Die Bundesregierung will härtere Sanktionen gegen Bürgergeld-Bezieher einführen, außerdem eine Meldepflicht und den Zwang, in Ein-Euro-Jobs zu arbeiten. Ein Arbeitsmarktexperte erklärt: “Das schafft keinen einzigen qualifizierten Arbeitsplatz”.
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“Es werden lediglich Vorurteile geschürt”
Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, kritisiert die geplanten Verschärfungen gegen Bürgergeld-Bezieher scharf.
Er sagt: „Alle angekündigten Maßnahmen schaffen nicht einen qualifizierten Arbeitsplatz mehr, schüren aber weiterhin Vorurteile gegen Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld., urteilte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.”
Kein Wirtschaftswachstum durch Sanktionen
Die Bundesregierung rechtfertigt die Verschärfungen damit, dass diese das Wirtschaftswachstum ankurbeln würden. Das hält Rock für Nonsens.
Der Sachverständige sagte in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Budnestag am 4. November 2024, diese Annahme sei verfehlt.
Falsche Grundannahmen
Der Paritätische Gesamtverband erklärte der Behauptung von Politikern ein klare Absage, dass Bürgergeld-Bezieher in großem Ausmaß Angebote zur Erwerbsarbeit verweigern würden.
Dem Verband zufolge seien der Bundesagentur für Arbeit nur wenige tausend Fälle bekannt, in denen Leistungsbezieher konkrete Jobangebote nicht angenommen hätten, und dies auch noch aus unterschiedlichen Gründen.
Insgesamt handle es sich um 14.000 Fälle im letzten Jahr. Das sei im Verhältnis zu 5,5 Millionen Leistungsberechtigten gering.
Das Märchen vom “faulen Erwerbslosen”
Tatsächlich werden diese Verschärfungen mit denselben Diffamierungen und Falschbehauptungen begründet, mit denen bereits Hartz IV Empfänger an den Pranger gestellt wurden.
Es wird so getan, als sei der Grund für Erwerbslosigkeit eine vermeintliche Faulheit der Arbeitssuchenden,
Selbst bei den extrem wenigen der 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehern, die eine konkrete Stelle nicht annahmen, gab es verschiedene Gründe dafür.
Die Realität sieht anders aus
Die realen Gründe, warum grundsätzlich erwerbsfähige Bürgergeld-Bezieher keine qualifizierte Erwerbsarbeit finden, sind gänzlich andere.
Viele haben keine Ausbildung oder eine Ausbildung, die heute nicht mehr gefragt ist. Viele haben gesundheitliche Probleme, psychische oder körperliche Einschränkungen. Viele leiden an Suchtkrankheiten.
Andere haben Sprachprobleme oder ausländische Abschlüsse, bei denen sie auf ihre Anerkennung warten.
Weiterbildung statt Sanktionen
Diese Menschen brauchen Weiterbildung und Förderung, oft auch eine psychosoziale Unterstützung bei familiären Problemen, Schulden oder durch eine Therapie, um überhaupt wieder eine Chance im allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden.
Viele Arbeitgeber haben Hemmungen, die Betroffenen einzustellen, weil dies mit Kosten und Aufwand verbunden sein kann.
Es gibt bei den Jobcentern spezielle Angebote, um die besagten Probleme zu händeln. Doch deren Förderung wird 2025 drastisch reduziert.
Fazit
Es ist gut, dass ein echter Experte vom Paritätischen Gesamtverband im Bundestag angehört wird. Doch seine richtigen Einschätzungen werden leider keine Auswirkungen haben.
Statt Menschen in einer schwierigen Lebenssituation zu helfen, wieder einen Arbeitsalltag haben zu können, wird ihre sozioöokonomische Existenzgrundlage durch die Sanktionen sogar noch massiv angegriffen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.