Bürgergeld auch für Bürger aus Österreich

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Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg urteilte: Österreichische Staatsangehörige können sich, wenn Jobcenter ihren Antrag auf Bürgergeld ablehnen, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Mit dieser Begründung verurteilte das Gericht ein Jobcenter dazu, einem Kläger aus Österreich Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. (L 9 AS 316/22)

Der Fall

Der Kläger begehrt Bürgergeld in einer Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 10. Oktober 2020 bis zum 31. August 2022. Er ist österreichischer Staatsbürger, hält sich seit 2018 in Deutschland auf und war in dieser Zeit erwerbsfähig. 2018 / 2019 arbeitete er im Verkauf, und 2019 / 2020 hatte er einen eigenen Lebensmittelhandel.

Im Oktober 2020 zog er mit seiner Partnerin und ihrem Sohn in eine Mietwohnung. Der Partnerin und ihr Kind bezogen mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 Bürgergeld von August 2020 bis 31. Juli 2021. Der jetzt erwerbslose Österreicher beantragte im Oktober 2020 ebenfalls Leistungen nach dem SGB II.

Neuberechnung bei Partnerin und Kind

Das Jobcenter bewilligte der Partnerin und deren Kind vorläufig Leistungen in Höhe von 942,10 Euro für die Zeit vom 1. März 2021 bis zum 30. April 2021 (einbezogen war der Partnerregelsatz, eine Sanktion des Kindes in Höhe von 107,10 Euro monatlich und eines bereinigten Einkommens des Sohnes in Höhe von 150,76 Euro monatlich), sowie 1.049,20 Euro für vom 1. Mai 2021 bis zum 31. August 2021.

“Aufenthalt zur Arbeitssuche”

Dem Österreicher teilte die Bundesagentur für Arbeit hingegen mit, dass die unfreiwillige Arbeitslosigkeit laut Paragraf 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) nicht zutreffe.

Die Behörde lehnte den Antrag des Betroffenen auf Bürgergeld in der Bedarfsgemeinschaft ab. Denn, so die Begründung, dieser habe lediglich ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche.

Klage vor dem Sozialgericht, Berufung vor dem Landessozialgericht

Einen Widerspruch des Betroffenen wies die Behörde zurück, denn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprächen nicht dem Abkommen zwischen Österreich und Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege. Der Österreicher klagte vor dem Sozialgericht Berlin.

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Dieses gab ihm Recht und verpflichtete die Behörde, Sozialleistungen des SGB II von Oktober 2020 bis August 2022 an den Kläger zu zahlen. Die Behörde ging in Berufung vor dem Landessozialgericht, wiederholte die Begründung und fügte hinzu: Selbst das Aufenthaltsrecht sei inzwischen zweifelhaft, da der Österreicher selbst gesagt habe, nicht auf Arbeitssuche zu sein und keine Bewerbungen zu schreiben. Dies sei aber Voraussetzung des Aufenthaltsrechts.

Die zuletzt vorgetragene Erwerbsarbeit in Bayern berechtige nicht zum Aufenthalt, da er diese freiwillig beendet hätte.

Für Österreicher gilt die gleiche Fürsorge wie für Deutsche

Das Landesozialgericht widersprach der Argumentation des Beklagten. Zwar seien Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Für den Betroffenen gelte jedoch als Österreicher das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA.

Demnach würde Fürsorge unter den gleichen Bedingungen gewährt, wenn sich Staatsangehörige des einen Vertragsstaates im Hoheitsgebiet des jeweils anderen aufhalten. Insofern müssten ihm Leistungen des Bürgergeldes gewährt werden – ebenso wie einem deutschen Staatsbürger.

Der Betroffene sei auch nicht in Deutschland, um Vergünstigungen zu bekommen, sondern hätte bereits kurz nach seiner Einreise gearbeitet und sei seit November 2018 fast zwei Jahre in Deutschland tätig gewesen.