Viele Menschen leiden nach einer COVID-19-Erkrankung an langfristigen Beschwerden. Einige Betroffene fรผhlen sich dauerhaft erschรถpft, haben Atemprobleme oder kรคmpfen mit neurologischen Einschrรคnkungen. Das kann so weit gehen, dass sie ihrem Beruf nicht mehr uneingeschrรคnkt nachgehen kรถnnen oder auf fremde Hilfe angewiesen sind. Hier erfahren Sie, ab wann diese Beschwerden als Behinderung gelten, welche Unterstรผtzungen es gibt und wie Sie von den Regelungen rund um den Grad der Behinderung (GdB) profitieren kรถnnen.
Inhaltsverzeichnis
Weshalb langfristige Beschwerden durch COVID-19 relevant sind
Corona-Langzeitfolgen treten Schรคtzungen zufolge bei mindestens zehn Prozent aller Infizierten auf. Diese kรถnnen sich in unterschiedlichen Symptomen รคuรern, etwa Atemnot, verstรคrktem Herzklopfen oder einer ausgeprรคgten Erschรถpfung. รrztinnen und รrzte unterscheiden grob zwischen โLong COVIDโ (vier bis zwรถlf Wochen nach der Infektion) und โPost COVIDโ (รผber zwรถlf Wochen hinaus). Ob diese gesundheitlichen Probleme als Behinderung anerkannt werden, hรคngt in Deutschland stark vom Alltag und Berufsalltag der Betroffenen ab.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fรผhrt fortlaufend Studien durch, um die genauen Mechanismen hinter Long und Post COVID zu verstehen. Bislang ist kaum vorhersagbar, wann Betroffene mit Besserung rechnen kรถnnen.
Voraussetzungen fรผr die Anerkennung als Behinderung
Der Gesetzgeber bewertet Beeintrรคchtigungen immer danach, ob und wie stark sie das tรคgliche Leben verรคndern. Entscheidend ist, ob die vorhandenen Symptome voraussichtlich lรคnger als sechs Monate anhalten. Eine reine Diagnose wie โLong COVIDโ oder โPost COVIDโ reicht allein nicht. Nur wenn Dauerschรคden im Alltag zu gravierenden Einschrรคnkungen fรผhren, gilt eine Person rechtlich als behindert.
Fรผhren Sie ein Symptomtagebuch. Notieren Sie, in welchen Situationen Sie sich รผberlastet fรผhlen, welche Tรคtigkeiten unmรถglich geworden sind oder welche Hilfsmittel Sie benรถtigen. Diese Dokumentation kann bei der Antragstellung beim Versorgungsamt unterstรผtzen.
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Warum die Dauer der Beschwerden wichtig ist
Viele Langzeitfolgen zeigen sich รผber Monate hinweg. Manche Betroffene kehren allmรคhlich in den normalen Alltag zurรผck, andere bleiben stark eingeschrรคnkt. รrztliche Gutachten sind hier entscheidend. Eine Fachรคrztin oder ein Facharzt sollten bestรคtigen, dass die Symptome vermutlich weiter andauern. Wer seine Beschwerden noch nicht lange hat, sollte eng mit dem medizinischen Personal zusammenarbeiten, um eine klare Prognose zur Symptomdauer zu erhalten.
Antrag auf Feststellung des Grads der Behinderung (GdB)
In Deutschland ist das Versorgungsamt โ regional auch Amt fรผr Soziale Angelegenheiten oder Amt fรผr Soziales und Versorgung genannt โ fรผr die GdB-Feststellung zustรคndig. Grundlage ist die Versorgungsmedizin-Verordnung. Sie listet Erkrankungen auf und ordnet ihnen Werte zu. Gibt es keine direkte Zuordnung (wie im Fall von Post oder Long COVID), sucht das Amt nach รคhnlichen Krankheitsbildern. Bei Erschรถpfungssyndromen wird meist das Kapitel zu โNeurosen, Persรถnlichkeitsstรถrungen und Folgen psychischer Traumataโ herangezogen.
Vorgehen beim Antrag:
- Formular anfordern (online oder bei Ihrer Kommune).
- Relevante Unterlagen beifรผgen (รคrztliche Stellungnahmen, Gutachten, Krankenhausberichte).
- Symptome klar beschreiben (wann treten sie auf, wie stark sind sie, welche Einschrรคnkungen resultieren?).
- Zusรคtzliche Antrรคge (z. B. Schwerbehindertenausweis) gleich ankreuzen.
Stufen des Grads der Behinderung: Welche Einteilung gibt es?
Der GdB liegt zwischen 20 und 100. Ab einem Wert von 50 spricht der Gesetzgeber von einer Schwerbehinderung. Bei COVID-Langzeitfolgen unterscheidet das Amt meist nach folgenden Kriterien:
GdB 20 bis 40: Deutliche, aber noch รผberschaubare Einschrรคnkungen. Sie kรถnnen Ihren Job in vielen Fรคllen ausรผben.
GdB 50 bis 70: Spรผrbare Belastung im Alltag oder Beruf. Betroffene sind oft nicht mehr voll einsetzbar, was das Risiko eines dauerhaften Berufsausstiegs erhรถhen kann.
GdB 80 bis 100: Massive Beeintrรคchtigungen. Hier drohen schwere familiรคre Probleme und sozialer Rรผckzug. Betroffene kรถnnen hรคufig nicht mehr berufstรคtig sein und sind teils auf stรคndige Hilfe angewiesen.
Ein hรถherer GdB sichert unter anderem einen besonderen Kรผndigungsschutz, mehr Urlaubstage und zusรคtzliche Hilfen in vielen Lebensbereichen.
Erhalt eines Schwerbehindertenausweises
Ein Schwerbehindertenausweis steht Ihnen ab einem GdB von 50 zu. Er enthรคlt wichtige Informationen fรผr Arbeitgeber, Behรถrden und andere Institutionen. Auf der Rรผckseite werden ggf. sogenannte Merkzeichen eingetragen. Diese geben Aufschluss รผber die Art der Einschrรคnkung und die daraus resultierenden Ansprรผche.
Relevante Merkzeichen bei Post oder Long COVID
- G bzw. aG (gehbehindert / auรergewรถhnlich gehbehindert): Bei erheblichen Lauf oder Kreislaufproblemen durch Herz oder Lungenschรคden.
- H (hilflos): Wenn Sie bei vielen Aufgaben des Alltags dauerhafte Hilfe brauchen.
- B (Begleitperson): Berechtigt zur kostenlosen Mitnahme einer Hilfsperson in รถffentlichen Verkehrsmitteln.
Mit einem Schwerbehindertenausweis profitieren Sie zum Beispiel von Parkausweisen fรผr Behindertenparkplรคtze, Vergรผnstigungen im รถffentlichen Nahverkehr und verkรผrzten Kรผndigungsfristen bei Mietvertrรคgen (je nach Landesregelung).
Steuererleichterungen und weitere Vorteile
Wer offiziell einen GdB hat, kann von einem steuerlichen Freibetrag profitieren (Behinderten-Pauschbetrag). Das hilft Betroffenen, die oft zusรคtzliche Ausgaben fรผr Gesundheit und Pflege haben. Abhรคngig vom Schweregrad erhalten Sie zudem Nachteilsausgleiche wie vorgezogene Rente, spezielle Hilfsangebote oder hรถhere Zuschรผsse zu Reha-Maรnahmen.
Haben Sie eine Pflegegradeinstufung und benรถtigen tรคglich Hilfe, kann sich der Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen erhรถhen. Auch Hilfsorganisationen oder Selbsthilfegruppen bieten spezielle Programme fรผr Menschen mit chronischer Erschรถpfung oder fortbestehenden Atembeschwerden an.
Umgang mit Zweifeln des Versorgungsamts
Nicht jede Langzeitfolge wird auf Anhieb anerkannt. Einige รmter fordern zusรคtzliche Gutachten an, um den Verlauf besser einschรคtzen zu kรถnnen. Das kann zeitintensiv sein. Bleiben Sie geduldig und konsultieren Sie gegebenenfalls spezialisierte Kliniken oder Therapiezentren, um Ihren Antrag mit aussagekrรคftigen Berichten zu untermauern.
Legen Sie Widerspruch ein, falls Ihr Antrag abgelehnt oder Ihr GdB zu niedrig eingestuft wird. Unterstรผtzen kรถnnen Sie sich dabei lassen, etwa durch einen Sozialverband oder eine Behindertenbeauftragte.
Perspektiven fรผr Betroffene
Aktuelle Forschungen versuchen, die Mechanismen von Post und Long COVID besser zu verstehen. Neue Therapieansรคtze sollen die Lebensqualitรคt und Teilhabe steigern. Betroffene berichten von Erfolgen durch gezielte Reha-Maรnahmen, sanften Aufbautrainings oder psychologischer Begleitung. รrztinnen und รrzte raten oft zu einer engmaschigen Nachsorge, um Rรผckfรคlle zu vermeiden.