Die Anschaffung eines Bettes in Überlange (mit passendem Lattenrost und Matratze sowie größerer Bettdecke zzgl. Laken und Bettwäsche) ist dann kein bloßer – Ersatzbedarf – und über die Erstausstattung abzudecken, wenn erstmals aufgrund des Wachstumes ein der Körpergröße angepasstes größeres Bett benötigt wird.
Denn ein Bett im Normalmaß von 2,00 m Länge deckt nicht den Bedarf eines Menschen von bspw. 1,97 m Körperlänge nach einer vernünftigen Schlafstätte ab; vielmehr ist es zu kurz, um ein entspanntes und unterstütztes Liegen zu ermöglichen.
Kläger beantragte “Schuhe” in Übergröße 50 aufgrund seines Größenwachstums
Die Vorinstanz und das LSG Hamburg verneinten einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB 2 sowie auch einen Bedarf an Erstausstattung an Schuhe auf Grund der Übergröße.
Ansparung aus dem Bürgergeld-Regelsatz sei möglich
Übergroße Leistungsbezieher von Bürgergeld sollen die Bekleidung bzw. Schuhe in Übergröße aus der Regelleistung bezahlen (Anlehnung an LSG Sachsen, Urt. v. 21.12.2017 – L 7 AS 1806/13 – ).
Bedarf an Schuhen in Übergröße sei unabweisbar
Der Kauf von Schuhen in Übergröße 50 H ist nicht unabweisbar bzw. erheblich im Sinne von § 21 Abs. 6 Satz 1 und 2 SGB II, da die konkreten monatlichen Mehraufwendungen die “Geringfügigkeitsgrenze” nicht überschreiten und die entstehenden Kosten aus Einsparungen des Regelbedarfs gedeckt werden können.
LSG Hamburg sieht beim Bett in Überlänge einen Erstausstattungsbedarf und keine Ersatzbeschaffung
Die Anschaffung eines Bettes in Überlange ist kein bloßer Ersatzbedarf, der nicht als Erstausstattung angesehen werden könnte. Er gleicht viel eher dem Übergang vom Kinderbett zum Jugend- bzw. Erwachsenenbett, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen Erstausstattungsbedarf auslöst (BSG, Urt. vom 23.5.2013 – B 4 AS 79/12 R – ).
So entschieden vom LSG Hamburg, Urteil v. 09.07.2020 – L 4 AS 328/19 –
Anmerkung vom Redakteur Detlef Brock
1. Das Urt. des LSG Hamburg ist hinsichtlich des Bettes in Überlänge zu begrüßen.
2. Hinsichtlich der Schuhe in Übergröße 50 ist es eine Katastrophe, denn Übergrößen sind teuer und nicht mal so einfach aus dem Regelsatz anzusparen!
Rechtstipp von Detlef Brock zur Bekleidung – Schuhe in Übergröße für Bürgergeld – Empfänger
SGB II-Leistungsbezieher, die Übergrößen benötigen, können grundsätzlich ein Mehrbedarf bekommen, denn es ist unter Berücksichtigung der Umfrage davon auszugehen, dass die auf der EVS beruhende Zusammensetzung des Regelbedarfs für Bekleidung statistisch vor allem auf der Erhebung von Einkommensbeziehern beruht, die keine Übergrößen bei Schuhen und Bekleidung benötigten.
1. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 07.04.2022 – L 9 AS 400/19 –
Das Jobcenter muss Bürgergeld- Mehrbedarf für Bekleidung und Schuhe in Übergröße – monatlich – bezahlen!
Beim Bekleidungsbedarf für Übergrößen handelt es sich um einen dauerhaften Bedarf, welcher vom Jobcenter monatlich zu berücksichtigen ist.
Mehrbedarf für Bekleidung, Wäsche und Schuhe in Übergröße in Höhe von monatlich 28,36 Euro für einen Hilfeempfänger nach dem SGB II mit einer Körpergröße von 2,07 m und Schuhgröße 52.
2. SG Berlin, Urt. v. 29. November 2017 – S 183 AS 9809/15 – (n. v.), Berufung anhängig unter – L 29 AS 2628/17 –
Beim Bekleidungsbedarf für Übergrößen handelt es sich um einen dauerhaften Bedarf, welcher vom Jobcenter monatlich zu berücksichtigen ist. Bekleidungsübergrößen können einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II darstellen.
Für den Leistungsempfänger besteht in der regelmäßigen Anschaffung von Bekleidung (Wäsche und Schuhe) ein nicht nur einmaliger, sondern regelmäßig wiederkehrender Bedarf.
Er weicht im Vergleich zu dem im Regelsatz berücksichtigten Bedarf nach oben erheblich ab ( knapp 5% ) und ist (aufgrund seiner Höhe) unabweisbar, weil er nicht dauerhaft aus Einsparungen an anderer Stelle des Regelbedarfs ausgeglichen werden kann.
Zusammenfassend kann man sagen:
JobCenter müssen für Bürgergeld-Bezieher mit Übergrößen monatlich einen Mehrbedarf für Bekleidung, Schuhwerk und Strumpfwaren erbringen!
Wie beantrage ich einen Mehrbedarf an Bekleidung oder Schuhe in Übergröße
1. Manchmal haben Jobcenter dazu schon Vordrucke, wenn nicht, einen formlosen Antrag stellen.
Musterantrag für Sondergrößen-Antrag beim Jobcenter
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich auf Grund meiner Körpergröße von 2,05 m und Schuhgröße 52 einen Sonderbedarf an Bekleidung, Schuhe und Strumpfwaren
Eine Ansparung aus dem RS ist mir nicht möglich, denn ich zahle schon monatliche Raten für ein Stromdarlehen in Höhe von 25 €. weiter zahle ich monatliche Raten für meinen neuen Kühlschrank an die Firma (Quittung, Ratenplan oder ähnliches beifügen).
Des weiteren ist der Kauf von Schuhen und Bekleidung in Übergröße sehr teuer, auch über das Internet, so dass ich hiermit um einen monatlichen Zuschuss- und kein Darlehen – bitte.
Meinem Antrag füge ich Kostenangebote (Quittungen,Ausdrucke aus dem Internet) für meine Bekleidung u. Schuhe in Übergröße bei.
Bei meinem Bedarf handelt es sich um einen laufenden- dauerhaften – Bedarf, weil er mehrfach in einem Bewilligungszeitraum oder zumindest einmal in unterschiedlichen Zeiträumen entsteht.
Hiermit bitte ich um Bescheidung meines Antrag binnen 14 Tagen.
Mit freundlichen Grüßen
Lesen Sie auch: Monatlicher Mehrbedarf bei Übergrößen
Übergrößen sind vom Jobcenter monatlich zu befriedigen, da gibts kein wenn und kein aber. Man sollte bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Antrag beim Jobcenter stellen.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.