Wegen manipulativer Aktenführung lebt Bürgergeld-Bezieher ohne Strom

Lesedauer 3 Minuten

Ein aktueller Fall, betreut durch den Verein Tacheles e.V., zeigt die Versäumnisse des Jobcenters Wuppertal. Ein 59-jähriger Arbeitsloser sieht sich aufgrund von Fehlentscheidungen der Behörde mit existenziellen Problemen konfrontiert, darunter drohende Obdachlosigkeit.

Seit acht Monaten verweigert das Jobcenter ihm sämtliche Leistungen. Die Vorwürfe umfassen manipulative Aktenführung, unvollständige Sachverhaltsdarstellungen sowie eine mangelhafte Kooperationsbereitschaft.

Jobcenter verweigert Leistungen seit 8 Monaten

Der Betroffene, ein 59-jähriger Mann aus Wuppertal, befindet sich seit März 2024 in einer existenziellen Krise, da das Jobcenter Wuppertal seine Leistungen für den Lebensunterhalt verweigert. Seitdem fehlen ihm sowohl finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts als auch der Zugang zur Krankenversicherung.

Er konnte keine Mietzahlungen mehr leisten, was dazu führte, dass ihm seine Wohnung fristlos gekündigt wurde und die Räumungsklage nun bevorsteht.

Der Betroffene, der über Jahre regulär vom Jobcenter unterstützt wurde, musste aufgrund familiärer Konflikte und gesundheitlicher Probleme im März 2024 einen neuen Antrag stellen.

Bereits zu diesem Zeitpunkt war bekannt, dass seine Wohnung seit längerer Zeit aufgrund von Stromschulden nicht mehr mit Strom versorgt wurde.

Doch anstatt Unterstützung anzubieten, wurde ihm unterstellt, die Wohnung gar nicht mehr zu bewohnen, da eine Nutzung ohne Strom als unzumutbar angesehen wurde. Das Jobcenter zog daraus den Schluss, dass der Betroffene nicht mehr in Wuppertal lebt und daher keinen Anspruch auf Leistungen hat.

Lesen Sie auch:
Bürgergeld: Diese Fragen dürfen Jobcenter gar nicht stellen

Konsequenzen der Stromabschaltung für den Betroffenen

Das Leben ohne Strom verletzt das Grundrecht auf ein würdevolles Leben. Alltägliche Dinge wie das Kochen, Waschen oder die Körperpflege sind ohne Elektrizität äußerst schwierig.

Dennoch nutzte der Betroffene seine Wohnung weiterhin als seinen Rückzugsort, hielt sie in Ordnung und verbrachte seine Tage dort. Für ihn stellt die Wohnung einen sicheren Raum dar, den er unter keinen Umständen verlieren möchte.

Jobcenter äußert Zweifel an Hilfebedürftigkeit

Nach der Antragstellung im März 2024 forderte das Jobcenter diverse Nachweise und Dokumente zur Klärung des Anspruchs. Diese Unterlagen wurden fristgerecht und vollständig eingereicht.

Dennoch lehnte das Jobcenter im Mai 2024 den Antrag mit der Begründung ab, es bestünden Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Betroffenen und seine Mitwirkung sei unzureichend gewesen.

Der Betroffene legte Widerspruch ein und wandte sich zusätzlich an den Verein Tacheles e.V. zur Unterstützung.

Vermittlungsversuche schlugen fehl

Monatelang versuchte Tacheles, eine Vermittlung zwischen den Parteien zu erreichen, indem sie mehrfach schriftlich und telefonisch Kontakt mit dem Jobcenter aufnahmen, persönliche Gespräche anboten und Lösungsvorschläge unterbreiteten.

Trotz gesetzlicher Verpflichtung zur Kooperation verweigerte das Jobcenter jedoch eine Antwort auf die wiederholten Anfragen.

Erst nach mehreren Beschwerden an die zuständige Beschwerdestelle erfolgte im September 2024 eine Reaktion – zu einem Zeitpunkt, als der Betroffene bereits seit sechs Monaten ohne finanzielle Mittel war. Auch diese Intervention brachte jedoch keine Fortschritte, da das Jobcenter darauf beharrte, dass noch zu viele Fragen ungeklärt seien, um sofortige Hilfe leisten zu können.

Mangelnde Transparenz und problematische Aktenführung

Bei der Akteneinsicht, die von Tacheles e.V. beantragt wurde, wurden Lücken festgestellt, die wichtige Aspekte der Entscheidung betrafen. So fehlten wichtige Dokumente, darunter Protokolle angeblicher Hausbesuche sowie Rückmeldungen von Arbeitgebern zu einem Minijob.

Interne Vermerke wurden geschwärzt, wodurch die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen massiv erschwert wurde. Die Akte wies zudem keine durchgehende Nummerierung auf, was den Verdacht erhärtete, dass möglicherweise Dokumente entfernt wurden.

Unter den Akten befand sich ein Widerspruchsbescheid, datiert auf den 8. Oktober 2024, der den Betroffenen jedoch erst am 24. Oktober 2024 erreichte. Auch in diesem Bescheid wurden die Tatsachen erneut falsch dargestellt.

So wurde unter anderem die angebliche Durchführung von Hausbesuchen als Argument dafür angeführt, dass der Betroffene kein Interesse an der Aufklärung habe, obwohl diese Hausbesuche weder dokumentiert noch dem Betroffenen bekannt waren.

Der dritte angebliche Versuch scheiterte ebenfalls aufgrund des Verschuldens des Jobcenters, was ebenfalls nicht berücksichtigt wurde.

Gespräche mit der Geschäftsleitung des Jobcenters bringen keine Lösung

Auch die Einbeziehung der Geschäftsleitung des Jobcenters führte zu keiner Lösung. In einem Schreiben vom 9. Oktober 2024 behauptete die Geschäftsleitung, der Betroffene sei bei mehreren Hausbesuchen nicht anwesend gewesen und habe für spätere Zeitpunkte einen neuen Termin vorgeschlagen, was als Beweis für seinen angeblichen Nichtaufenthalt in Wuppertal gewertet wurde.

Diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Wahrheit, so Tacheles. Der Betroffene hielt sich zu den genannten Zeiten mit einem Zeugen in seiner Wohnung auf, doch erschien niemand vom Jobcenter zu den angekündigten Terminen.

Letzte Versuche einer Klärung und der Gang vor Gericht

Am 20. Oktober 2024 verfasste der Vorstand von Tacheles e.V. ein weiteres Schreiben an die Geschäftsleitung des Jobcenters, in dem auf die zahlreichen Fehler und Ungereimtheiten hingewiesen wurde. In der Hoffnung auf eine Überprüfung, bat der Verein um eine Klärung der Situation.

Allerdings verstrich die gesetzte Frist ohne jegliche Reaktion. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung des Schreibens wurde abgegeben. Nachdem sämtliche Versuche, den Fall zu lösen, gescheitert waren, bleibt als letzter Ausweg nur der Gang vor das Sozialgericht.

Der Verein Tacheles wird aber weiter dran bleiben: “Sollte das Jobcenter inzwischen doch an einer konstruktiven Lösung interessiert sein, halten wir unser Angebot, gemeinsam nach einer Lösung im Sinne des Betroffenen zu suchen, selbstverständlich aufrecht”, so der Sozialverein in einer Stellungnahme.