Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben in Deutschland aufgrund ihres besonderen Kündigungsschutzes eine starke Verhandlungsposition, wenn es um Abfindungen geht. Dieser Artikel zeigt detailliert die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten für Abfindungen und erklärt, warum und wie Schwerbehinderte oft höhere Abfindungen aushandeln können.
Was bedeutet Schwerbehinderung und wie beeinflusst sie den Kündigungsschutz?
Eine Schwerbehinderung wird durch einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt. Dies bedeutet, dass die betroffene Person erheblich in ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit beeinträchtigt ist.
Mit der Anerkennung der Schwerbehinderung erhalten Betroffene einen besonderen Kündigungsschutz nach dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX). Dieser Schutz zielt darauf ab, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu sichern und sie vor willkürlichen oder ungerechtfertigten Entlassungen zu schützen.
Besondere Voraussetzungen für die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer
Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Neben den allgemeinen Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist die Zustimmung des Integrationsamtes zwingend erforderlich.
Dieses Amt prüft die Kündigung sehr genau, insbesondere, wenn ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Kündigung besteht. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein, damit eine Kündigung rechtlich wirksam wird:
- Zustimmung des Integrationsamtes: Ohne die Zustimmung des Integrationsamtes ist die Kündigung unwirksam. Das Amt prüft dabei die Interessen des Arbeitgebers und die der schwerbehinderten Person. Je näher der Grund der Kündigung mit der Behinderung zusammenhängt, desto strenger wird die Prüfung.
- Rechtmäßige Kündigungsgründe: Die Kündigung muss auf personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen basieren. Der Arbeitgeber muss dabei nachweisen, dass keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, speziell im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
- Anhörung der Schwerbehindertenvertretung: Zusätzlich zur Anhörung des Betriebsrats muss die Schwerbehindertenvertretung informiert und gehört werden. Wird diese Vorschrift nicht eingehalten, kann die Kündigung vor Gericht angefochten werden.
Höhere Abfindungen für Schwerbehinderte: Warum und wie?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer können häufig höhere Abfindungen aushandeln als andere Beschäftigte. Dies liegt hauptsächlich an den strengeren Kündigungsvoraussetzungen und dem höheren Risiko für den Arbeitgeber, eine Kündigung rechtlich durchzusetzen.
Es gibt mehrere Gründe und Situationen, die zu einer höheren Abfindung führen können:
- Verhandlungsmacht aufgrund des Kündigungsschutzes: Da die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer schwieriger durchzusetzen ist, sind Arbeitgeber oft bereit, höhere Abfindungen anzubieten, um langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren zu vermeiden.
- Risiko eines Gerichtsverfahrens: Wenn die Kündigung rechtlich unsicher ist, hat der Arbeitgeber ein erhöhtes Interesse daran, die Angelegenheit außergerichtlich zu regeln. In solchen Fällen kann eine höhere Abfindung als Teil eines Vergleichs oder Abwicklungsvertrags vereinbart werden.
- Sozialauswahl: Bei betriebsbedingten Kündigungen müssen Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen. Schwerbehinderte haben aufgrund ihrer Schutzwürdigkeit einen Vorteil in dieser Auswahl, was die Verhandlungsposition für eine Abfindung stärkt.
Wege zur Erzielung einer höheren Abfindung
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben mehrere Möglichkeiten, eine Abfindung zu erzielen oder zu verhandeln. Hier sind die gängigsten Wege, wie dies erreicht werden kann:
- Aufhebungsvertrag: Anstelle einer Kündigung kann ein Aufhebungsvertrag geschlossen werden, in dem eine Abfindung vereinbart wird. Dies ist oft der bevorzugte Weg für Arbeitgeber, um eine einvernehmliche Trennung zu erreichen.
- Abfindungsangebot bei betriebsbedingter Kündigung: In vielen Fällen bieten Arbeitgeber bereits im Kündigungsschreiben eine Abfindung an, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Bei betriebsbedingten Kündigungen kann dies insbesondere der Fall sein.
- Abwicklungsvertrag nach Kündigung: Wenn keine Abfindung direkt angeboten wird, kann ein Abwicklungsvertrag ausgehandelt werden, in dem der Arbeitnehmer auf eine Klage verzichtet und im Gegenzug eine Abfindung erhält.
- Erhebung einer Kündigungsschutzklage: Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung, sollte eine Kündigungsschutzklage erhoben werden. Bei Erfolg wird die Kündigung unwirksam, und in vielen Fällen wird die Rückkehr in den Betrieb durch eine Abfindung verhindert.
- Widerspruch gegen die Entscheidung des Integrationsamtes: Neben der Kündigungsschutzklage kann auch Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes eingelegt werden. Ein erfolgreicher Widerspruch kann die Kündigung unwirksam machen, was den Druck auf den Arbeitgeber erhöht, eine höhere Abfindung anzubieten.
Rechtliche Beratung verbessert Erfolgsaussichten
Die Verhandlung einer Abfindung, speziell für schwerbehinderte Arbeitnehmer, erfordert ein genaues Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese sind oft komplex, und es ist wichtig, die Chancen und Risiken einer Kündigungsschutzklage sorgfältig abzuwägen. Eine fundierte rechtliche Einschätzung hilft dabei, die Erfolgsaussichten einer Klage realistisch einzuschätzen und eine passende Verhandlungsstrategie zu entwickeln.
Besonders bei Schwerbehinderung, wo spezielle Schutzvorschriften greifen, ist es entscheidend, alle rechtlichen Möglichkeiten zu kennen und korrekt zu nutzen.
Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.