Rente: Steuer trifft ungleich – diese Rentner leiden besonders

Lesedauer 3 Minuten

Trotz gegenteiliger Gutachten bleibt die Realität: Die Rentenbesteuerung trifft bestimmte Personengruppen härter als andere. Besonders Selbstständige, Männer, Ledige und Personen mit Rentenbeginn in der Übergangsphase zwischen alter und neuer Besteuerungsregelung sind betroffen. Der Staat lehnt weitergehende Reformen ab – wer sich schützen will, muss selbst aktiv werden.

Wer zahlt doppelt? Ungleichheit in der Rentenbesteuerung wird Realität

Seit der Umstellung auf das System der nachgelagerten Rentenbesteuerung sind die Spielregeln klar: Beiträge in die Rentenkasse werden steuerlich begünstigt, die Rentenzahlungen später versteuert. Was auf dem Papier logisch klingt, führt in der Praxis zu gravierenden Ungerechtigkeiten – und trifft bestimmte Gruppen besonders hart.

Denn wer während des Arbeitslebens hohe, teils unverhältnismäßig besteuerte Beiträge leistet und im Alter auf seine Rente erneut Steuern zahlt, läuft Gefahr, doppelt belastet zu werden.

Zwar sprechen offizielle Gutachten von struktureller Verfassungskonformität – doch die Ungleichheiten in der konkreten Auswirkung bleiben bestehen.

Gruppe 1: Selbstständige – voll bezahlt, doppelt besteuert

Besonders gravierend ist die Situation für Selbstständige. Sie zahlen ihre Rentenversicherungsbeiträge vollständig selbst – ohne steuerfreien Arbeitgeberanteil. In der Praxis bedeutet das: Der steuerlich absetzbare Teil ihrer Altersvorsorge war oft stark eingeschränkt, besonders vor 2005.

Konsequenz: Ein erheblicher Teil ihrer Einzahlungen stammt aus bereits versteuertem Einkommen. Müssen sie im Alter dann ihre Rente versteuern, wird ein und dasselbe Einkommen doppelt herangezogen – juristisch umstritten, aber politisch bisher ignoriert.

Gruppe 2: Männer – kürzere Lebenserwartung, weniger steuerfreie Rentenjahre

Männer haben statistisch eine geringere Lebenserwartung als Frauen. Das hat direkte steuerliche Auswirkungen. Je kürzer die Lebenszeit im Ruhestand, desto weniger steuerfreie Rentenzahlungen fließen zurück – auch dann, wenn die Beiträge in der Ansparphase aus versteuertem Einkommen stammten.

Das Problem: Die Berechnungsformel des Bundesfinanzhofs geht von der durchschnittlichen Lebenserwartung aus. Wer diese nicht erreicht, zahlt effektiv mehr Steuern – ohne Ausgleich.

Lesen Sie auch:

Gruppe 3: Ledige – ohne Partnerfreibetrag benachteiligt

Verheiratete Rentner profitieren steuerlich mehrfach: Sie teilen sich Freibeträge, nutzen das Ehegattensplitting und können unter Umständen die Hinterbliebenenrente steuerlich geltend machen.

Ledige hingegen tragen ihre Steuerlast allein. Bei der Prüfung auf Doppelbesteuerung fehlt ihnen der Freibetrag des Partners. Auch eine Witwen- oder Witwerrente, die bei der steuerfreien Gesamtsumme berücksichtigt wird, fällt weg.

Das Ergebnis: Höhere Belastung bei gleicher Einzahlung – allein aufgrund des Familienstands.

Gruppe 4: Übergangsrentner – zur falschen Zeit in Rente gegangen

Wer zwischen 2005 und etwa 2040 in den Ruhestand wechselt, befindet sich in der sogenannten Übergangsphase. In dieser Zeit steigen die steuerpflichtigen Rentenanteile schrittweise – während die steuerliche Absetzbarkeit der Rentenbeiträge in der Ansparphase noch begrenzt war.

Beispiel: Wer 2007 in Rente ging, konnte seine Beiträge in den Jahren davor nur anteilig absetzen, muss aber inzwischen über 50 Prozent seiner Rente versteuern.

Fazit: Eine klassische Steuerfalle, verursacht durch einen ungünstigen Rentenbeginn.

Staatliche Gutachten: Kein Handlungsbedarf – trotz Belastung

Zwei neue wissenschaftliche Gutachten, erstellt im Auftrag des Bundesfinanzministeriums, kamen zu dem Ergebnis: Die aktuelle Gesetzeslage genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine strukturelle Doppelbesteuerung liege nicht vor.

Für Betroffene bedeutet das: Keine Reform in Sicht. Der Gesetzgeber sieht die Verantwortung beim Einzelnen. Nur wer im Einzelfall nachweisen kann, dass seine Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen höher waren als die steuerfreien Rentenzahlungen, kann sich unter Umständen gegen die Besteuerung wehren.

Was bedeutet das für Rentner? Recht haben heißt nicht Recht bekommen

Auch wenn eine Doppelbesteuerung vorliegt – der Nachweis ist schwer. Die entscheidenden Kriterien:

Höhe der steuerlich nicht abziehbaren Beiträge während des Erwerbslebens
Höhe der zu erwartenden steuerfreien Rentenzahlungen (unter Einbeziehung der Witwenrente)
Berechnung auf Basis des Nominalwertverfahrens, ohne Berücksichtigung der Inflation

Das größte Problem: Der Nachweis muss vollständig vom Rentner erbracht werden. Es gibt keine automatische Prüfung durch die Finanzämter, keine Unterstützung durch die Rentenversicherung und keinen pauschalen Schutz.

BFH bestätigt System – lässt Einzelfälle offen

In seinen Urteilen aus dem Jahr 2021 (z. B. Az. X R 33/19 und X R 20/19) bestätigte der Bundesfinanzhof, dass die Regelungen zur Rentenbesteuerung grundsätzlich verfassungsgemäß sind. Die individuelle Belastung müsse jedoch im Einzelfall geprüft werden.

Dabei stellte das Gericht eine Rechenformel auf: Steuerfrei zu bleiben haben nur die Rentenanteile, die nachweislich auf nicht steuerlich begünstigten Einzahlungen beruhen. Freibeträge wie Grundfreibetrag, Werbungskostenpauschale oder Krankenversicherungsbeiträge zählen ausdrücklich nicht dazu.

Private Renten bleiben außen vor – ein möglicher Ausweg

Ein Lichtblick: Wer in eine private Rentenversicherung investiert hat, ist von der Doppelbesteuerungsproblematik weitgehend ausgenommen. Diese Verträge unterliegen der sogenannten Ertragsanteilsbesteuerung. Das heißt: Nur ein fester Teil der Auszahlung wird versteuert – Doppelbesteuerung ist hier systematisch ausgeschlossen.

Anders bei Rürup Renten oder freiwilliger Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier entscheidet die korrekte Anwendung von Sonderregeln wie der Öffnungsklausel darüber, ob eine Doppelbelastung eintritt.