Bürgergeld: Jobcenter zahlt keine Erstausstattung nach Verkauf von Möbeln

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LSG Mecklenburg: Keine Erstausstattung bei freiwilligem Verkauf der Möbel
Der Begriff der Erstausstattung ist bedarfsbezogen auszulegen, so dass es sich gegebenenfalls auch um eine erneute Ausstattung nach Haft oder Scheidung handeln könne. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 6. August 2014 (B 4 AS 57/13 R) hierzu ausgeführt, dass der Anspruch auf eine zuschussweise Bewilligung einer Erstausstattung für eine Wohnung bei einem erneuten Bedarf von außen einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis voraussetze, die bzw. das regelmäßig geeignet sein müssten bzw. müsse, den plötzlichen Untergang oder die Unbrauchbarkeit wohnraumbezogener Gegenstände zu bewirken.

Ein solcher von außen einwirkender außergewöhnlicher Umstand habe aber vorliegend nicht vorgelegen. Freiwilliger Verkauf der Wohnungseinrichtung

Hat ein 60 jährige Kläger über eine Wohnungseinrichtung verfügt, diese aber aufgrund der Restaurantaufgabe – freiwillig – an seine Nachmieterin verkauft gegen eine Ablösesumme, hat er keinen Anspruch auf zuschussweise Bewilligung einer Wohnungserstausstattung vom Jobcenter.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fehlt es schon an “außergewöhnlichen Umständen” bzw. einem “besonderen von außen einwirkenden Ereignis” als Anknüpfungstatsache für die Übernahme einer erneuten Beschaffung als Wohnungserstausstattung der vom Kläger angeschafften Einrichtungsgegenstände.

Somit besteht denn nur ein Anspruch auf ein Darlehen ( so ganz aktuell das LSG Mecklenburg -Vorpmmern Az. L 10 AS 542/19 ).

Hat der Kläger mit der Ablösevereinbarung seine Einrichtungsgegenstände für insbesondere Schlaf- und Wohnzimmer der Nachmieterin gegen Zahlung von insgesamt 15.000,00 Euro überlassen, heißt das, er hat sie verkauft.

Bei freiwilligem Verkauf der Wohnungseinrichtung handelt es sich aber um – Ersatzbeschaffung

Er habe sie also freiwillig aufgegeben und hierfür auch Geld erhalten, das er entsprechend wieder zur Neuanschaffung nutzen könne. Von einem außergewöhnlichen Umstand oder einem besonderen Ereignis, das hier einem Untergang oder einer Unbrauchbarkeit gleichzusetzen wäre, könne daher keine Rede sein.

Es wäre dem Kläger auch möglich gewesen, seine Einrichtungsgegenstände einzulagern und mit zum neuen Wohnort zu transportieren, zumal Umzugskosten durch den vorher zuständigen Leistungsträger übernommen worden seien.

Anmerkung vom Verfasser zu diesem Urteil

1. Sinn und Zweck der Erstausstattungsregelung ist es nicht, eine Neuausstattung mit Einrichtungsgegenständen aus öffentlichen Mitteln zu ermöglichen, wenn die Weggabe der Einrichtung freiwillig erfolgte, ohne dass dies durch besondere Umstände begründet gewesen ist. Alternativ hätte eine Einlagerung der Möbel erfolgen können.

2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – die Einrichtungsgegenstände veräußert worden sind und aus dem zugeflossenen Verkaufserlös die erforderliche (neue) Einrichtung angeschafft werden kann.

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3. Dass der Kläger nach seinem Vortrag von den Erlösen aus dem Verkauf der Einrichtung seiner früheren Wohnung Schulden aus seiner vorangegangenen geschäftlichen Tätigkeit bezahlt hat bzw. bezahlen wollte, ist ohne Belang, weil andernfalls die Begleichung dieser Schulden im Ergebnis aus öffentlichen Mitteln erfolgen würde, was nicht Zweck des Bürgergeldes nach dem SGB II ist.

Zusammenfassung vom Bürgergeld Experten

1. Bürgergeld Bezieher haben keinen Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II bei freiwilligem Verkauf. Nur bei außergewöhnlichen Umständen hat die Rechtsprechung eine Ersatzbeschaffung einer –zweiten- Erstausstattung gleichgesetzt.

So ist zum Beispiel eine Vernichtung der Einrichtung infolge eines Brandes oder nach Haft Anlass einer zu fördernden Ersatzbeschaffung.

2. Nicht gleichzusetzen ist aber, wenn –wie hier – eine bestehende Wohnungseinrichtung vorsätzlich verkauft worden ist, um von dem Erlös zu Leben und Schulden zu begleichen.

Praxistipp mit anderer Auffassung zum Verkauf einer Wohnungseinrichtung

Ganz anders sieht es das Sozialgericht Reutlingen, wenn es da geurteilt hat, dass das Jobcenter darf Anspruch nicht mit Hinweis auf „frühere Fahrlässigkeit“ ablehnen.

Wer heute eine Wohnungserstausstattung braucht, hat Anspruch auf Unterstützung – auch dann, wenn Möbel vor Jahren abgegeben, verkauft oder entsorgt wurden. Maßgeblich ist die aktuelle Bedarfslage. Ein möglicherweise fahrlässiges Verhalten in der Vergangenheit steht dem Anspruch nicht entgegen.

Nur wenn das Jobcenter vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln annimmt, kommen Rückgriffsmöglichkeiten nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II in Betracht.

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