehler betrifft den Lohn. Wird die geringere Anfangsleistung bereits eingepreist, entfällt der Zuschusszweck.

Denn dann zahlt der Arbeitgeber nicht objektiv zu viel. Wichtig ist zudem die Kausalität. Die Einstellung muss auch wegen der Förderung erfolgen. Sonst fehlt der erforderliche Zusammenhang.

Tipps für Bewerber im Bürgergeld-Bezug

Sprechen Sie den EGZ frühzeitig an. Bieten Sie an, die Aufgaben mit dem Arbeitgeber aufzuschlüsseln. Zeigen Sie Lernbereitschaft und schlagen Sie konkrete Schulungen vor.

Bringen Sie Beispiele aus früheren Tätigkeiten ein. So lässt sich die anfängliche Lücke realistisch einschätzen. Bitten Sie das Jobcenter um Hinweise zur Dokumentation. Halten Sie Absprachen über Ziele und Termine schriftlich fest.

Beispiele für prüffähige Minderleistung

Fehlen spezifische Softwarekenntnisse, kann das eine Minderleistung sein. Gleiches gilt für notwendige gesetzliche Verfahren, die erst erlernt werden. Auch besondere Methodik oder Kommunikation in schwierigen Situationen kann fehlen.

Wichtig ist immer der Arbeitsplatzbezug. Allgemeine Unerfahrenheit reicht nicht. Die Defizite müssen sich in konkreten Aufgaben zeigen und messbar sein.

Fazit

Der EGZ hilft, echte Startnachteile zu überbrücken. Er ersetzt jedoch nicht die übliche Einarbeitung. Wer Förderung möchte, muss Minderleistung nachweisen. Präzise Anforderungen, klare Zielwerte und ein realistischer Lernplan entscheiden. Das hessische Urteil bestätigt diesen Kurs. Für Arbeitgeber und Bewerber schafft es Orientierung – und klare Hausaufgaben.