Schlimme Masche vom Jobcenter: Wenn auf Bürgergeld verzichtet werden soll

Lesedauer 2 Minuten

Verzichtserklärungen gehören längst zum Alltag in vielen Jobcentern. Wer sie unterschreibt, erklärt förmlich, auf künftige Bürgergeldzahlungen zu verzichten – oft in der Annahme, das eigene Einkommen reiche nun aus.

Genau hier liegt das Risiko: Eine vorschnelle Unterschrift kann dazu führen, dass eigentlich zustehende Aufstockungen verloren gehen und Betroffene unbemerkt unter das Existenzminimum rutschen.

Was eine Verzichtserklärung bedeutet

Rechtlich stützt sich der Vorgang auf § 46 SGB I. Dort heißt es, dass Leistungsansprüche schriftlich aufgegeben werden können und der Verzicht „jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufbar“ ist.

Die Norm schützt aber auch: Ist durch den Verzicht eine andere Person oder ein anderer Leistungsträger benachteiligt oder soll eine Rechtsvorschrift umgangen werden, ist die Erklärung unwirksam.

Entschließt man sich zur Gegenwehr, genügt ein formloser Widerruf beim Jobcenter, um den Leistungsanspruch wieder aufleben zu lassen.

Warum Sachbearbeitungen zum Verzicht raten

Im Alltag ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags häufig Auslöser. Liegt der künftige Nettolohn nur knapp über dem bisherigen Regelsatz, rechnen Jobcenter – wie im eingangs geschilderten Fall – gern vor, dass „kein Leistungsfall“ mehr vorliege.

Die Aussicht auf weniger Papierarbeit für beide Seiten wirkt verlockend. Doch wer aufstockende Leistungen unterschätzt, verzichtet rasch auf mehrere hundert Euro pro Jahr, denn Einkommen oberhalb des Regelsatzes deckt nicht automatisch Bedarfe wie Miete oder Mehrbedarfe ab.

Angaben der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass Aufstockungen bei Teilzeit- oder Niedriglohnbeschäftigten nach wie vor eine zentrale Rolle spielen.

Aufhebungs- oder Änderungsbescheid statt Unterschrift

Wer die Erklärung nicht unterschreibt, löst keine Sanktion aus. Das Jobcenter muss stattdessen einen formellen Aufhebungs- oder Änderungsbescheid erlassen.

Ist Ihr Bürgergeld-Bescheid korrekt?

Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.

Bescheid prüfen

Erst dieser Verwaltungsakt kann angefochten werden. Ohne Bescheid gibt es keine neue Rechtslage. Für die Behörde ist der Weg mühsamer, doch für die Betroffenen eröffnet sich die Möglichkeit, die Entscheidung überprüfen zu lassen.

Widerspruch: Niedrige Hürden, realistische Erfolgsaussichten

Der Widerspruch gegen einen Bescheid ist gebührenfrei und binnen eines Monats möglich. Statistiken belegen, dass zwischen einem Drittel und knapp 40 Prozent aller Widersprüche im Bereich Bürgergeld ganz oder teilweise erfolgreich sind.

Der Weg zur Beratungs- oder Prozesskostenhilfe hält das Kostenrisiko gering. Wer also Zweifel hat, sollte das formelle Verfahren ausschöpfen, statt vorschnell zu verzichten.

Gericht gegen missbräuchliche Verzichtspraxis

Die Sozialgerichtsbarkeit greift ein, wenn Verzichtserklärungen missbraucht werden. Das Landessozialgericht München erklärte 2024 einen Verzicht für unwirksam, weil er den vorgeschriebenen Bewilligungszeitraum verkürzte und damit Berechnungsvorschriften umgehen sollte.

Das Urteil zeigt, dass Jobcenter keine Gestaltungsspielräume zulasten der Leistungsberechtigten erzwingen dürfen.

Rücknahme des Verzichts und erneute Antragstellung

Weil der Verzicht nur für die Zukunft wirkt, kann er jederzeit widerrufen werden. Formlose Schreiben genügen, aber in der Praxis ist eine erneute Antragstellung ratsam, da erst damit alle Anspruchsvoraussetzungen abgeprüft und Bescheide erlassen werden. Musterformulare erleichtern den Schritt; die Bundesagentur stellt sie online bereit.

Worauf Betroffene jetzt achten sollten

Vor jeder Unterschrift sollte klar sein, wie hoch der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft ist und ob das neue Einkommen ihn deckt. Dazu gehören nicht nur Regelsatz und Miete, sondern auch Mehrbedarfe und Versicherungsbeiträge.

Bestehen Zweifel, sollte man den Verzicht verweigern, eine korrekte Berechnung verlangen und notfalls den Bescheid abwarten. Erst danach entscheidet man, ob Widerspruch oder Widerruf nötig sind. Langfristig können Beratungsstellen, Sozialverbände oder Fachanwälte unterstützen und unnötige Rechtsnachteile verhindern.

Fazit

Verzichtserklärungen sind ein scharfes Schwert, das in der Praxis oft leichter gezogen wird als notwendig. Wer unterschreibt, verliert nicht selten Ansprüche, die den Lebensunterhalt sichern. Gesetz und Rechtsprechung schützen zwar vor missbräuchlicher Anwendung, doch nur, wenn Betroffene ihre Möglichkeiten kennen und nutzen.