Kein Bürgergeld-Stopp weil Begutachtung des Grundstücks verweigert wird

Lesedauer 3 Minuten

Versagungsbescheid rechtswidrig bei Nicht – Mitwirkung an einer Begutachtung des Grundstückes

Der § 60 Abs. 1 SGB I bezieht sich auf die Angabe bzw. Ermittlung von Tatsachen. Die vom Jobcenter begehrte Einwilligung zur Begutachtung des Grundstücks der Antragstellerin fällt nicht unter die Mitwirkungspflichten.

Durch die Generalklausel in § 66 Abs. 1 S. 2 SGB I können die Mitwirkungspflichten der §§ 60 ff. SGB I nicht erweitert werden ( SG Berlin, Gerichtsbescheid vom 08. März 2006 – S 88 SO 32/06 -).

Die Versagung auf Grundlage von § 66 SGB I scheitert – unabhängig von den weiteren Voraussetzungen – vorliegend bereits daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind und auch das Ermessen des Jobcenters – unzureichend ausgeübt wurde (SG Landshut Az. S 11 AS 761/19 ).

Kurzbegründung

Die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 SGB I sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer Mitwirkungspflichtverletzung nach § 60 Abs. 1 SGB I. Die Ermessensentscheidung ist ebenso rechtswidrig, denn es fehlt überdies eine Verhandlung der Frage, ob auch eine teilweise Versagung möglich wäre.

Die Versagung auf Grundlage von § 66 SGB I scheitert – unabhängig von den weiteren Voraussetzungen – vorliegend bereits daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind

Zu den Mitwirkungspflichten gehört nicht die Einwilligung zur Begutachtung des Grundstücks

Der Bescheid stützt die Versagung der beantragten Leistung darauf, dass die Klägerin nicht die vollständige Rentenauskunft und insbesondere nicht an der Einleitung der Begutachtung mitgewirkt hat. Eine solche Pflicht zur Duldung oder Mitwirkung an einer Begutachtung des Grundstückes der Klägerin lässt sich jedoch dem § 60 Abs. 1 SGB I gerade nicht entnehmen.

Die Mitwirkungspflicht in § 60 Abs. 1 SGB I bezieht sich jedoch alleine auf die Angabe bzw. Ermittlung von Tatsachen. Vorliegend wird jedoch von der Klägerin nicht die Angabe von Tatsachen, sondern die Einwilligung zur Begutachtung verlangt.

Eine solche Pflicht ergibt sich jedenfalls nicht aus den §§ 60 bis 62, 65 SGB I. Dementsprechend liegt in der Weigerung der Klägerin, einer Begutachtung des Grundstückes zuzustimmen, keine Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I.

Aber auch § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB I, wonach die Norm auch Anwendung findet, wenn der Antragsteller in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, rechtfertigt das Vorgehen des Jobcenters nicht. Denn durch diese Generalklausel können die Mitwirkungspflichten der §§ 60 ff. SGB I nicht erweitert werden (SG Berlin, Gerichtsbescheid vom 08. März 2006 – S 88 SO 32/06 -).

Auch das Ermessen des Jobcenters wurde unzureichend ausgeübt

1. Bei der Erteilung des Bescheids war dem Jobcenter zwar bewusst, dass ihm Ermessen zusteht. Er führte nämlich aus, dass die Klägerin keine Gründe mitgeteilt habe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu ihren Gunsten berücksichtigt werden könnten.

2. Das reicht aber nicht für eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung aus, die auch im Widerspruchsverfahren nicht nachgeholt wurde.

Das Jobcenter hätte jedenfalls berücksichtigen müssen, dass die Klägerin sich grundsätzlich zur Begutachtung und Erteilung der Entbindung von der Schweigepflicht bereits erklärt hatte, falls ein Vororttermin stattfinden würde. Vor diesem Hintergrund hätte es einer Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen bedurft.

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Es fehlt überdies eine Verhandlung der Frage, ob auch eine teilweise Versagung möglich wäre.

Bürgergeld Versagungsbescheid rechtswidrig, wenn die Behörde eine nur teilweise Entziehung nicht in Betracht zieht

Anmerkung vom Experten für Bürgergeld Detlef Brock

Jobcenter-Chef Frank Böttcher fordert vollständigen Bürgergeld-Entzug bei versäumten Terminen.

Wer nicht auftaucht, soll auch kein Geld bekommen!

Um arbeitsunwillige Bürgergeldempfänger schärfer zu bestrafen, plädiert der Geschäftsführer des Duisburger Jobcenters, Frank Böttcher für wirkungsvollere Maßnahmen. Er möchte Arbeitslosen, die mehrere Termine versäumen, komplett die Leistungen streichen!

Und wieder mal handelt es sich um ein reines Wunschdenken des Jobcenter Chefs.

Nach welcher gesetzlichen Grundlage möchte Herr Böttcher denn bitte die Leistungen ganz streichen?

Jedenfalls nach § 66 SGB 1 ist das nicht möglich und § 32 SGB 2 bietet dafür auch – keine Gesetzesgrundlage.

Was mich als Sozialrechtler persönlich so stört an solchen Beiträgen, dass die ausgesprochenen Androhungen ohne gesetzlicher Grundlage sind.

Keinesfalls wollen wir von gegen-hartz.de so ein Verhalten von ein paar wenigen Bürgergeld Beziehern gut heißen, doch muss man hier nicht anders an das Problem ran, denn

Jedem steuerfinanzierten „Kundenberater“ jedes steuerfinanzierten „Jobcenters“ ist es zuzumuten, seinen königlichen „Kunden“ bei Bedarf „Kundengespräche“ in wertschätzendem Ton anzubieten und wohlwollend um ihre Mitwirkung zu werben.

Nach Rechtsprechung und Literatur zum Bürgergeld gilt:

Die Versagung/ Entziehung von Bürgergeld – darf keine „ Sanktionsnorm“ oder sogar eine „ Strafnorm „ darstellen.

Das Jobcenter muss nach einer dritten erfolglosen Meldeaufforderung seine bisherige Ermessensausübung überprüfen ( vgl. BSG, Urteil v. 29.4.2015 – B 14 AS 19/14 R – ).

Aber genau an diesem Punkt scheint es mir angebracht zu sagen, dass ist dem Jobcenter so kaum bekannt ist oder es wird einfach ignoriert.