Plus 50 Prozent Pflegegeld jeden Monat mit bislang unbekannter Strategie

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Auf den ersten Blick klingt es wie ein Werbegag, doch hinter der Strategie steckt geltendes Sozialrecht: Wer den sogenannten Umwandlungsanspruch nutzt und ihn mit dem Instrument der Nachbarschaftshilfe kombiniert, kann sein Budget fรผr private Pflegeleistungen tatsรคchlich deutlich ausweiten โ€“ in vielen Fรคllen um rund die Hรคlfte des bisherigen Pflegegeldes oder sogar mehr.

Die Idee beruht darauf, einen Teil der nicht genutzten Pflegesachleistung in den Entlastungsbetrag zu verschieben und diesen anschlieรŸend รผber anerkannte Nachbarschaftshelferinnen und -helfer abzurechnen.

Wie funktioniert der Umwandlungsanspruch?

Pflegebedรผrftige mit den Pflegegraden 2 bis 5 dรผrfen bis zu 40 Prozent ihres Sachleistungsbudgets (ยง 36 SGB XI) in den Entlastungsbetrag (ยง 45b SGB XI) รผberfรผhren. Diese Summe ist weit hรถher als der regulรคre Entlastungsbetrag von aktuell 131 Euro im Monat, weil die Sachleistung โ€“ anders als das Pflegegeld โ€“ vier- bis fรผnffach so hoch ausfallen kann.

Wird der maximale Anteil umgewandelt, kรผrzt die Kasse zwar gleichzeitig das Pflegegeld um dieselben 40 Prozent, doch da der Sachleistungs-Topf grรถรŸer ist, bleibt ein deutlicher รœberschuss.

Seit der Leistungsanhebung zum 1. Januar 2025 sieht das Rechenbeispiel so aus: Bei Pflegegrad 3 lassen sich 598,80 Euro aus der Sachleistung (40 % von 1.497 Euro) in den Entlastungsbetrag umleiten; dem stehen 239,60 Euro Abzug beim Pflegegeld gegenรผber.

Unter dem Strich flieรŸen also zusรคtzlich 359,20 Euro pro Monat plus der regulรคre Entlastungsbetrag, zusammen 490,20 Euro mehr Budget.

Welche Summen ergeben sich konkret in den einzelnen Pflegegraden?

Aktualisiert auf das Leistungsniveau 2025 ergibt sich fรผr Pflegegrad 2 ein Plus von rund 310 Euro, wodurch sich das verfรผgbare Monatsbudget fรผr private Pflegeleistungen von 347 Euro auf 657 Euro erhรถht.

Bei Pflegegrad 3 wรคchst der Topf von 599 Euro auf gut 1.089 Euro, bei Pflegegrad 4 von 800 Euro auf gut 1.355 Euro und bei Pflegegrad 5 von 990 Euro auf knapp 1.645 Euro.

Je hรถher der Pflegegrad, desto grรถรŸer fรคllt die Differenz aus, weil das Sachleistungsbudget รผberproportional steigt. Diese Zahlen berรผcksichtigen bereits die gesetzliche Anpassung aller Pflegeleistungen um 4,5 Prozent zum Jahresbeginn 2025.

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Die Nachbarschaftshilfe als Angebote zur Unterstรผtzung im Alltag

Der Entlastungsbetrag โ€“ und damit auch das zusรคtzlich umgewandelte Budget โ€“ darf nur fรผr sogenannte โ€žAngebote zur Unterstรผtzung im Alltagโ€œ eingesetzt werden. Das reicht von Haushalts- und Einkaufshilfen รผber Begleitung bei Freizeitaktivitรคten bis hin zu Beaufsichtigung oder gemeinsamen Spaziergรคngen.

Wichtig ist, dass die helfende Person nach Landesrecht als Nachbarschaftshelferin oder Nachbarschaftshelfer anerkannt ist. Erst dann kรถnnen Rechnungen bei der Pflegekasse eingereicht und aus dem Entlastungsbetrag erstattet werden.

Wie unterscheiden sich die Landesregelungen โ€“ z.B. Berlin und Niedersachsen?

Die Anerkennungsvoraussetzungen liegen nicht im Bundes-, sondern im Landesrecht, und sie fallen erstaunlich unterschiedlich aus. In Berlin genรผgt ein sechsstรผndiger Grundkurs; die Vergรผtung ist auf maximal acht Euro pro Stunde begrenzt, Helfende dรผrfen nicht nรคher als zweiten Grades verwandt und nicht im selben Haushalt wohnen.

In Niedersachsen dagegen verlangt das Landesamt fรผr Soziales ein erweitertes Fรผhrungszeugnis sowie einen 30-Stunden-Kurs; die Aufwandsentschรคdigung darf 85 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns nicht รผberschreiten, was derzeit gut zehn Euro sind.

In beiden Lรคndern mรผssen die Helfenden zusรคtzlich bei der Pflegekasse der pflegebedรผrftigen Person registriert sein. Wer auรŸerhalb Berlins oder Niedersachsens lebt, sollte die jeweiligen Landesregelungen prรผfen; die Linksammlungen der Pflegekassen bieten hier einen soliden Einstieg.

Welche Schritte fรผhren Schritt fรผr Schritt zum zusรคtzlichen Budget?

Zunรคchst stellt die oder der Pflegebedรผrftige bei der eigenen Pflegekasse formlos den Antrag auf Umwandlung von bis zu 40 Prozent der Sachleistung. Parallel lรคsst die Wunsch-Nachbarschaftshilfe die erforderliche Schulung absolvieren und sich offiziell anerkennen.

Nach erfolgreicher Registrierung reicht sie monatlich eine Leistungserklรคrung ein, in der die Stunden und der vereinbarte Stundensatz dokumentiert sind.

Die Pflegekasse รผberweist den Betrag entweder an die Helferin oder erstattet ihn den Angehรถrigen โ€“ beides ist mรถglich. Wichtig ist, dass das zusรคtzliche Budget im jeweiligen Monat tatsรคchlich genutzt wird; anders als beim regulรคren Entlastungsbetrag lassen sich nicht verbrauchte Betrรคge aus der Umwandlung nicht ansparen.

Welche Grenzen und Fallstricke sollten Pflegebedรผrftige kennen?

Nicht jeder Euro bleibt zwangslรคufig in der Haushaltskasse: Wird der umgewandelte Betrag in einem Monat nicht vollstรคndig fรผr anerkannte Nachbarschaftshilfen oder andere zugelassene Angebote verwendet, verfรคllt der ungenutzte Rest.

Zudem kann fehlerhafte Beratung bei der Krankenkasse dazu fรผhren, dass Antrรคge zunรคchst abgelehnt werden. Wer darauf stรถรŸt, sollte sich nicht entmutigen lassen, sondern auf die einschlรคgigen Paragrafen (ยงยง 36, 45a, 45b SGB XI) verweisen oder Unterstรผtzung durch einen Pflegestรผtzpunkt suchen.

Warum ist das Modell bislang kaum bekannt?

Gesetzlich mรถglich ist die Umwandlung seit 2017, doch erst der jรผngste Ausbau der Nachbarschaftshilfe โ€“ verbunden mit mehr Anbietern von Kurzschulungen und niedrigeren Zugangshรผrden in vielen Lรคndern โ€“ macht sie fรผr breite Kreise nutzbar.

Gleichzeitig fehlt es an flรคchendeckender Aufklรคrung: Weder Hausรคrztinnen noch Pflegedienste noch Kassen informieren systematisch รผber die Option. ย Dass eine korrekt beantragte Umwandlung unterm Strich ausschlieรŸlich Vorteile bietet, wird oft erst klar, wenn man die Zahlen schwarz auf weiรŸ gegeneinanderstellt.

Fazit: Lohnt sich der Aufwand?

Wer den Weg durch Antrag, Schulung und Registrierung nicht scheut, kann sein monatliches Pflegebudget spรผrbar steigern โ€“ bei Pflegegrad 3 aktuell um fast 500 Euro.

Der Zuschuss flieรŸt in direkte Unterstรผtzung im Alltag, bleibt also genau dort, wo Pflegebedรผrftige und ihre Familien die Entlastung am dringendsten brauchen. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten und der in vielen Regionen angespannten Pflegedienst-Kapazitรคten ist der Umwandlungsanspruch in Kombination mit der Nachbarschaftshilfe eine handfeste und bislang unterschรคtzte Chance.