Bürgergeld: Jobcenter will Leistungen zurück – Prüfe zuerst diese wichtigen Punkte

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Jobcenter heben oft Bewilligungen auf und fordern bereits ausgezahltes Geld zurück. Ob das zulässig ist, entscheidet sich im Kern an drei Normen: § 45 SGB X (Rücknahme von Anfang an rechtswidriger Bescheide), § 48 SGB X (Aufhebung bei späterer Änderung) und § 50 SGB X (Erstattung). Wer diese Unterscheidung plus ein paar Fristen kennt, erkennt Fehler schnell – und kann Bescheide wirksam angreifen.

Die Rechtslage in kurz

§ 45 SGB X (Rücknahme): Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid war schon bei Erlass rechtswidrig (z. B. falsche Rechtsanwendung, unvollständige Angaben). Rücknahme für die Vergangenheit setzt eine negative Vertrauensprüfung voraus; es gelten Rücknahme- und Handlungsfristen.

§ 48 SGB X (Aufhebung): Der Bescheid war zunächst rechtmäßig, wird aber durch spätere Änderungen rechtswidrig (z. B. neues Einkommen, veränderte Haushaltsverhältnisse). Aufhebungen wirken grundsätzlich ab Änderungszeitpunkt.

§ 50 SGB X (Erstattung): Zu Unrecht gezahlte Leistungen sind per Verwaltungsakt als Erstattungsforderung festzusetzen. Diese Forderung verjährt regelmäßig nach vier Jahren (berechnet ab dem Jahresende der Bestandskraft). Längere Fristen greifen nur, wenn die Behörde zusätzlich einen gesonderten Durchsetzungs-/Feststellungsakt erlässt.

Typische Fehler – und wie du sie findest

Falsche Rechtsgrundlage (Verwechslung § 45 ↔ § 48)

Lag die Unrichtigkeit schon bei Erlass vor, muss die Behörde mit § 45 arbeiten. Entstand sie erst später, ist § 48 richtig. Viele Bescheide legen sich nicht sauber fest oder begründen den Zeitpunkt der Rechtsänderung nicht. Das ist angreifbar.

Prüfpunkte:

  • Stimmt die Norm mit dem Sachverhalt überein?
  • Wird der Zeitpunkt der Änderung nachvollziehbar benannt (Datum, Ereignis, Zeitraum)?
  • Sind Beträge/Monate je Verwaltungsakt klar abgegrenzt (neuer Bewilligungsabschnitt = neuer Bescheid)?

1) Fehlende oder fehlerhafte Anhörung (§ 24 SGB X)

Vor belastenden Entscheidungen ist eine Anhörung Pflicht. Sie muss die entscheidenden Tatsachen (z. B. Monate, Einkommen, Höhe der Rückforderung) konkret benennen. Eine unterbliebene Anhörung kann zwar nachgeholt werden, darf aber keine Fristen aushebeln oder inhaltliche Lücken kaschieren.

2) Prüfpunkte:

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  • Gab es vorab eine Anhörung zu genau den Tatsachen, die später die Rückforderung tragen?
  • Wurde eine fehlende Anhörung ordnungsgemäß nachgeholt?

3) Falsche Zeiträume

Häufig werden Monate aufgehoben, in denen keine maßgebliche Änderung vorlag. Bei Einkommen gilt: Maßgeblich ist der Anrechnungszeitraum; eine Aufhebung vor diesem Zeitraum ist rechtswidrig. Auch bei mehreren Bewilligungsabschnitten werden Zeiträume oft falsch „über den Bescheid hinweg“ vermischt.

Prüfpunkte:

  • Stimmen Zuflussmonat (bzw. Änderungsmonat) und aufgehobener Zeitraum überein?
  • Wurden Bewilligungsabschnitte sauber getrennt?

Fristen, die den Bescheid kippen können

Rücknahmefristen (§ 45 Abs. 3 SGB X): Bei Dauerleistungen gelten strenge Grenzen; je nach Fallkonstellation kommen Zwei- oder Zehnjahresgrenzen in Betracht.
Ein-Jahres-Handlungsfrist (§ 45 Abs. 4 S. 2 SGB X): Für rückwirkende belastende Entscheidungen muss die Behörde innerhalb eines Jahres ab Kenntnis handeln. Über § 48 Abs. 4 S. 2 gilt das entsprechend für rückwirkende Aufhebungen.
Verjährung der Erstattungsforderung (§ 50 Abs. 4 SGB X): Vier Jahre ab Jahresende der Bestandskraft des Erstattungsbescheids. Ohne zusätzlichen Durchsetzungsakt entsteht keine 30-Jahres-Verjährung.

SGB-II-Spezial: Aufrechnung, Bagatellgrenze, Minderjährige

Aufrechnung (§ 43 SGB II): Grundsätzlich sind maximal 30 % des Regelbedarfs durch Aufrechnung zulässig. In bestimmten Erstattungsfällen (z. B. nach vorläufiger Entscheidung) ist die Aufrechnung auf 10 % begrenzt. Darlehen nach § 42a SGB II werden gesondert mit 5 % getilgt; zusammen darf die Belastung den 30-%-Deckel nicht sprengen.
Bagatellgrenze (§ 40 SGB II): Rückforderungen unter 50 € je Bedarfsgemeinschaft sollen nicht verfolgt werden.
Minderjährigenhaftung (§ 1629a BGB i. V. m. § 40 SGB II): Nach Volljährigkeit ist die Haftung für „Altschulden“ aus der Minderjährigkeit begrenzt; das Jobcenter muss das bereits im Erstattungsbescheid berücksichtigen.

Wenn „Recklinghausen“ schreibt: Inkasso-Service der BA

Viele Forderungen werden nach Bestandskraft an den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit (Recklinghausen) übergeben.

Wichtig: Materiell-rechtliche Einwände (falsche Norm, fehlende Anhörung, falscher Zeitraum, Verjährung) gehören gegen den Bescheid. Beim Inkasso geht es vor allem um Zahlung, Raten, Stundung oder Erlass. Wer Verjährung geltend machen will, erhebt ausdrücklich die Einrede der Verjährung.

Schritt-für-Schritt-Prüfung

  1. Normen-Check: Passt § 45 (von Anfang an rechtswidrig) oder § 48 (spätere Änderung) zum Fall?
  2. Begründung: Sind Tatsachen, Monate, Beträge und Rechtsgrundlage klar dargestellt?
  3. Anhörung: Wurde vorher angehört – und zu den richtigen Tatsachen?
  4. Fristen: Ein-Jahres-Frist bei Rückwirkung eingehalten? Verjährung der Erstattung prüfen.
  5. SGB-II-Extras: 50-€-Bagatellgrenze, Aufrechnungs-Deckel (10 %/30 %), Darlehen (5 %), Minderjährigenhaftung.

Fazit und Zusammenfassung

Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sind angreifbar, wenn Rechtsgrundlage, Zeitraum, Anhörung oder Fristen nicht sitzen – oder SGB-II-Sonderregeln ignoriert wurden. Wer systematisch prüft und gezielt widerspricht, kann Forderungen reduzieren oder vollständig abwehren.

Bei Post vom Inkasso-Service gilt: Erst den Bescheid rechtlich klären, parallel zahlungsseitige Lösungen verhandeln.