Das Landessozialgericht (LSG) Berlin‑Brandenburg hat am 7. Juli 2025 klargestellt: Eine einmal bewilligte Prozesskostenhilfe (PKH) kann nicht per „Hintertür“ kassiert werden. Geklagt hatte ein Jobcenter, das dem Bürgergeld‑Empfänger sogar die bereits zugesagte kostenlose Rechtsvertretung entziehen wollte.
Die Richter hoben die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2025 in diesem Punkt auf – der Betroffene behält seinen Anwalt ohne Selbstbeteiligung.
Inhaltsverzeichnis
Gericht kippt nachträglichen PKH‑Entzug
Die Chronologie liest sich wie ein Lehrstück amtlicher Hinhaltetaktik. Zunächst hatte das Sozialgericht (SG) Berlin im Eilverfahren entschieden, dass der Mann für November 2024 noch 606,63 Euro aus einem bestandskräftigen Bescheid vom 26. August 2024 erhält. Gleichzeitig bekam er PKH, damit sein Anwalt das Verfahren führen kann.
Das Jobcenter legte Anhörungsrüge ein und monierte, das SG habe übersehen, dass inzwischen ein endgültiger Bescheid vom 25. November 2024 existiere. Daraufhin kassierte das SG nicht nur den Zahlungsanspruch, sondern gleich die PKH.
Gegen diesen Schritt wehrte sich das Jobcenter kurioserweise selbst – allerdings nur, weil „sein“ Erfolg in der Hauptsache (keine Zahlung) gefährdet war, falls die PKH‑Frage das Rechtsmittel eröffnete. Das LSG stellte nun klar: Beschlüsse über PKH unterliegen sehr wohl der Beschwerde, wenn ein Gericht die Hilfe im Nachhinein streicht. Die Streichung war rechtswidrig, weil das Jobcenter durch die PKH gar nicht in eigenen Rechten betroffen ist.
Warum das Urteil weit über Berlin hinaus wirkt
Prozesskostenhilfe soll den Zugang zum Recht sichern. Wer Bürgergeld erhält, kann sich teure Anwaltshonorare nicht leisten. Würden Jobcenter die PKH jederzeit nachträglich kippen können, stünde jede Klage auf wackeligem Boden.
Das LSG betont deshalb die Bestandskraft solcher Bewilligungen: Einmal zugesagt, schützt sie der Gleichheitsgrundsatz – es sei denn, der Antragsteller hat arglistig falsche Angaben gemacht. Genau das war hier nachweislich nicht der Fall.
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Bescheid prüfenJobcenter‑Strategie: Abschreckung durch Geldentzug?
Rechtsberater berichten immer wieder, dass Jobcenter Verfahren zäh gestalten. Wird die PKH während eines laufenden Rechtsstreits entzogen, muss der Kläger sämtliche Kosten selbst tragen oder das Mandat niederlegen. Das erzeugt enormen Druck, die Klage fallenzulassen. Das Urteil signalisiert: Diese Taktik läuft ins Leere. Ein Anhörungsrüge genügt nicht, um finanzielle Hürden wieder aufzubauen.
Was Betroffene jetzt wissen sollten
Sie haben bereits PKH? Dann können Sie sich auf eine solide Rechtsgrundlage stützen. Fordert das Gericht plötzlich Einkommen‑ oder Vermögensnachweise nach, sollten Sie gelassen Frist wahren – die Hilfe entfällt erst, wenn sich finanzielle Verhältnisse spürbar verbessern oder falsche Angaben bekannt werden.
Wenn das Jobcenter PKH‑Aufhebung beantragt, prüfen Sie das Schreiben genau. Verweisen Sie auf das LSG‑Urteil (Az:L 1 AS 502/25 B ER PKH) und verlangen Sie eine Entscheidung des Beschwerdegerichts. So bleiben Sie handlungsfähig, ohne Anwaltskosten fürchten zu müssen.
Einordnung für gegen‑hartz‑Leser
Vorteil: Das Urteil schützt Ihr Recht, sich gegen fehlerhafte Bescheide zu wehren, ohne ins Kostenrisiko zu geraten.
Praxisbeispiel: Werden Ihnen 50 Euro monatlich gekürzt, lohnt die Klage erst recht, wenn das Gericht die Anwaltskosten übernimmt.
Folgeeffekt: Jobcenter müssen künftig genauer abwägen, ob sie überhaupt Anträge auf PKH‑Aufhebung stellen – das spart Nerven und Zeit.
Hintergründe zur Prozesskostenhilfe
PKH deckt Gerichts‑ und Anwaltskosten, wenn Kläger ein geringes Einkommen haben und die Klage hinreichende Erfolgsaussicht besitzt. 2024 bewilligten die Sozialgerichte bundesweit mehr als 100 000 solcher Anträge. Bürgergeld‑Empfänger stellen den größten Anteil. Das Instrument ist damit ein zentraler Baustein für Rechtsschutz im Sozialrecht.
Fazit
Das LSG Berlin‑Brandenburg hat eine wichtige Schutzlinie bestätigt: Der Staat darf wirtschaftlich Schwache nicht erst zum Gang vor Gericht ermutigen und ihnen dann den Anwaltsschein entreißen. Für Bürgergeld‑Beziehende bedeutet das mehr Planungssicherheit und bessere Chancen, ihr Recht durchzusetzen.
Bleiben Sie wachsam, prüfen Sie jede Mitteilung des Gerichts und berufen Sie sich auf das neue Urteil, falls das Jobcenter an Ihrer PKH sägt. Ihr Recht auf wirksame Verteidigung ist nicht verhandelbar.