Bürgergeld: Bürgergeld-Bezieher erhält 11.000 Euro wegen zu hoher Miete nicht zurück – Urteil

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 5. Juni 2024 klargestellt, unter welchen Bedingungen Mieter, die Sozialleistungen wie das Bürgergeld beziehen, überzahlte Mieten zurückfordern können und wann diese Ansprüche auf den Sozialleistungsträger übergehen.

Hintergrund des Falls

Ein Mieter in Berlin, der vom 1. September 2018 bis Ende Juni 2020 eine Wohnung bewohnte, hatte zuvor in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt und bezog bereits Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Während er den Mietanteil für September 2018 noch selbst zahlte, übernahm ab Oktober das zuständige Jobcenter die Mietzahlungen.

Der Mieter machte geltend, dass die vereinbarte Miete sittenwidrig überhöht sei, da sie das Doppelte der ortsüblichen Vergleichsmiete betrage. Zudem minderte er die Miete von Mitte September 2019 bis März 2020 vollständig, da die Wohnung aufgrund eines Wasserschadens unbewohnbar gewesen sei.

Erste Instanz: Amtsgericht gibt Klage statt

Das Amtsgericht gab der Klage des Mieters weitgehend statt und verurteilte die Vermieterin zur Rückzahlung von rund 11.000 Euro. Die Begründung: Die Miete sei sittenwidrig überhöht, und die Vermieterin habe die Unterlegenheit des Mieters ausgenutzt. Zudem sei die vollständige Mietminderung wegen des Wasserschadens gerechtfertigt.

Berufung: Landgericht weist Klage ab

Die Vermieterin legte Berufung ein, und das Landgericht änderte das Urteil des Amtsgerichts ab. Es wies die Klage ab mit der Begründung, dass die Ansprüche des Mieters auf Rückerstattung der überzahlten Miete gemäß § 33 Abs. 1 SGB II auf den Sozialleistungsträger übergegangen seien. Daher stehe dem Mieter selbst kein Anspruch mehr zu.

Revision beim Bundesgerichtshof

Der Mieter ging in Revision und begehrte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Während des Verfahrens versuchte sein Anwalt mehrfach erfolglos, vom Jobcenter eine Rückübertragung der übergegangenen Ansprüche zu erwirken.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH wies die Revision des Mieters zurück. Er stellte fest, dass etwaige Ansprüche auf Rückerstattung überzahlter Mieten in Höhe der vom Jobcenter geleisteten Zahlungen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Sozialleistungsträger übergegangen sind.

Begründung des Gerichts

Nachrangigkeit der Sozialleistungen: Der gesetzliche Forderungsübergang dient dazu, den Grundsatz der Nachrangigkeit von Sozialleistungen sicherzustellen. Das bedeutet, dass staatliche Leistungen nur dann greifen sollen, wenn keine anderen Ansprüche bestehen.
Entstehung der Ansprüche während des Leistungsbezugs:

Die geltend gemachten Bereicherungsansprüche entstanden in dem Zeitraum, in dem der Mieter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhielt.

Anrechnung bei Rückerstattung: Hätte die Vermieterin die überzahlten Mieten rechtzeitig zurückerstattet, wären diese Beträge auf den Bedarf des Mieters angerechnet worden, und das Jobcenter hätte entsprechend weniger Leistungen erbringen müssen.

Auswirkungen für Mieter und Sozialleistungsträger

Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Konsequenzen für Mieter, die Sozialleistungen beziehen, und ihre Ansprüche gegenüber Vermietern:

  • Übergang der Ansprüche: Mieter können überzahlte Mieten, die während des Bezugs von Sozialleistungen entstanden sind, nicht ohne Weiteres selbst zurückfordern. Diese Ansprüche gehen auf den Sozialleistungsträger über.
  • Rückübertragung der Ansprüche: Es besteht die Möglichkeit, dass der Sozialleistungsträger die Ansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung an den Mieter zurück überträgt (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II). Dies liegt jedoch im Ermessen des Leistungsträgers.
  • Eigeninitiative des Sozialleistungsträgers: Auch wenn der Sozialleistungsträger die Ansprüche nicht selbst geltend macht, bleiben sie dennoch auf ihn übergegangen. Der Mieter kann in diesem Fall nicht eigenständig klagen.