Urlaubsanspruch trotz Krankengeld: Das verschweigen viele Arbeitgeber

Wer krank wird, hat oft ganz andere Sorgen als die Frage nach dem Jahresurlaub. Doch spätestens bei längerer Arbeitsunfähigkeit und dem Wechsel ins Krankengeld taucht genau dieses Thema auf: Was passiert mit dem Urlaubsanspruch, wenn ich über Monate nicht arbeiten kann?

Und darf ich währenddessen überhaupt verreisen? Die rechtliche Lage ist klar geregelt, aber in der Praxis kennen viele ihre Rechte nicht – mit teuren Folgen.

Urlaubsanspruch entsteht auch bei langer Krankheit

Auch wer monatelang krank ist und Krankengeld bezieht, verliert seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch. Denn der gesetzliche Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz entsteht unabhängig davon, ob tatsächlich gearbeitet wird.

Entscheidend ist allein, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Solange dies der Fall ist, baut sich der gesetzliche Urlaubsanspruch ganz normal auf – auch bei lückenloser Krankschreibung und Krankengeldbezug.

Dabei ist es unerheblich, ob die Erkrankung in das laufende Urlaubsjahr fällt oder bereits länger andauert. Selbst bei einer Arbeitsunfähigkeit über mehrere Jahre hinweg kann sich ein Urlaubsanspruch kumulieren. Allerdings gelten hier wichtige Einschränkungen hinsichtlich Verfallfristen.

Die 15-Monatsfrist: Wann Urlaubsanspruch verfällt

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfällt der Urlaubsanspruch bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht schon am Jahresende, sondern erst 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres.

Entscheidend ist dabei die lückenlose Krankschreibung. Wer also das gesamte Jahr 2023 krank war, muss den Urlaub aus diesem Jahr bis spätestens 31. März 2025 geltend machen. Danach erlischt der Anspruch unwiderruflich – es sei denn, der Arbeitgeber hat seine Mitwirkungspflichten verletzt.

Urlaubsjahr Verfall bei lückenloser Krankheit am
2023 31. März 2025
2024 31. März 2026

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Beschäftigten aktiv und nachweisbar über den Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen zu informieren. Unterbleibt diese Information, kann ein Verfall des Urlaubs ausgeschlossen sein – selbst über die 15 Monate hinaus.

Rückkehr in den Job: Urlaub rechtzeitig einfordern

Nach langer Krankheit und Wiedereingliederung in den Beruf bleibt der Urlaubsanspruch bestehen. Wichtig ist, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub frühzeitig schriftlich beantragen. Die Erfahrung zeigt: Wer zu lange zögert oder keine Initiative ergreift, riskiert, dass alte Urlaubsansprüche verfallen, auch wenn sie eigentlich noch bestehen.

Besonders bei gestaffelter Rückkehr (Hamburger Modell) sollten Betroffene mit dem Arbeitgeber klären, ab wann sie als urlaubsfähig gelten.

Urlaub machen während Krankengeldbezug: erlaubt oder riskant?

Grundsätzlich ist eine Urlaubsreise während des Bezugs von Krankengeld nicht ausgeschlossen. Doch hier lauern Fallstricke: Der Urlaub darf den Heilungsverlauf nicht beeinträchtigen, sonst kann die Krankenkasse das Krankengeld streichen.

Insbesondere bei Reisen ins Ausland ist Vorsicht geboten. Eine vorherige Zustimmung der Krankenkasse ist zwingend erforderlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit fortbesteht.

Wer ohne Genehmigung verreist oder nicht erreichbar ist, riskiert eine Einstellung der Leistung oder sogar Rückforderungen. Die Krankenkasse prüft dabei streng, ob der Aufenthaltsort die Genesung verzögert oder eine medizinische Behandlung erschwert.

Besondere Situationen: Reha, Auslandsaufenthalt, psychische Erkrankung

Reha-Maßnahmen gelten in der Regel nicht als Urlaub, sondern als medizinisch notwendige Behandlungsform. Dennoch kann während einer Reha Anspruch auf Urlaub bestehen bleiben. Wer etwa direkt im Anschluss an eine Reha eine Reise plant, sollte dies mit der Krankenkasse und dem behandelnden Arzt abstimmen.

Gerade bei psychischen Erkrankungen, Burnout oder Depressionen ist der Erholungsfaktor eines Ortswechsels nicht zu unterschätzen. Dennoch gilt auch hier: Ohne Attest und Zustimmung keine Reise bei laufender Krankschreibung.

Bei Reisen innerhalb Deutschlands ist meist keine ausdrückliche Genehmigung notwendig, sofern keine Behandlung versäumt wird.

Arbeitsverhältnis endet: Anspruch auf Urlaubsabgeltung sichern

Wird ein Arbeitsverhältnis während der Krankheit beendet, besteht ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs. Der Arbeitgeber muss diesen Urlaub in Geld auszahlen, selbst wenn die betroffene Person weiterhin krank ist und Krankengeld bezieht. Die Berechnungsgrundlage ist das zuletzt gezahlte Bruttogehalt, nicht das Krankengeld.

Die Geltendmachung sollte schriftlich erfolgen, idealerweise mit Hinweis auf die genaue Zahl offener Urlaubstage. Oft werden solche Ansprüche bei Kündigung “vergessen” oder kleingerechnet.

Urlaubsanspruch ist kein Bonus, sondern ein Recht

Der gesetzliche Urlaubsanspruch dient der Erholung und bleibt auch bei Krankheit bestehen. Doch wer seine Rechte nicht kennt oder untätig bleibt, riskiert den Verlust wertvoller Ansprüche. Krankengeldbezieher sollten sich aktiv über ihre Urlaubstage informieren, Fristen beachten und jede Reise mit der Kasse abklären.

Gerade bei langen Ausfallzeiten lohnt sich eine schriftliche Klärung mit dem Arbeitgeber, um finanzielle Einbußen zu vermeiden. Rechtzeitig handeln heißt hier: Geld sichern, Urlaub retten, Fehler vermeiden.