Schwerbehinderung: Kein Recht auf Facharzt bei Feststellung der Behinderung – Urteil

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Das Gutachten bei der Neubewertung einer Behinderung hat fรผr die Betroffenen eine hohe Bedeutung. Denn auf der Grundlage dieses Gutachtens entscheiden die Versorgungsรคmter, ob ein Grad der Behinderung gesenkt wird, erhรถht wird oder gleich bleibt. Das wiederum definiert, welche Nachteilsausgleiche den Betroffenen zustehen.

Ermessen bei Auswahl der Sachverstรคndigen

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied: Es gibt keine Verpflichtung dazu, als Sachverstรคndige Fachรคrzte zu beauftragen. Das Ermessen bei der Auswahl der Sachverstรคndigen ist nur dann eingeschrรคnkt, wenn es sich um besonders schwierige Fragen oder um grobe Mรคngel bei bestehenden Gutachten handelt. (L11 SB 107/24)

Grad der Behinderung wegen Leukรคmie

Der Betroffen hatte 2018 einen Grad der Behinderung wegen Leukรคmie anerkannt bekommen. Bei einer Krebserkrankung gilt bei einem Grad der Behinderung die sogenannte Heilungsbewรคhrung.

Es wird also nach gewisser Zeit noch einmal geprรผft, ob sich die Einschrรคnkungen durch eine erfolgreiche Therapie verbessert haben. Die Nachprรผfung fรผhrte dazu, dass das Amt den Grad der Behinderung mit Bescheid vom 7. September 2020 nur noch mit 30 wegen ausgeheilter Leukรคmie bewertete.

Der Betroffene legte dagegen Widerspruch ein, diesen lehnte das Amt ab, und im nรคchsten Schritt klagte er vor dem Sozialgericht Frankfurt / Oder. Er unterfรผtterte die Klage mit einem nervenรคrztlichen Befundbericht zweier Fachรคrztinnen fรผr psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie. Diese diagnostizierten eine mittelschwere Depression mit Anpassungsstรถrungen sowie eine Polyneuropathie im Stadium I.

Das Sozialgericht holte bei einem Allgemeinmediziner ein Gutachten ein, dass die Folgen der Leukรคmie au 30 einstufte. Ein dauerhaftes seelisches Leiden liege nicht vor.

Das Sozialgericht lehnte die Klage ab, die auf den Erhalt eines Grades der Behinderung von 50 ausgerichtet gewesen war. Sein Allgemeinzustand sei 2020/21 als gut angegeben worden. Auch psychische Beschwerden rechtfertigten keinen hรถheren Grad der Behinderung.

Laut dem Sachverstรคndigen gebe es keine Depressivitรคt, keine relevante ร„ngstlichkeit oder anderweitige pathologische Auslenkungen. Die bei einer Krebserkrankung รผblichen Begleiterscheinungen psychischer Art seien dem Grad der Behinderung von 30 bereit berรผcksichtigt.

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Betroffener verlangt Facharzt als Sachkundigen

Der Klรคger legte Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Er begrรผndete dies damit, dass das Gutachten letztlich fachfremd erstellt worden sei.

Es hรคtte ein Facharzt fรผr Innere Medizin mit den Zusatzqualifikationen auf dem Gebiet der Hรคmatologie und Onkologie oder speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Bluttransfusionsmedizin herangezogen werden mรผssen. Seine zahlreichen Einzelbeschwerden wรผrden eine Anhebung des Grades der Behinderung von 30 rechtfertigen.

Laut Gericht ist kein Facharzt notwendig

Das Landessozialgericht lehnte die Berufung ab. Dass der Sachkundige Facharzt fรผr Allgemeinmedizin sei, begrรผnde keinen Mangel. Entgegen der Ansicht des Klรคgers sei das Sozialgericht nicht verpflichtet, einen Facharzt fรผr Innere Medizin mit den Zusatzqualifikationen auf dem Gebiet der Hรคmatologie und Onkologie oder speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Bluttransfusionsmedizin zu beauftragen.

Das Verfahrensrecht verpflichte nรคmlich grundsรคtzlich nicht dazu, ausschlieรŸlich Sachverstรคndigengutachten von Fachรคrzten einzuholen.

Dies sei nur dann eingeschrรคnkt, wenn es sich um besonders schwierige Fragen handle oder aber vorhandenen Gutachten grobe Mรคngel anhafteten. (9B SB 4/23 B)

Das Landessozialgericht erklรคrte: โ€žDem Gutachten haften keine Mรคngel โ€“ schon gar keine groben โ€“ an. Es geht hier auch nicht um besonders schwierige Fragen. Denn zwar steht hier eine schwere Erkrankung in Rede, Diagnose, Therapie und Rezidivfreiheit stehen aber vรถllig auรŸer Frage. Es geht um die Erhebung der verbliebenen Auswirkungen und die Feststellung eventueller Organschรคden, zu denen ein Facharzt fรผr Allgemeinmedizin ohne weiteres in der Lage ist.โ€œ