Schwerbehinderung: Hilfsmittel beantragen – So entgehen Sie langen Wartezeiten

Wenn Sie aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung auf technische oder kรถrperunterstรผtzende Gerรคte angewiesen sind, stellt sich eine zentrale Frage: Wer รผbernimmt die Kosten? Denn nicht immer erkennt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) automatisch jede Versorgungspflicht an.

Anspruch auf Hilfsmittel durch die Krankenkasse

Die gesetzliche Grundlage fรผr die Versorgung mit Hilfsmitteln ist im Sozialgesetzbuch V (SGBโ€ฏV) sowie im Sozialgesetzbuch IX (SGBโ€ฏIX) verankert. Nach ยงโ€ฏ33 Absatzโ€ฏ1 SGBโ€ฏV haben Versicherte dann einen Anspruch auf ein Hilfsmittel, wenn dessen Einsatz notwendig ist, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine bereits bestehende Behinderung auszugleichen.

Dabei muss es sich nicht zwingend um eine medizinische MaรŸnahme handeln โ€“ auch der Ausgleich einer Behinderung kann eine Hilfsmittelversorgung rechtfertigen. Entscheidend ist stets, ob das Hilfsmittel im konkreten Einzelfall erforderlich ist.

Allgemeine Grundbedรผrfnisse des tรคglichen Lebens

Ein hรคufiger Knackpunkt: Kostenรผbernahme nur dann, wenn das Hilfsmittel allgemeinen Grundbedรผrfnissen dient โ€“ sonst kann der Anspruch der Krankenkasse entfallen. Ein Hilfsmittel โ€ždient allgemeinen Grundbedรผrfnissenโ€œ, wenn es die Befriedigung ganz normaler Lebensverrichtungen ermรถglicht (z.โ€ฏB. Mobilitรคt, Ausscheidung, Kommunikation).

Beispiel: Ein Rollstuhl, der dazu dient, sich selbststรคndig fortzubewegen und damit an sozialen Aktivitรคten teilzunehmen, erfรผllt oft diesen Zweck. Anders kรถnnte es aussehen, wenn ein Hilfsmittel nur innerhalb beruflicher Tรคtigkeiten oder rein privat eingesetzt wird โ€“ dann greift eventuell nicht die Leistungspflicht der Krankenkasse.

Der Weg zur Versorgung โ€“ so gehen Sie vor

Der erste Schritt zur Hilfsmittelversorgung besteht darin, dass der behandelnde Arzt eine Verordnung ausstellt, aus der hervorgeht, dass das gewรผnschte Hilfsmittel medizinisch notwendig ist. Mit dieser Verordnung kann anschlieรŸend ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden. Hรคufig genรผgt es, zusรคtzlich einen Kostenvoranschlag des Sanitรคtshauses beizufรผgen.

Danach heiรŸt es: Entscheidung der Krankenkasse abwarten. Werden die gesetzlichen Fristen รผberschritten, kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Selbstbeschaffung des Hilfsmittels in Betracht gezogen werden. Erfolgt eine Bewilligung, รผbernimmt ein Vertragspartner der Krankenkasse โ€“ etwa ein Sanitรคtshaus, ein Hรถrgerรคteakustiker oder eine Fachapotheke โ€“ die Lieferung oder Anpassung des Hilfsmittels.

Wichtig ist auรŸerdem, dass Versicherte in vielen Fรคllen mit einer Eigenbeteiligung rechnen mรผssen. Die Hรถhe der Zuzahlung richtet sich dabei nach den gesetzlichen Vorgaben.

Gesetzliche Fristen โ€“ wichtige Deadlines

Wer einen Antrag bei der Krankenkasse stellt, sollte die gesetzlichen Fristen genau kennen. Werden diese nicht eingehalten, gilt der Antrag als genehmigt โ€“ Sie kรถnnten das Hilfsmittel dann selbst beschaffen und Kosten von der Krankenkasse verlangen.

Nach ยงโ€ฏ13โ€ฏAbs.โ€ฏ3a SGBโ€ฏV gilt bei Sachleistungen zur Krankenbehandlung eine Frist von 3โ€ฏWochen. Wird ein Gutachten benรถtigt (z.โ€ฏB. vom Medizinischer Dienst der Krankenversicherung โ€“ MDK), verlรคngert sich die Frist auf 5โ€ฏWochen. Wird keine Entscheidung getroffen, gilt der Antrag als genehmigt.

Fรผr MaรŸnahmen zur Teilhabe bzw. Ausgleich von Behinderung greift ยงโ€ฏ18 SGBโ€ฏIX: Die Krankenkasse oder der Rehabilitationstrรคger muss innerhalb von zwei Monaten entscheiden oder begrรผndet eine Verlรคngerung mitteilen.

Wenn diese Fristen nicht eingehalten werden, sind Ihre Rechte gestรคrkt: Eine sogenannte Genehmigungsfiktion tritt ein, das heiรŸt: Der Antrag gilt als bewilligt.

Welche Leistungserbringer sind beteiligt?

Nach Bewilligung erfolgt die Lieferung oder Anpassung durch einen Vertragspartner der Krankenkasse, z.โ€ฏB.:

  • Sanitรคtshaus
  • Hรถrgerรคteakustiker
  • Fachapotheke
  • Prothetikwerkstatt

Mit dem Vertragspartner kรถnnen Sie direkt Kontakt aufnehmen. Bei der Krankenkasse erfahren Sie, wer in Ihrem Versorgungsbereich zugelassen ist.

Zuzahlung und Ablehnungen โ€“ Ihr Handlungsraum

Zuzahlung: In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt: Fรผr viele Hilfsmittel wird eine Zuzahlung fรคllig โ€“ meist 10โ€ฏ% des Abgabepreises, mindestens 5โ€ฏEuro, hรถchstens 10โ€ฏEuro. Wenn die Zuzahlung Ihre wirtschaftliche Belastungsgrenze รผberschreitet (z.โ€ฏB. 2โ€ฏ% des Bruttoeinkommens), kรถnnen Sie ggf. eine Befreiung beantragen.

Ablehnung: Wird Ihr Antrag abgelehnt, sollten Sie:

  • schriftlich die Ablehnungsbegrรผndung erhalten
    prรผfen, ob fehlerhafte oder unvollstรคndige Angaben vorlagen
  • Widerspruch oder Leistungsklage erwรคgen
  • bei รœberfristen prรผfen, ob die Leistung als genehmigt gilt โ€“ das kann Ihre Position stรคrken.

Versorgung ausgewรคhlter Hilfsmittel im Detail

Inkontinenzhilfen

Fรผr saugende Produkte wie Windeln oder Schutzhosen gilt: Die Kasse รผbernimmt gewรถhnlich die Kosten, wenn eine รคrztliche Verordnung vorliegt und die Inkontinenz mindestens mittelgradig ist.

Beachten Sie: Produkte, die รผber den โ€žmedizinisch notwendigen Standardโ€œ hinausgehen, mรผssen Sie oft selbst zahlen oder zusรคtzlich aufzahlen.

Sehhilfen (z.โ€ฏB. Brillen)

Fรผr Kinder und Jugendliche besteht Anspruch auf Sehhilfen ohne groรŸe Einschrรคnkung. Bei Erwachsenen ist der Anspruch eingeschrรคnkt: z.โ€ฏB. bei starken Fehlsichtigkeiten (+/โ€‘โ€ฏ6โ€ฏDioptrien) oder speziellen Erkrankungen.

Hรถrgerรคte

Hรถrgerรคte gelten in der Regel als Hilfsmittel zum unmittelbaren Ausgleich einer Behinderung. Die Versorgungspflicht der Krankenkasse wird durch sogenannte Festbetrรคge begrenzt.

Warum diese Regeln besonders wichtig fรผr Sie sind

Gerade wenn Sie mit einer Behinderung leben oder eine Versorgung benรถtigen, entscheidet der richtige Antrag รผber Qualitรคt und Schnelligkeit Ihrer Versorgung. Wer Fristen kennt und seinen Anspruch aktiv verfolgt, vermeidet lange Wartezeiten und mรถgliche Versorgungslรผcken.

Wenn Sie etwa ein Autoโ€‘ oder Spezialhilfsmittel benรถtigen, kann es sein, dass die Leistungspflicht nicht bei der Krankenkasse liegt, sondern bei anderen Trรคgern (z.โ€ฏB. Eingliederungshilfe, Arbeitsagentur).

Handlungstipps fรผr Ihren Alltag

Lassen Sie sich so frรผh wie mรถglich vom Arzt eine Verordnung ausstellen.
Reichen Sie Antrag und Unterlagen vollstรคndig bei der Krankenkasse ein.
Notieren Sie den Eingangstermin beim Antrag โ€“ Fristen laufen ab diesem Tag.
Prรผfen Sie nach 3 bzw. 5 Wochen (SGBโ€ฏV) oder 2โ€ฏMonaten (SGBโ€ฏIX) den Status โ€“ bei Verzรถgerung: Nachhaken!

Nutzen Sie Ihre Wahlfreiheit beim Leistungserbringer โ€“ die Krankenkasse darf nicht ohne sachlichen Grund einen bestimmten Anbieter vorgeben.
Fordern Sie bei einer Ablehnung schriftliche Begrรผndung und prรผfen Sie Ihre Einspruchsโ€‘/Klagemรถglichkeit.