Viele Menschen mit Erwerbsminderungsrente müssen trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiter arbeiten – sei es aus finanziellen Gründen oder weil sie sich noch dazu in der Lage fühlen. Doch was ist erlaubt? Und wo droht der Verlust der Rente? Wir erklären, worauf Betroffene unbedingt achten sollten.
Inhaltsverzeichnis
Teilweise Erwerbsminderungsrente: Arbeiten ja – aber begrenzt
Wer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht, darf grundsätzlich arbeiten – allerdings nur bis zu sechs Stunden am Tag. Diese sogenannte Restleistungsfähigkeit wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geprüft und ist entscheidend für den Rentenanspruch.
Wichtig: Sobald regelmäßig sechs oder mehr Stunden gearbeitet werden, geht die Rentenversicherung davon aus, dass keine Erwerbsminderung mehr vorliegt – und kann die Rente streichen. Auch dann, wenn es sich um eine Tätigkeit mit besonderen Bedingungen handelt (z. B. viele Pausen, Homeoffice vom Krankenbett aus etc.).
Neu seit 2024: „Arbeitserprobung“ schützt Rente zeitweise
Seit dem 1. Januar 2024 gibt es eine neue Regelung: Wer wieder mehr arbeiten möchte, kann dies für eine begrenzte Zeit testen, ohne die Rente sofort zu verlieren. Diese sogenannte Arbeitserprobung dauert in der Regel ein halbes Jahr – kann im Einzelfall aber auch kürzer oder länger sein. Die DRV muss darüber informiert werden.
Wer merkt, dass er die Mehrarbeit nicht dauerhaft schafft, kann die Arbeitszeit wieder reduzieren und die Rente behalten. Wer dauerhaft über der Leistungsgrenze bleibt, verliert den Anspruch.
Sonderregelung für vor 1961 Geborene: Teilweise Rente auch bei Vollzeit möglich
Menschen, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können unter Umständen auch bei einer Vollzeitstelle noch Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit haben. Entscheidend ist hier, dass sie ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben können – und ihnen auch keine zumutbare Alternative zugemutet werden kann, die weit unter ihrer Qualifikation liegt.
Speziell für Menschen mit Schwerbehinderung: Was ist anders?
Viele Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung beziehen eine Erwerbsminderungsrente – doch nicht jeder weiß, dass bestimmte Sonderregeln und zusätzliche Schutzrechte gelten können.
Zum Beispiel:
- Wer einen GdB (Grad der Behinderung) von mindestens 50 hat, kann unter Umständen früher in Rente gehen, ohne Abschläge – das betrifft allerdings vor allem die Altersrente, nicht die Erwerbsminderungsrente.
- Schwerbehinderte Menschen, die erwerbsgemindert sind, haben bei der Prüfung durch die DRV keine besseren Chancen, erhalten aber oft besondere Unterstützung bei Reha und Teilhabeleistungen (z. B. Arbeitsassistenz, Integrationsfachdienste).
- Wenn du eine anerkannte Behinderung hast und jemanden pflegst, kann die Rentenversicherung trotzdem argumentieren, dass du „voll leistungsfähig“ bist – auch dann ist es wichtig, deine tatsächlichen Belastungen gut zu dokumentieren.
Auch für dich gilt: Die Restarbeitszeit ist entscheidend, nicht dein Schwerbehindertenausweis. Wenn du z. B. offiziell als schwerbehindert anerkannt bist, aber dauerhaft mehr als 6 Stunden am Tag arbeitest, kann dir trotzdem die teilweise EM-Rente gestrichen werden.
Unser Tipp: Lass dich bei Unsicherheiten frühzeitig von einer Schwerbehindertenvertretung, einem Sozialverband oder einer spezialisierten Beratungsstelle unterstützen. Viele Betroffene verlieren Ansprüche, weil sie ohne rechtliche Begleitung handeln.
Wie viel darf man dazuverdienen?
Die Rentenversicherung setzt eine sogenannte Hinzuverdienstgrenze fest. Wird diese überschritten, kürzt sich die Rente um 40 % des übersteigenden Betrags.
Für 2025 gelten folgende Mindestgrenzen:
- Teilweise Erwerbsminderungsrente: 39.322,50 € brutto im Jahr
- Volle Erwerbsminderungsrente: 19.661,25 € brutto im Jahr
Achtung: Es zählt das Brutto-Einkommen – also ohne Abzug von Steuern oder Fahrtkosten. Auch Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld können angerechnet werden, und zwar nicht in ihrer ausgezahlten Höhe, sondern nach dem früheren Verdienst, der der Leistung zugrunde liegt.
Nicht angerechnet werden z. B.:
- Pflegegeld (auch wenn man selbst jemanden pflegt)
- Einnahmen aus Vermietung oder Kapitalanlagen (z. B. Zinsen, Dividenden)
Pflege kann problematisch sein
Wer eine andere Person in Vollzeit pflegt, kann schnell in eine Grauzone geraten: Die DRV könnte unterstellen, dass jemand, der ganztags pflegen kann, auch wieder voll erwerbsfähig ist. Auch wenn das Pflegegeld nicht als Einkommen angerechnet wird, kann die Tätigkeit selbst zum Problem werden.
Arbeiten mit voller Erwerbsminderungsrente: Maximal 3 Stunden täglich
Bei einer vollen Erwerbsminderungsrente darf höchstens unter 3 Stunden täglich gearbeitet werden – und zwar unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Wer länger arbeitet, riskiert den Wegfall der Rente.
Ausnahme: Arbeit in einer Behindertenwerkstatt oder ähnlichen geschützten Maßnahme – das wird von der DRV nicht als reguläre Erwerbstätigkeit gewertet.
Auch hier ist eine Arbeitserprobung möglich, außer bei der sogenannten „Arbeitsmarktrente“ (eine Sonderform der vollen Rente für arbeitslose Menschen mit teilweiser Erwerbsminderung).
Selbstständigkeit: Hohe Risiken trotz gleicher Regeln
Wer selbstständig arbeitet, unterliegt denselben Regeln wie Arbeitnehmer – allerdings ist es oft schwer nachzuweisen, wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet werden. Die DRV schaut daher besonders genau hin – und kann skeptisch werden, wenn das Einkommen hoch ist.
Tipp: Wer sich selbstständig machen möchte, sollte dies im Rahmen einer Arbeitserprobung tun – oder sich vorab intensiv beraten lassen.
Wenn die DRV die Rente streichen will: „Raubbauarbeit“ und andere Gegenargumente
In Einzelfällen gibt es gerichtlich anerkannte Argumente gegen den Wegfall der Rente – z. B. wenn die geleistete Arbeit nur mit unverhältnismäßig hohem Kraftaufwand, unter Schmerzen oder mit unzumutbarer Anstrengung erfolgt ist. Auch wenn die tatsächliche Arbeitsleistung nicht den Erwartungen entspricht und nur durch die Kulanz des Arbeitgebers oder Kolleg\:innen „mitgetragen“ wurde, kann das ein Argument sein.
Aber: Diese Argumente helfen nur in Ausnahmefällen und oft erst nach einem Rechtsstreit. Wer vorsätzlich über seine Grenzen arbeitet, riskiert seine Gesundheit und seine Rente.