Inklusion, Integration, Förderschule und Nachteilsausgleiche für Kinder mit Behinderungen? Was bedeutet das alles im Einzelnen? Wann besteht Anspruch auf einen Nachteilsausgleich? Was soll Inklusion gewährleisten?
Diese Fragen klären wir im folgenden Beitrag
Inhaltsverzeichnis
Nachteilsausgleiche für Kinder mit Behinderungen in der Schule
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“, sagt unser Grundgesetz, und das gilt auch für Schulkinder mit einer Behinderung im Unterricht.
Werden Kinder, die eine geistige, psychische oder körperliche Einschränkung haben, durch die Art und den Umfang, in der Schulaufgaben bewältigt werden müssen, gegenüber anderen Schülern benachteiligt, dann haben sie einen Anspruch auf Nachteilsausgleiche, um gleichberechtigt am Unterricht teilzuhaben.
Es müssen also äußere Bedingungen hergestellt werden, damit die Menschen ihre vorliegende Beeinträchtigung beim Erstellen von Leistungen kompensieren können, und das gilt für die gesamte Schulzeit. Ob ein Nachteilsausgleich gewährt, wie er aufgestellt ist und welchen Umfang er hat, ist immer eine Entscheidung im Einzelfall.
Mögliche Nachteilsausgleiche in der Schule
Mögliche Nachteilsausgleiche sind unter anderem Extrapausen, das Verwenden technischer Hilfsmittel und spezieller Arbeitsmittel, die persönliche Unterstützung durch Assistenten oder speziell ausgebildeter Lehrkräfte (insbesondere solchen, die Gebärdensprache beherrschen).
Aber auch alternative Methoden, um Aufgaben zu präsentieren, können Nachteile ausgleichen und alternative Leistungsnachweise, etwa mündliche statt schriftliche. Hinzu kommt als Nachteilsausgleich ein individuelles Feststellen der Leistung in Einzelsituationen.
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Müssen Sie einen Antrag auf einen Nachteilsausgleich stellen?
Zu dieser Frage gibt es leider widersprüchliche juristische und pädagogische Ansichten. Einerseits steht im Raum, dass die Schule eine Fürsorgepflicht aufgrund des Benachteiligungsverbotes hat und deshalb verpflichtet sein müsse, von sich aus für Nachteilsausgleiche zu sorgen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, also bei einer nachgewiesenen Behinderung.
Was sollte der Antrag enthalten?
Den Antrag sollten die betroffenen Eltern umgehend stellen, wenn die Schule nicht von sich aus einen Nachteilsausgleich gewährt – trotz nachgewiesener Voraussetzungen. Die Erziehungsberechtigten können dann ärztliche Befunde, pädagogische Gutachten, Therapieberichte und ähnliche Unterlagen dem Antrag beifügen, die die Notwendigkeit von Nachteilsausgleichen noch stärker unterfüttern.
Diese Dokumente sollten die Art und den Umfang der Behinderung ebenso enthalten wie präzise Angaben darüber, wie sich diese auf das schulische Leistungsvermögen auswirkt.
Integration oder Inklusion?
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Inklusion und Integration von Menschen mit Behinderungen oft gleichgesetzt. Das ist ein Fehler, denn es handelt sich um zwei Methoden, die nicht nur unterschiedlich sind, sondern sich sogar gegenseitig ausschließen können.
Leider sind sich auch Verantwortliche oft nicht im Klaren über diese Unterschiede. Wir erklären, was Integration, also Einbindung, bedeutet, und was Inklusion voraussetzt.
Was bedeutet Integration
Integration meint Einbindung von Außenstehenden in etwas Bestehendes. Für Menschen mit Behinderungen bedeutet das. Sie werden einbezogen, ohne dass sich an den Rahmenbedingungen etwas ändert.
Bei Schulkindern mit Behinderung heißt das zum Beispiel: Sie können gemeinsam mit Schulkindern ohne Behinderung am Unterricht teilnehmen, doch dabei werden die Bedingungen nicht auf ihre besonderen Bedürfnisse eingestellt, sondern sie müssen sich an die Rahmenbedingungen anpassen.
Die Betroffenen müssen sich anpassen
Dabei bekommen sie zwar ein gewisses Ausmaß an Unterstützung, um sich anzupassen wie Förderunterricht oder einen Begleiter, der einen Rollstuhl Treppen hinauf bringt, aber es werden keine strukturellen Voraussetzungen geschaffen, damit sie selbstbestimmt am schulischen Leben teilhaben können.
Einbinden kann ausschließen
Einen Menschen mit Behinderungen in das Bestehende einzubinden, bedeutet in der Praxis oft, diesen Menschen von der Teilhabe auszuschließen. Ein Kind mit Hörproblemen, das der Lautsprache nicht folgen kann, ist zwar formal im Klassenverband, kann aber ohne Gebärdensprache oder technische Hilfen dem gemeinsamen Unterricht nicht folgen.
Was bedeutet Inklusion?
Inklusion geht über diese Einbindung in das Bestehende weit hinaus. Ist Inklusion umgesetzt, dann muss sich der Mensch mit Behinderung nicht mehr an seine Umwelt anpassen, sondern die Bedingungen sind so gestaltet, dass er überall selbstbestimmt teilhaben kann.
Schulen, Arbeitsplätze oder Wohnungen sind dann barrierefrei, in der Architektur zum Beispiel durch Rampen oder Fahrstühle, die ein Mensch mit Gehbehinderung ohne fremde Hilfe nutzen kann.
In der Schule bedeutet es zum Beispiel, dass Unterricht außer in Lautsprache auch in Gebärdensprache stattfindet, oder Schüler im Autismus-Spektrum per Video am Unterricht teilnehmen, damit soziale Kontakte sie nicht überfordern, sowie Aufgaben mit angepasstem Grad an Schwierigkeit.
Exklusion – lange der Normalfall
Die gesellschaftliche Praxis behinderte lange systematisch Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Es bedeutet den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. So mussten Menschen mit geistigen, psychischen oder körperlichen Einschränkungen noch vor wenigen Jahrzehnten in der Regel in Einrichtungen außerhalb der städtischen Zentren leben und konnten kaum am gesellschaftlichen Leben teilhaben.
Betreutes Wohnen ermöglicht vielen Menschen mit Behinderungen heute, in Wohngruppen zusammenzuleben, andere haben eine eigene Wohnung, in der ihnen ein Assistent zur Seite steht.
Auch heute kommt es leider noch zur Exklusion von Kindern, mit Behinderungen aus dem normalen Schulbetrieb ausgeschlossen werden, weil den Schulen die Voraussetzungen zur Inklusion fehlen, also die nötigen Fachkräfte nicht vorhanden sind.
Das darf heute gesetzlich nicht mehr sein und führt immer wieder zu Prozessen, die vor Gericht ausgetragen werden.
Ausschluss und Inklusion im Übergang
Ausschluss bedeutet, dass Menschen mit Behinderung wegen ihrer Behinderung keine Schule besuchen oder nicht arbeiten dürfen. Das ist heute in Deutschland nicht mehr der Fall, doch nach wie vor existieren Formen des Ausschlusses von der gesellschaftlichen Teilhabe, die weniger deutlich ins Auge fallen, da sie zugleich in bestimmten Ausmaß Inklusion ermöglichen beziehungsweise ermöglichen sollen.
Das gilt zum Beispiel für spezielle Förderschulen. In denen bekommen die Betroffenen zwar grundsätzlich die Möglichkeit zur Bildung, aber nur in speziellen Einrichtungen, die sie von anderen Menschen der Gesellschaft trennen.
Im Arbeitsleben sind die Werkstätten für Menschen mit Behinderung eine solche Mischung aus Inklusion und Ausschluss. Die Betroffenen können zwar arbeiten, werden aber vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
Sie erhalten weder Mindestlohn noch haben sie andere Arbeitsrechte, was bei einer echten Inklusion der Fall sein müsste. Selbstbestimmung gibt es für sie nicht, und diese Werkstätten sind der größte Niedriglohn-Sektor Europas – Ausbeutung statt Inklusion.
Soziale Ausgrenzung
Inklusion bedeutet allerdings nicht nur, dass der Rahmen geschaffen ist, damit jeder und jede ohne Barrieren an der Gesellschaft teilhaben können, sondern auch das soziale Verhalten spielt eine wesentliche Rolle.
Wenn andere Schüler einen Menschen mit Behinderung wegen seiner Einschränkung mobben, diesen Menschen diskriminieren oder ihn wie einen Fremdkörper behandeln, dann findet keine Inklusion statt, sondern Ausgrenzung. Das gilt auch bei einem weitgehend barrierefreien Rahmen.
Umgekehrt können Rücksicht, Freundschaft und Kooperation auf Augenhöhe fehlende Barrierefreiheit teilweise ausgleichen.