In der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gibt es verschiedene Rentenarten, die sich teils überschneiden. Wenn Versicherte mehrere Leistungsansprüche gleichzeitig haben, entscheidet § 89 SGB VI darüber, welche Rente vorrangig ausgezahlt wird.
Dieser Artikel zeigt, welche Regelungen hinter dieser Rangfolge stecken und wie Sie im Zweifel die für Sie beste Rentenart nutzen können.
Inhaltsverzeichnis
Mehrere Ansprüche in der Rente möglich
Wenn Versicherte mehrere Ansprüche auf Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente haben, zahlt die Rentenversicherung nur den höchsten Betrag aus einer eigenen Rente. Hinterbliebenenrenten laufen davon weitgehend unabhängig, werden aber gegebenenfalls gekürzt, falls andere Einkünfte vorliegen.
Hintergründe zu den unterschiedlichen Renten
Die GRV unterscheidet zwischen Versichertenrenten (zum Beispiel Altersrenten oder Erwerbsminderungsrenten) und Hinterbliebenenrenten (etwa Witwen, Witwer oder Waisenrenten). Da sich Anspruchsvoraussetzungen überschneiden können, gibt es Fälle, in denen eine Person mehrere Rentenoptionen erfüllt.
In der Praxis sind dies häufig Situationen, in denen Versicherte sowohl eine Altersrente in Anspruch nehmen können als auch eine Hinterbliebenenrente beanspruchen.
Die Bestimmung in § 89 SGB VI legt fest, wie die Versicherungsträger entscheiden, wenn sich Rentenarten überschneiden und ein Ranking notwendig wird. Hinterbliebenenrenten werden zwar meist zusätzlich zur eigenen Rente gezahlt, doch eine Einkommensanrechnung kann zu spürbaren Abzügen führen.
Deshalb sollten Betroffene immer prüfen, ob sich eine Hinterbliebenenrente nach Abzug möglicher Einkünfte noch in vollem Umfang lohnt.
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Rangfolge bei mehreren Altersrenten
Nach der gesetzlichen Vorgabe erhält die versicherte Person nur jene Rente, die am höchsten ausfällt. Liegen mehrere Ansprüche in gleicher Höhe vor, legt das Gesetz eine Reihenfolge fest. Laut § 89 Abs. 1 SGB VI hat die Regelaltersrente den höchsten Rang.
Es folgen nacheinander weitere Altersrenten wie die für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen oder für besonders langjährig Versicherte.
Diese Reihenfolge spielt jedoch nur dann eine Rolle, wenn zwei Renten exakt gleich hoch sind. In der Praxis entscheidet meist der tatsächlich ermittelte Bruttobetrag, denn Zusatzleistungen wie Krankenkassenzuschüsse bleiben beim Vergleich unberücksichtigt. Maßgeblich ist also nur die originäre Rentenhöhe ohne Abzüge für Sozialbeiträge.
Liste der Renten in der Rangfolge:
- Regelaltersrente
- Altersrente für langjährig Versicherte
- Altersrente für schwerbehinderte Menschen
- Altersrente für besonders langjährig Versicherte
- Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit
- Altersrente für Frauen
- Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute
- Rente wegen voller Erwerbsminderung
- Erziehungsrente
- Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
- Rente für Bergleute
Praxisbeispiel: Höchste Rente vorrangig
Stellen Sie sich vor, eine versicherte Person, die in zwei unterschiedlichen Altersrentenvarianten anspruchsberechtigt ist, reicht einen Antrag ein. Eine Variante wäre zum Beispiel die Altersrente für langjährig Versicherte mit einem bestimmten Abschlag, die andere die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem geringeren Abschlag.
Die Rentenversicherung prüft beide Optionen und stellt fest, dass die zweite Variante einen höheren Auszahlungsbetrag bewirkt. Gesetzlich ist festgelegt, dass die höhere Rente ausgezahlt wird.
Rentenanträge werden immer umfassend geprüft. Wer eine weniger günstige Altersrente beantragt, erhält von den Beratern beim Rentenversicherungsträger einen Hinweis, falls eine andere Rentenart einen höheren Betrag sichern kann. Auf diese Weise sollen Versicherte keine finanziellen Nachteile erleiden.
Unwiderruflichkeit nach Bewilligung
Sobald eine Rentenart bindend bewilligt wurde, kann ein Wechsel in eine andere Altersrente nicht mehr erfolgen. Das war früher bis Mitte 2004 anders. Wer zum Beispiel zunächst eine Altersrente mit höheren Abschlägen annahm, konnte später in eine vorteilhaftere Rente wechseln, sofern die Voraussetzungen erfüllt waren. Heute ist das ausgeschlossen.
Dies bedeutet, dass Versicherte gründlich prüfen sollten, welche Rentenart für sie langfristig am besten ist. Fachleute raten, nicht nur die aktuelle Rentenhöhe zu betrachten, sondern auch mögliche Abschläge und den künftigen Rentenverlauf zu bedenken.
Rolle von Erwerbsminderungs- und Erziehungsrenten
Erwerbsminderungsrenten und Erziehungsrenten sind zeitlich begrenzt, da sie bei Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Automatisch wandeln sie sich in eine Regelaltersrente um, sofern die versicherte Person nichts anderes veranlasst. Ab diesem Zeitpunkt gelten auch für ehemalige Bezieher einer Erwerbsminderungsrente die üblichen Bestimmungen der Altersrente.
Falls jemand etwa eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, die zeitnah zur Regelaltersgrenze ausläuft, lohnt es sich, den Übergang rechtzeitig zu planen. Wer kurz vor dem gesetzlichen Rentenalter steht, kann so besser überblicken, ob nach Wegfall der Erwerbsminderungsrente noch weitere Ansprüche greifen.
Hinterbliebenenrenten: Große vs. kleine Witwen oder Witwerrente
Hinterbliebenenrenten treten oft zusätzlich zu eigenen Rentenansprüchen auf. Allerdings differenziert das Gesetz zwischen großer und kleiner Hinterbliebenenrente. Wenn die Voraussetzungen für die große Witwen- oder Witwerrente erfüllt sind, fällt die kleine Hinterbliebenenrente weg. Grund dafür ist, dass beide Varianten häufig gleichzeitig vorliegen könnten.
Das Gleiche gilt für spezielle Konstellationen wie Witwen- und Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten oder für geschiedene Ehepartner, die noch vor dem 1. Juli 1977 rechtskräftig geschieden wurden. Auch hier verhindert § 89 Abs. 2 SGB VI ein doppeltes Kassieren mehrerer Hinterbliebenenleistungen.
Zusammentreffen mehrerer Waisenrenten
Kinder, die durch den Tod beider Elternteile Halb- oder Vollwaisenstatus erwerben, haben rein rechtlich eventuell mehrere Ansprüche. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass nur die höchste Waisenrente ausgezahlt wird. Bei gleich hohen Zahlbeträgen zählt die zeitliche Reihenfolge der Antragsstellung.
Ein Kind, das die Voraussetzungen für zwei Vollwaisenrenten erfüllt, erhält nicht beide Renten summiert. Stattdessen fließen die persönlichen Entgeltpunkte beider verstorbenen Elternteile in die Berechnung ein, und der Rentenversicherungsträger zahlt anschließend den sich daraus ergebenden höchsten Betrag aus. Damit wird eine unübersichtliche Mehrfachleistung vermieden.
Bedeutung der Einkommensanrechnung
Gerade Hinterbliebenenrenten werden durch zusätzliche Einkünfte reduziert. Liegt zum Beispiel neben einer Witwenrente ein größeres eigenes Einkommen vor, kann sich die Auszahlung deutlich verringern. Der Gesetzgeber hat diese Anrechnung vorgesehen, um doppelte Leistungsansprüche teilweise zu kompensieren.
Betroffene sollten bei der Deutschen Rentenversicherung erfragen, wie hoch die Hinterbliebenenrente tatsächlich ausfällt. So wird verhindert, dass man mit einer Nettozahlung rechnet, die nachher geringer ausfällt.
Tipps für Antragssteller
Umfassende Beratung nutzen: Die Rentenversicherung ist verpflichtet, über alle erreichbaren Rentenoptionen zu informieren. So erfahren Sie vor einer endgültigen Entscheidung, welche Variante den höchsten Auszahlungsbetrag sichert.
Frühzeitige Prüfung vor Altersgrenze: Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht, sollte rechtzeitig planen, wann die Regelaltersgrenze erreicht ist. Dann wird gegebenenfalls automatisch die Regelaltersrente gewährt.
Dokumente vollständig einreichen:
Für eine nahtlose Bearbeitung empfiehlt es sich, Unterlagen über den Versicherungsverlauf, ärztliche Gutachten oder Bescheinigungen zur Schwerbehinderung lückenlos einzureichen.
Diese drei Punkte machen deutlich, dass die richtige Rentenwahl nicht nur vom aktuellen Status abhängt, sondern auch von zukünftigen Entwicklungen.