Auch unwirksame Mietzinsvereinbarungen sind als tatsächliche Aufwendungen der Unterkunft vom Jobcenter für Bürgergeld-Bezieher zu übernehmen, wenn sie tatsächlich vom Hilfebedürftigem gezahlt werden. Vor dem Abschluss der Vereinbarung über die einvernehmliche Mieterhöhung muss ein Bürgergeld – Empfänger keine Zustimmung des Jobcenters einzuholen.
Denn Bedarfe für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen werden anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Nach dieser Regelung sind als Mietzinsen die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich gezahlt werden.
Dabei werden die tatsächlichen Aufwendungen nicht dadurch begrenzt, dass die fragliche Vereinbarung, die zur Mietzinserhöhung geführt hat, möglicherweise zivilrechtlich unwirksam ist (vgl. bei einer Vereinbarung zu einer Staffelmiete BGS, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 8/09 R –).
Allerdings sind Aufwendungen für Unterkunftskosten, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.
Hält das Jobcenter eine Vereinbarung über Unterkunftskosten für unwirksam, kann es das Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II betreiben, denn eine auf Grund einer unwirksamen Vereinbarung getätigte Zahlung ist nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II enthält insoweit keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren.
Denn auch eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Lasten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist in Fällen einer Mieterhöhung ohne Umzug nicht zulässig (BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 32/12 R -). So entschieden vom LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 22.08.2024 – L 6 AS 46/24 B ER –
Begründung:
Die tatsächlichen Mietkosten des Antragstellers waren entgegen der Meinung des Jobcenters hier zu übernehmen. Die Vermieterin (die Mutter des Antragstellers) und der Antragsteller ( hier der Sohn ) hatten einen monatlichen Mietzins in Höhe von 451,00 Euro vereinbart.
Kostensenkungsverfahren hat das Jobcenter nicht durch geführt
So dass es für die Berücksichtigungsfähigkeit der tatsächlichen Aufwendungen auf die Frage, ob die getroffene Vereinbarung zur Mieterhöhung möglicherweise zivilrechtlich unwirksam ist, jedenfalls nicht ankommt.
Denn auch unwirksame Mietzinsvereinbarungen sind als tatsächliche Aufwendungen bedarfsseitig einzustellen, wenn sie denn tatsächlich gezahlt werden
Der Senat des LSG Schleswig geht davon aus, dass der Mietzins in Höhe von 451,00 Euro zwischen der Vermieterin (die Mutter des Antragstellers) und dem Antragsteller nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches wirksam vereinbart worden ist.
Das folgt bereits daraus – wie die eingereichten Kontoauszüge zeigen – aus den tatsächlichen Zahlung des erhöhten Mietzinses in Höhe von 451,00 Euro, auch wenn die Überweisungen in der Höhe Unregelmäßigkeiten aufweisen. Jedoch hat die Vermieterin – beispielsweise für den Zeitraum November 2021 bis März 2022, für welchen sie keine Mietzahlungen erhalten hat – Mietrückstände in Höhe von 451,00 Euro gegenüber dem Antragsteller geltend gemacht.
Darüber hinaus haben die Vermieterin und der Antragsteller die mündliche Vereinbarung zur Mieterhöhung schriftlich fixiert.
Der Sohn – Antragsteller – hat die auf 451,00 Euro erhöhte Miete auch tatsächlich gezahlt, so dass es sich um tatsächliche Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt
Auch war eine Vorabklärung vor der Vereinbarung der Mieterhöhung beim Jobcenter war nicht erforderlich
Denn lediglich für den Fall eines Umzuges in eine neue Unterkunft ist eine Vorabklärungsmöglichkeit für den Leistungsberechtigten und das Jobcenter gesetzlich vorgesehen, die den Leistungsberechtigten vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II schützen soll (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 32/12 R – ).
Der Antragsteller war mithin nicht gehalten, vor dem Abschluss der Vereinbarung über die einvernehmliche Mieterhöhung eine Zustimmung des Jobcenters einzuholen.
Der Sohn hat auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht
Denn die Unterkunftskosten bedarf der Antragsteller für sein menschenwürdiges Existenzminimum.
Allein die drohende ordentliche Kündigung wegen noch ausstehender Mietschulden genügt im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gesehene besondere grundrechtliche Bedeutung der Unterkunftssicherung (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 617/14 – ) als drohender wesentlicher Nachteil.
Anmerkung Detlef Brock
Natürlich muss das Jobcenter in so einem Fall die Tatsächliche miete übernehmen. Denn wenn das Jobcenter den Mietvertrag für unwirksam hält, kann es eine Kostensenkungsverfahren erlassen, das gilt schon seit Jahren nach der Rechtsprechung des BSG.
Hieran zeigt sich wieder die – Unwissenheit der Mitarbeiter von Jobcentern!
Rechtstipp:
SG Dortmund, Urteil vom 14. August 2017 – S 60 AS 1326/14 –
Notwendige Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters bei einer unwirksamen zivilrechtlichen Vereinbarung
Die Kostensenkungsaufforderung muss den Hilfebedürftigen in den Fällen einer zivilrechtlich unwirksamen Mietzinsvereinbarung in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen.
Die Kostensenkungsaufforderung darf sich in diesem Fall ausnahmsweise nicht darauf beschränken, dem Hilfebedürftigen lediglich den nach Auffassung des Jobcenters angemessenen Mietzins und die Folgen mangelnder Kostensenkung vor Augen zu führen.
Ein Jobcenter hat hier seinen Rechtsstandpunkt dem Leistungsempfänger gegenüber in der Weise darzulegen, dass die hilfebedürftige Person zur Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber dem Vermieter befähigt wird.
Bis zu diesen wichtigen Erläuterungen sind für Leistungsbezieher Maßnahmen der Kostensenkung regelmäßig subjektiv unmöglich .
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.