Totalsanktionen beim Bürgergeld: Einer Familie mit 3 Kindern wurden Hilfen komplett eingestellt

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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Hartz-IV-Leistungen bzw. heute das Bürgergeld nicht mehr als 30 Prozent sanktioniert werden. Die Jobcenter können aber nach wie vor sogenannte “Totalsanktionen” verhängen und damit die Sozialleistungen auf Null setzen. So ergeht es derzeit einer Familie mit drei Kindern.

Komplette Einstellung aller Leistungen durch das Jobcenter

Helena Steinhaus, Gründerin der Initiative Sanktionsfrei e.V., berichtet: Familie H hat drei Kinder. Das Bürgergeld und die Mietzahlungen wurden komplett eingestellt. Die Miete wurde bereits seit 3 Monaten nicht mehr an den Vermieter überwiesen, weshalb nun zusätzlich die Kündigung und damit eine Obdachlosigkeit droht. Psychisch sei die Familie “total am Ende”, berichtet Steinhaus auf Twitter.

Durch die Totalsanktionierung ist zusätzlich eine Depression bei der Mutter der Familie ausgebrochen. “Der Kühlschrank bleibt seit Wochen oft leer und wir gehen abends mit hungerndem Magen ins Bett”, berichtet sie.

Wie konnte die Situation entstehen?

Wie konnte es so weit kommen? Im Haus der Familie wurde häufig Post gestohlen und der Briefkasten beschädigt. So kann es sein, dass wichtige Post vom Jobcenter die Familie nicht erreicht hat. Eine entsprechende Anzeige gegen Unbekannt liegt “Sanktionsfrei” vor. Daher auch die Vermutung: “So kam die Post des Jobcenters nicht immer an.”

“Wer Schuld hat ist schwer zu sagen. Aber es sollte klar sein, dass die Familie sich nicht einfach in Luft aufgelöst hat und dass die Kinder weiter zur Schule müssen. Das Geld komplett einzustellen ist grob fahrlässig”, kritisiert Steinhaus.

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Verein springt ein und hilft

Der Verein springt zunächst finanziell ein und hat zudem einen Anwalt eingeschaltet. Der nächste Termin in der Behörde ist erst am 4. April. “Bis dahin gehen noch viele Abende mit leerem Kühlschrank ins Land”, beklagt Steinhaus.

Warum können Jobcenter Leistungen einfach ganz einstellen? Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentern, weil die Behörde behauptet, angeforderte Nachweise und Unterlagen seien nicht eingegangen.

Bei fehlender Mitwirkung, die im SGB II vorgeschrieben ist, droht den Betroffenen im schlimmsten Fall die Einstellung oder Versagung der Bürgergeldleistungen. Denn wer angeblich keine Unterlagen oder Nachweise einreicht, kommt seinen Mitwirkungspflichten nicht nach.

Goldene Regeln um eine “fehlende Mitwirkung” zu vermeiden

Diese “goldenen Regeln” sollten Leistungsbeziehende deshalb immer beherzigen, um später keinen Ärger zu bekommen.

    • Ein Deckblatt mit der Aufschrift Eilige Unterlagen – bitte sofort bearbeiten, auch als Deckblatt, um den Datenschutz zu wahren.
    • Fehlende  Unterlagen werden für den Jobcenter-Mitarbeiter mit einer Kopie als Nachweis eingereicht
    • Informationsschreiben für den Jobcenter-Sachbearbeiter, falls Unterlagen wieder im Haus verloren gehen.
    • Bei Zusendung per Fax den Sendebericht aufbewahren
    • Brief an das Jobcenter mit einem Zeugen einwerfen
    • Den Brief per Annahmebestätigung per Post versenden

Die fehlende Beratung der Jobcenter ist ein weiteres Problem, obwohl die Leistungsträger eine gesteigerte Beratungspflicht nach SGB II nach § 14 SGB II haben.

Totalsanktionen nicht mit Grundrecht vereinbar

In diesem Fall haben offensichtlich äußere Umstände – nämlich die Beschädigung des Briefkastens und der Diebstahl wichtiger Jobcenter-Briefe – zu der ungünstigen Situation geführt. Dennoch darf es nicht sein, dass Familien mit Kindern, aus welchen Gründen auch immer, komplett von allen Leistungen abgeschnitten werden. Das Recht auf ein Existenzminimum ist ein verbrieftes Grundrecht, an das sich die Jobcenter wie in diesem Fall nicht halten.