Die Privatinsolvenz bzw. häufig auch Verbraucherinsolenz genannt, ist das letzte Mittel zur Entschuldungung, um endlich Schuldenfrei zu werden. Nach drei Jahren können Schuldner wieder durchstarten und faktisch ein neues Leben beginnen.
Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Rechtsanwalt Christian Lange aus Hannover das Privatinsolvenzverfahren. Damit die Privatinsolvenz nicht scheitert, muss folgendes beachtet werden.
Statt 6 Jahre nur noch drei Jahre Insolvenzverfahren
Inhaltsverzeichnis
Noch vor mehr als einem Jahr mussten Schuldner als Privatpersonen ganze sechs Jahre warten, um ihre Schulden loszuwerden.
Eine Richtlinie der EU ebnete allerdings den Weg für die Privatinsolvenz in drei Jahren. Seit 2021 ist die Reform des Insolvenzrechts auch in Deutschland in Kraft getreten. Die Regelung gilt für alle Schuldner, die seit dem 1. Oktober 2020 Privatinsolvenz beantragt haben.
Wann kann eine Privatinsolvenz beantragt werden?
Die Privatinsolvenz kann nur beantragt werden, wer selbst keine unternehmerische Tätigkeit ausübte. Selbstständige können eine private Insolvenz nur beantragen, wenn keine Forderungen ehemaliger Mitarbeiter bestehen. Bei Selbstständigen müssen zudem weniger als 20 Gläubiger einen Anspruch auf Begleichung der Schulden erheben (§ 304 Abs. 2 InsO).
Im Grundsatz dauert die Zeit der Privatinsolvenz drei Jahre, ohne dass der Schuldner in dieser Zeit Schulden begleichen muss.
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Vorteile und Nachteile einer Privatinsolvenz
In die Privatinsolvenz zu gehen, kann also viele Vorteile bringen. Gerade jetzt, weil die Durststrecke bis zum Neuanfang wesentlich verkürzt wurde. Es gibt aber auch Nachteile, auf die man sich einstellen sollte.
Ohne Privatinsolvenz können Gläubiger 30 Jahre Schulden zurückverlangen
Ohne eine Privatinsolvenz können Gläubiger 30 Jahre ihre Schulden zurückverlangen. Zudem können das Konto oder der Lohn nicht mehr gepfändet werden.
Der Gerichtsvollzieher steht nicht mehr vor der Tür. Denn während der Insolvenz wird das Vermögen von einem Verwalter betreut. Der Gerichtsvollzieher muss nicht mehr prüfen, ob pfändbares Vermögen vorhanden ist.
Das Existenzminimum ist gesichert
Ein wesentlich Vorteil ist auch, dass das Existenzminimum gesichert ist. Das bedeutet, dass 1.402 Euro Euro nicht pfändbar sind, sofern der Schuldner keine Unterhaltsverpflichtungen hat. Wer Unterhalt z.B. an seine Kinder zahlen muss, kommt in den Genuss einer höheren Freigrenze.
Rechtsanwalt Lange berichtet, dass viele Betroffene sogar mehr Geld im Verlauf der Privatinsolvenz zur Verfügung haben, als zuvor in der überschuldeten Zeit.
Nach Privatinsolvenz wieder neu durchstarten
Eine private Insolvenz bietet dem Betroffenen die Möglichkeit nach der überstandenen Zeit wieder neu anzufangen. Alle Schulden werden gelöscht.
Selbst der negative Schufa-Antrag muss seit März 2023 sechs Monate nach der Erteilung der Restschuldbefreiung gelöscht werden. Hier allerdings ist es ratsam, mit einem Anwalt auf eine Löschung zu bestehen. Oft werden die Einträge nicht automatisch gelöscht. Siehe dazu auch: Schulden: Privatinsolvenz oder schlechten Score bei der Schufa löschen
Nachteile einer Privatinsolvenz
Es gibt aber auch Nachteile. Drei Jahre können sehr lang sein. Auch muss man als Schuldner wie erwähnt weitere drei Jahre warten, bis der negative Schufaeintrag gelöscht ist.
Der Arbeitgeber erfährt von dem Insolvenzverfahren
Von Nachteil könnte auch sein, dass der Arbeitgeber über die private Situation Bescheid weiß. Denn der Arbeitgeber muss den pfändungsfreien Teil an den Treuhänder überweisen.
Kein Dispo und kein Ratenkredit während der Privatinsolvenz
In Zeiten der Privatinsolvenz bekommt man keinen Dispo oder Ratenkredit. Das Suchen nach einer neuen Wohnung wird kaum klappen.
Viele Vermieter wollen mittlerweile eine Schufaauskunft (Lese dazu auch: Eine Wohnung suchen und finden trotz negativem Schufa-Eintrag. Wer dort als Privatinsolvent gemeldet ist, wird keine neue Wohnung finden. Auch ein Wechsel des Energielieferanten oder Telefonanbieters wird kaum klappen.
Kosten für Treuhänder und Verfahren
Es fallen zudem Kosten für das Gericht und für den Treuhänder an, die man selbst begleichen muss.
Nicht ohne Anwalt oder Schuldnerberater
Um eine Privatinsolvenz anzustreben, sollten Betroffene sich zunächst einen Schuldnerberater oder spezialisierten Rechtsanwalt suchen. Manche Beratungsstellen bieten ihre Hilfe auch kostenfrei an. Allerdings muss man sich auf sehr lange Wartezeiten einrichten, bis man tatsählich einen Termin bekommt.
Wie verläuft ein Insolvenzverfahren?
Eine private Insolvenz besteht aus insgesamt sechs Abschnitten. Diese müssen allerdings nicht alle vollzogen werden.
“In manchen Fällen kann auch ohne Gericht eine Einigung mit den Gläubigern erzielt werden. Dann müssen die weiteren Stufen nicht vollzogen werden. Das spart Zeit und Geld”, betont Rechtsanwalt Christian Lange im Gespräch mit unserer Redaktion.
Schuldenbereinigungsverfahren
Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass vor einem Privatinsolvenzverfahren ein sog. Schuldenbereinigungsverfahren stattfinden (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) muss.
Hierfür muss ein spezialisierter Anwalt oder Schuldnerberater erst einmal alle Schulden und Gläubiger eruieren und auflisten. Als Schuldner kann man dabei helfen, alle Unterlagen in einem Ordner zusammen zu fassen.
Gegenüber sollten alle Nachweise über Einkommen, Vermögen, Wertgegenstände und Lebensversicherungen gestellt werden. Auch ein Grundbuchauszug ist wichtig, falls man ein Haus oder Grundstück besitzt.
Der Anwalt bzw. Berater wird dann einen Plan erstellen, wie die Schulden wieder abgebaut werden könnten. Der Experte wird im Anschluss alle Gläubiger anschreiben und mitteilen, dass der Schuldner in einer schwierigen Finanzsituation steckt.
Er wird Ratenzahlungen anbieten und darum bitten, dass Teilschulden erlassen werden. Einige Gläubiger springen darauf an und wissen, dass sie so wenigstens einen Teil der ausstehenden Gelder zurück erhalten.
Allerdings müssen alle Gläubiger diesem Abbauplan zustimmen. Wenn das gelingt, ist dies für den Schuldner die günstigste Variante, da die Gerichtskosten z.B. eingespart werden. Allerdings ist es schwierig, alle Gläubiger davon zu überzeugen. Viele beharren auf die Gesamtschuld.
Insolvenzantrag bei Gericht stellen
Oft scheitert also ein solches vorgerichtliches Verfahren. Nun kommt Schritt 2, wenn die Gläubiger dem Plan nicht zustimmten. Es wird ein Insolvenzantrag bei Gericht gestellt.
Dafür muss der Berater oder Anwalt Schuldenbereinigungsplan vorgelegen. Zusätzlich muss erläutert werden, warum der Plan scheiterte. Das Gericht prüft dann, ob Schuldenbereinigungsverfahren erfolgsversprechend sein kann. Falls nicht, kann das Gericht darauf verzichten, das Verfahren auf Insolvenz nicht sofort zu eröffnen.
“Das passiert allerdings selten”, betont der Rechtsanwalt. Wenn Gläubiger sich im vorgerichtlichen Verfahren schon weigerten auf einen Teil der Schuldensumme zu verzichten, werden sie es auch nicht tun, wenn das Gericht anfragt. Falls doch, “wird das Insolvenzverfahren nicht eröffnet, sondern ein Vergleich angestrebt”, so der Anwalt.
In der Praxis passiert das selten. Das Gericht wird nunmehr den Antrag auf ein Insolvenzverfahren eröffnen. Das Gericht wird ein Formular zusenden, das satte 45 Seiten umfasst. Dieser Antrag muss für gewöhnlich mit dem Anwalt oder Schuldnerberater gemeinsam bearbeitet werden.
Für Laien sind viele Fragen nicht so einfach zu beantworten. Zusätzlich muss eine Auflistung über alle Schulden und Gläubiger sowie Vermögen und Einkünfte erstellt werden.
Weil die Antragsteller überschuldet sind, wird das Gericht prüfen, ob durch die Einkünfte die Verfahrenskosten gedeckt sind, oder ob einem Antrag auf Stundung der Kosten in Frage kommt. Das bedeutet, dass das Gericht erst nach Beendigung der Restschuldbefreiung die Verfahrenskosten von dem Antragsteller einfordert. Die Eröffnung des Insolvenzverfahren wird auf der Internetseite insolvenzbekanntmachungen.de bekannt gegeben.
Ein Treuhänder verwaltet das Vermögen des Schuldners
Wurde das Verfahren eröffent, wird ein Treuhänder bestimmt. Diesen kann man auch selbst vorschlagen. Der Treuhänder wird versuchen, jegliches Vermögen für den Schuldenabbau zu verwerten. Es ist zu empfehlen, mit dem Treuhänder ein gutes Verhältnis zu pflegen, da man auch alles Organisatorische mit ihm abklären muss.
Der Treuhänder prüft, ob verwertbares Vermögen, dass auch bei einer Zwangsvollstreckung gepfändet werden könnte, zu verwerten ist, um die Gläubiger zu bedienen.
Was ist eine Wohlverhaltensphase?
Der Treuhänder wird in der Wohlverhaltensphase nunmehr drei Jahre lang das Einkommen verwalten. Der Schuldner wird sein Einkommen auf den Treuhänder abtreten. Diese Phase bezeichnet man als Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2 InsO).
Alles was höher als die Pfändungsgrenze ist (Siehe auch: Pfändungstabelle 2021: Pfändungsfreier Betrag steigt um 6,28 Prozent) muss an den Treuhänder abgetreten werden. In der verlinkten aktuellen Pfändungstabelle können die nicht pfändbaren Beträge eingesehen werden.
In der Wohlverhaltensphase keine neuen Schulden machen
Es ist zwar schwer im Falle eines Insolvenzverfahrens neue Schulden anzuhäufen, allerdings ist der Hinweis sehr wichtig: Wer neue und unangemessene Schulden erneut anhäuft, riskiert die Versagung der Restschuldbefreiung. Die Gerichte agieren in solchen Fällen rigeros.
Wer etwas in dieser Zeit erbt, muss die Hälfte an den Treuhänder abgeben, damit dieser die Gläubiger bedienen kann. Wer gar im Lotto gewinnt, muss das gewonnene Geld in Gänze abgeben (§ 295 Nr. 2 InsO).
In der Wohlverhaltensphase muss man arbeiten gehen. Wer Erwerbslos ist bzw. von Bürgergeld abhängig ist, muss nachweisen, dass zumutbare Jobs nicht abgelehnt wurden bzw. man sich selbst um einen Arbeitsplatz aktiv bemüht hat (§ 287b InsO).
Mit Insolvenzplanverfahren früher Schuldenfrei werden
Wer einen gut bezahlten Job bekommt, erbt oder anderweitig zu Geld kommt, kann während der Wohlverhaltensphase ein Insolvenzplanverfahren unternehmen. Das gilt auch, wenn Gläubiger plötzlich bereit sind, doch zu verhandeln.
Man kann also dann erneut einen Einigungsversuch unternehmen. Oftmals lassen sich die Gläubiger nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf einen solchen Versuch ein, damit sie überhaupt noch etwas Geld bekommen.
Nach 3 Jahren Restschuldbefreiung
Sind drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrüber, kann nun das Gericht über die Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 1 InsO) entscheiden. Neu ist, dass es dafür keine Mindestquote mehr geben muss.
Zuvor mussten Schuldner nachweisen, dass sie 35 Prozent der Schulden abgezahlt haben. Zudem mussten Schuldner alle Verfahrenskosten beglichen haben. Kommt das Gericht zu einem positiven Ergebnis, ist man fortan Schuldenfrei.
Aber Achtung: Hinterzogene Steuern nach einer rechtskräftigen Verurteilung sowie Unterhaltschulden sind davon ausgenommen. Auch ein privates Darlehen, dass man zur Tilgung der Schulden aufgenommen hat, muss weiterhin abgezahlt werden. Eine Restschuldbefreiung ist hierfür keine Lösung.
Was kostet eine Privatinsolvenz?
Eine Privatinsolvenz ist nicht kostenfrei, obwohl man verschuldet ist. Gerichts- und Treuhändergebühren werden anhand der Insolvenzmasse berechnet. Wer allerdings weder Job noch Vermögen hat, muss mit einer Mindestgebühr von 2000 Euro rechnen. Dieser Betrag kann in Raten abgezahlt oder gestundet werden.
Auch der Anwalt muss gezahlt werden. Man kann bei Gericht einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe beantragen. Viele Gericht lehnen einen solchen Antrag allerdings ab und verweisen auf die Möglichkeit kostenloser Schuldnerberatungsstellen.
Es ist also ratsam entweder eine kostenfrei Beratungsstelle zu finden (mit langen Wartezeiten) oder mit dem Anwalt eine Pauschale auszuhandeln. Letzteres ist üblich und wird von den meisten Rechtsanwälten akzeptiert.
Kann ein Insolvenzverfahren auch scheitern?
Eine Verbraucherinsolvenz kann scheitern, wenn das Verfahren unzulässig ist oder die Restschuldbefreiung vom Gericht versagt wird. Dies passiert dann, wenn Schuldner ihren besonderen Pflichten während des Verfahrens nicht nachgekommen sind. Außerdem kann es auch aus anderen Gründen zu einem Scheitern des Verfahrens kommen. Die wichtigsten sind:
- Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat.
- Falschangaben zur Erschleichung von Krediten oder öffentlichen Leistungen (z.B. Sozialleistungen).
- Vermögensverschwendung.
- Verschleierung von Vermögen, Bei-Seite-schaffen von Vermögensgegenständen.
- Kürzlicher Abschluss eines Insolvenzverfahrens.
- Begründung von unangemessenen Verbindlichkeiten.
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