Eine Bürgergeld-Bezieherin lebte bei ihren Eltern in einer Dachkammer, die nur 9 qm groß war. Das Jobcenter verweigerte dennoch den Umzug. Dagegen klagte die Betroffene und bekam Recht.
Der Umzug in eine angemessene Wohnung ist nämlich dann erforderlich, wenn der 28-Jährige zuvor im elterlichen Wohnhaus nur ein 9 qm großes Zimmer mit Schrägen zur Verfügung stand und die beengten Wohnverhältnisse zu familiären Spannungen geführt haben (Orientierungshilfe Detlef Brock). So entschieden vom LSG Sachsen – Anhalt – L 4 AS 169/14 B ER -.
Begründung:
Auszug einer 28-Jährigen aus dem elterlichen Haushalt – Erforderlichkeit des Umzugs.
Das Gericht spricht der Antragstellerin Anspruch auf vorläufige KdU-Leistungen nach § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II zu.
Denn zum Zeitpunkt des Auszuges war die Antragstellerin bereits 30 Jahre alt und hatte die in § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB vorgegebene Altersgrenze von 25 Lebensjahren bereits weit überschritten.
Der Senat lässt offen, ob mit Einführung dieser Altersgrenze der Gesetzgeber nur negativ geregelt hat, dass unter 25-jährige besondere Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haus benötigen
Umzug war erforderlich im Sinne von § 22 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II
Aufgrund des Alters der Antragstellerin und den tatsächlichen Wohnverhältnissen im Elternhaus.
9 m² großen Zimmer mit Schrägdach
Sie konnte bei den Eltern nur in einem 9 m² großen Zimmer mit Schrägdach unter eingeschränkten Bedingungen wohnen.
Zimmer hatte Funktion einer Schlafkammer
In ihrem Zimmer war nur ein größeres Bett und ein Kleiderschrank. Das Zimmer hatte daher lediglich die Funktion einer Schlafkammer.
Diese räumliche Enge führte u.a. dazu, dass die Antragstellerin ihren Schriftverkehr in der Küche des Elternhauses erledigen musste.
Auch war der Empfang von Besuchen schwierig und das Verhältnis zu den Eltern wegen der räumlichen Enge angespannt.
Diese Wohnsituation war der 30-jährigen Antragstellerin nicht länger zuzumuten.
Das Jobcenter beruft sich auf BSG vom 24. November 2011 – B 14 AS 107/10 R.
Dem folgt der Senat aber nicht
Denn m vorliegenden Fall hat die Antragstellerin eine kleine Dachkammer bei den Eltern bewohnt und damit Wohnverhältnisse vorgefunden, die keinesfalls einem Wohnraum unter typischen Bedingungen des normalen Wohnungsmarktes entsprochen haben (vgl. bereits zutreffend SG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 22. Juni 2012, S 11 AS 1272/12 ER).
Der Auszug aus dem Elternhaus unter den dort existierenden Bedingungen ist mit einem Wohnungswechsel zwischen zwei üblichen Wohnungen des Wohnungsmarktes unvergleichbar.
Die Ausführungen des BSG können daher nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.
Anmerkung Detlef Brock
Offen hat das Gericht gelassen: Es kann offenbleiben, ob die Altersgrenze des § 22 Abs 5 SGB 2 nur so auszulegen ist, dass unter 25-Jährige besondere Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt benötigen, oder ob damit zugleich klargestellt ist, dass ab Erreichen dieser Altersgrenze keine zusätzlichen Gründe für einen Auszug aus der elterlichen Wohnung mehr vorliegen müssen (vgl LSG Neubrandenburg vom 22.7.2008 – L 10 B 203/08 ).
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.