BGH: Im Betreuungsverfahren ist Gutachten dazu Pflicht
Bei der Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen einer psychisch kranken Person muss ein Gutachter die fehlende Fรคhigkeit zur Bildung eines freien Willens ausdrรผcklich feststellen. Anderenfalls darf fรผr einen Volljรคhrigen kein Betreuer bestellt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 5. Dezember 2019, verรถffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 144/19).
Im Streit stand die Verlรคngerung einer Betreuung fรผr einen psychisch kranken Mann aus dem Raum Jever in Niedersachsen. Ihm wurde eine paranoid-querulatorische Persรถnlichkeitsstรถrung bescheinigt. Fรผr alle wesentlichen Lebensbereiche wurde eine Betreuung angeordnet.
Die Fortdauer der Betreuung hatte das Landgericht Oldenburg unter anderem damit begrรผndet, dass der Mann vรถllig verwahrlost auf seinem von Zwangsversteigerung bedrohten Hof ohne Wasser und Strom lebt. Er sei nicht geschรคftsfรคhig und zeichne sich unter anderem durch ausgeprรคgtes Misstrauen gegenรผber Institutionen aus.
Da der Betroffene seinen Willen nicht unbeeinflusst von seiner Erkrankung bilden kรถnne, kรถnne die Betreuung auch gegen seinen Willen fortgefรผhrt werden, so das Landgericht. Ein Gutachter hatte zudem erklรคrt: โWir sehen die Fortfรผhrung der Betreuung auch gegen seinen Willen als gerechtfertigt an.”
Gegen den freien Willen kein Betreuer
Doch die Rechtsbeschwerde des Mannes hatte vor dem BGH Erfolg. Nach dem Gesetz dรผrfe gegen den freien Willen des Volljรคhrigen ein Betreuer nicht bestellt werden, so die Karlsruher Richter. Daher mรผsse in einem Betreuungsverfahren immer auch ein Gutachten belegen, inwieweit trotz Erkrankung ein freier Wille gebildet werden kรถnne. Die fehlende Willensbildung sei hier aber nicht ausdrรผcklich festgestellt worden.
In seinem Beschluss vom 30. Oktober 2019 monierte der BGH zudem, dass das Landgericht dem Mann keinen Verfahrenspfleger zur Seite gestellt hat. Dieser mรผsse aber grundsรคtzlich in Betreuungsverfahren bestellt werden, wenn eine Betreuung in den wesentlichen Lebensbereichen infrage komme. Nur ausnahmsweise kรถnne dann von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen werden, etwa wenn ein Interesse des Betroffenen daran offensichtlich nicht besteht. Hier habe das Landgericht aber gar nicht begrรผndet, warum fรผr den Beschwerdefรผhrer kein Verfahrenspfleger bestellt wurde.
Daher verwies der BGH das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurรผck. fle/mwo