Die Bundesregierung plant, ein Fallmanagement für Versicherte der Deutschen Rentenversicherung gesetzlich zu verankern. Ziel ist es, Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf gezielter zu begleiten und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern oder wiederherzustellen.
Der neue § 13a SGB VI soll dafür sorgen, dass Versicherte mit komplexen Problemlagen früher erkannt und bedarfsgerechter unterstützt werden. Der Grundsatz „Prävention vor Reha vor Rente“ steht dabei klar im Fokus.
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Rentenversicherung begrüßt Fallmanagement – ein Paradigmenwechsel?
In einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales stieß das Vorhaben auf breite Zustimmung. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) erklärte, das Fallmanagement erweitere die Handlungsmöglichkeiten der Träger deutlich.
So könnten einzelne Aufgaben flexibel selbst übernommen oder an externe Akteure ausgelagert werden. Eine Modularisierung der Prozesse ermögliche passgenaue Hilfe, abgestimmt auf die jeweiligen Kompetenzen vor Ort.
Was bedeutet Fallmanagement konkret für Versicherte?
Das Fallmanagement ist keine bloße Beratung, sondern eine umfassende Unterstützung im gesamten Teilhabeprozess. Es setzt sich zusammen aus individueller Bedarfsermittlung, Koordination von Leistungen, Begleitung bei Reha-Maßnahmen und der Vernetzung mit anderen Trägern.
Dabei wird jeder Fall ganzheitlich betrachtet: Körperliche, psychische und soziale Einflussfaktoren fließen in die Bewertung ein. Die Rentenversicherung orientiert sich am bio-psycho-sozialen Modell der WHO.
Frühzeitig erkennen, individuell begleiten – statt nur verwalten
Ein Ziel sei es, Unterstützungsbedarfe frühzeitig zu erkennen. Menschen sollen nicht erst dann Hilfe bekommen, wenn sie bereits in der Erwerbsminderung gelandet sind.
Das neue Gesetz soll sicherstellen, dass Versicherte mit mehreren Belastungen – etwa gesundheitlichen Einschränkungen und sozialen Problemen – nicht länger zwischen den Systemen verloren gehen.
Rentenversicherung soll stärker vernetzen
Heute sind viele Hilfsangebote voneinander entkoppelt. Reha, Sozialberatung, medizinische Betreuung und Arbeitsförderung laufen oft nebeneinanderher. Betroffene müssen sich selbst durch ein Labyrinth aus Zuständigkeiten kämpfen.
Das Fallmanagement will genau hier ansetzen: Es soll als Knotenpunkt zwischen den Leistungen agieren, Zuständigkeiten bündeln und Begleitung aus einer Hand ermöglichen.
Von der Theorie zur Praxis: Wo es noch hakt
Trotz der positiven Grundausrichtung des Gesetzes bleibt Kritik nicht aus. Fachleute bemängeln, dass der Gesetzentwurf bisher nur eine Kann-Regelung vorsieht. Die Träger sind also nicht verpflichtet, das Fallmanagement in jedem Fall anzubieten.
Dadurch droht ein Flickenteppich: Während manche Regionen vorangehen, könnten andere das neue Instrument ausbremsen – mit gravierenden Folgen für Betroffene, die dann leer ausgehen.
Fallmanagement benötigt Ressourcen – und klare Regeln
Ein wirksames Fallmanagement ist kein Selbstläufer. Es braucht qualifiziertes Fachpersonal, Zeit für individuelle Begleitung, tragfähige Kooperationen und ein regional funktionierendes Versorgungsnetz.
Die bloße gesetzliche Verankerung reicht nicht. Entscheidend ist, ob die Träger mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden – und ob sie bereit sind, eingefahrene Verwaltungslogiken zu hinterfragen.
Was Betroffene jetzt wissen sollten
Für Versicherte mit mehrfachen Problemlagen – also gesundheitlichen, beruflichen und sozialen Schwierigkeiten zugleich – könnte das neue Fallmanagement eine große Hilfe sein. Es kann dabei unterstützen, Reha-Maßnahmen zu koordinieren, Wiedereingliederung zu fördern und unnötige Rentenzugänge zu vermeiden.
Betroffene sollten künftig genau hinschauen, ob ihr Rentenversicherungsträger ein entsprechendes Angebot bereitstellt. Denn der Zugang zur Unterstützung hängt stark von der praktischen Umsetzung vor Ort ab.
Fazit: Chance zur echten Teilhabe?
Das geplante Fallmanagement hat Potenzial. Es setzt dort an, wo bisher viele durch das Raster gefallen sind – bei Menschen mit komplexen Lebenslagen, die weder allein durch Reha noch durch Rentenzahlungen gut abgesichert sind.
Entscheidend wird sein, ob aus dem Gesetz ein verbindlicher Anspruch entsteht – oder ob es bei gut gemeinten Absichtserklärungen bleibt. Nur wenn das Fallmanagement verbindlich, personenzentriert und regional vernetzt umgesetzt wird, kann es sein Versprechen erfüllen: Mehr Hilfe, weniger Bürokratie und eine echte Chance auf Teilhabe für alle, die sie wirklich benötigen.




