Bleibt einem Hartz IV-Bezieher nach dem Tod der Eltern kein Vermögen, aber eine Eigentumswohnung, muss diese nicht zwingend eingesetzt werden, um die anfallenden Bestattungskosten zu decken.
Sohn erbt Eigentumswohnung
So das Urteil des Landessozialgerichts München im Oktober 2018. Streitgegenstand war die Übernahme von den restlichen Bestattungskosten der verstorbenen Mutter des Klägers. Der Kläger lebte allein mit seiner Mutter, in einer im Erdgeschoss eines Hochhauses gelegenen 65 Quadratmeter großen 2-Zimmer-Wohung.
Die Wohnung war eine Eigentumswohnung und gehörte der Mutter und dem Vater des Klägers gleichermaßen. Nachdem der Vater verstarb, erbte der Sohn die Hälfte seines Anteils, weshalb ihm nun die Wohnung zu einem Viertel gehörte und der Mutter zu drei Vierteln. Die Mutter des Klägers kam im Jahr 2008 in ein Pflegeheim und verstarb zu Beginn des Jahres 2013.
Stadt sollte Kosten übernehmen
Die daraus resultierenden Bestattungskosten beliefen sich auf rund 2.600 Euro, von denen 1.700 Euro aus dem vorhandenen Taschengeld Guthaben sowie überbezahlten Heimkosten gedeckt werden konnten. Demnach entstand ein offener Rechnungsbetrag von 900 Euro. Der einzige Sohn erhielt als Nachlass den restlichen Anteil der Eigentumswohnung.
Er war zwar nun Besitzer einer Eigentumswohnung, aber hatte als Hartz IV-Bezieher dennoch keine Möglichkeit die 900 Euro aufzubringen. Daher forderte er im Mai 2013 die Übernahme der restlichen Bestattungskosten bei der zuständigen Landeshauptstadt an, nachdem er bereits eine Mahnung sowie eine Rechnung bezüglich Verzugszinsen erhalten hatte. Der Beklagte lehnte diese Forderung ab und bot dem Kläger eine darlehensweise Gewährung der offenen Bestattungskosten an. Diese Forderung wurde wiederum vom Kläger zurückgewiesen, mit der Begründung, dass ihm kein Geld zur Verfügung stehe und die Wohnung Schonvermögen darstelle, was nicht eingesetzt werden müsse.
Nachlass müsse für offenen Kosten eingesetzt werden
Der Beklagte stritt weiterhin die Übernahme der Kosten ab und vertrat die Auffassung, dass der Nachlass der verstorbenen Mutter sehr wohl zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen sei. Der Bevollmächtigte des Klägers wies daraufhin, dass es lebensfremd sei, anzunehmen, dass der Kläger, die von ihm selbst zu Wohnzwecken genutzte Immobilie, zur Finanzierung der Bestattungskosten einzusetzen habe.
Der Beklagte beharrte jedoch darauf, dass der Nachlass zur Deckung der offenen Kosten eingesetzt werden müsse, denn der Erbe dürfe sich nicht auf die Vermögensverschonung berufen, da diese Regelung nicht auf Nachlässe zutreffe. Der ¾-Anteil der verstorbenen Mutter reiche demnach aus, um die Kosten zu decken und sei daher auch einzusetzen, so der Beklagte.
Eigentumswohnung stelle Schonvermögen dar
Nach Angaben der Regierung Oberbayerns habe der Beklagte Recht, mit der Annahme, dass der Nachlass der Verstorbenen als Deckung einzusetzen sei. Daher reichte der Sohn Klage ein. Der Bevollmächtigte des Klägers wandte ein, dass eine Erbschaft zwar nicht generell unter das Schonvermögen falle, ein einzelner Nachlassgegenstand, wie ihn eine Eigentumswohnung darstelle, jedoch geschützt sein könne. Zudem komme, dass auch eine darlehensweise Gewährung aufgrund mangelnden Vermögens nicht in Betracht komme.
Es wäre unzumutbar, von dem Kläger zu verlangen seine Eigentumswohnung einsetzen zu müssen, um die Bestattungskosten zu übernehmen. Die Veräußerung, der seit vielen Jahren von ihm selbst bewohnte Eigentumswohnung, hätte den Verlust der Unterkunft zur Folge. Hinzu komme, dass der Kläger seit Jahren an chronischer Depression sowie an einer Persönlichkeitsstörung leide. Zusätzlich erfolge eine zunehmende Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbildes. Demzufolge sei es unwahrscheinlich, dass der Kläger in angemessener Zeit eine neue Wohnung finden würde und das hätte seine Obdachlosigkeit zur Folge.
Sozialgericht fordert den Einsatz des Nachlasses
Das Sozialgericht hatte diese Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Kostentragung für den Kläger durchaus zumutbar sei. Der zum Nachlass gehörende Miteigentumsanteil der Verstorbenen, stelle demnach Vermögen dar, das zur Begleichung der Bestattungskosten heranzuziehen sei. Der Kläger habe die Kosten demnach zu übernehmen.
Dagegen rief der Bevollmächtigte des Klägers Berufung beim Bayrischen Landessozialgericht ein, die zum Erfolg führte. Das Landessozialgericht bestätigte die Annahme, dass der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten habe, die offenen Kosten zu übernehmen, da ihm der Einsatz des restlichen Nachlasses, also der Verkauf der Eigentumswohnung, nicht zuzumuten sei. Folglich muss der Beklagte die offenen Bestattungskosten übernehmen und dem Kläger zudem die außergerichtlichen Kosten erstatten.
Stadt hätte Obdachlosigkeit in Kauf genommen
Ein Prozess, der nach über fünf Jahren zu Gunsten des Hartz IV beziehenden Sohnes entschieden wurde. Eine Zeit, in der er mit dem Tod der eigenen Mutter nicht abschließen konnte, weil die Stadt sich weigerte, die übrigen Bestattungskosten zu übernehmen. Der mit Krankheit belastete Sohn besitzt kein Vermögen und trotz Eigentumswohnung, erlaubt der geringe Regelsatz es ihm nicht, eine Rücklage anzusparen, mit der er die Kosten hätte übernehmen können.
Die Stadt hat dennoch verlangt, dass er seinen eigenen Besitz, die Eigentumswohnung aufgibt und verkauft, auch wenn es die Obdachlosigkeit für ihn bedeutet hätte. Er sollte lieber auf der Straße leben, Hauptsache die Stadt kommt an ihr Geld. Hinzuzufügen ist, dass es sich bei dem Nachlass um eine 2 Zimmern-Wohnung handelt und er kein Haus geerbt hat, dass er nicht verlassen möchte. Vergeblich appelliert man auch in diesem Fall wieder an den gesunden Menschenverstand der Beteiligten Personen. Dass solche Fälle zu Gunsten der Bedürftigen entschieden werden, ist nämlich keineswegs der Regelfall. Kommen Hartz IV-Bezieher zu Eigentum oder Vermögen und sei es wie in diesem Fall, aufgrund trauriger Umstände, versucht man es ihnen mit aller Kraft wieder zu nehmen.
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