Mit der NPD ziehen auch einige Kader der "Freien Kameradschaften" ins Parlament in Mecklenburg-Vorpommern ein.
von Andreas Speit
Ihre ersten Spuren im Landtag hinterließ die NPD auf der Toilette. "NPD – Die Nationalen" war auf dem abgekratzten Aufkleber noch zu lesen. Die Neonazis dürften ihn am Tag "Für Demokratie und Toleranz" des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern im Juni hinterlassen haben. Mit mehreren "Kameraden" waren der Spitzenkandidat der NPD für die Landtagswahl, Udo Pastörs, und Stefan Köster, der Landesvorsitzende der Partei, ins Schweriner Schloss gekommen. "Zum Probesitzen", wie der 32jährige Köster meinte. Gut drei Monate später schafft die NPD den Einzug in den Landtag.
Bei der Wahl in der vorletzten Woche gewann die Partei sechs Mandate. "Wir sind die Gewinner der Wahl", sagte Pastörs siegesgewiss. In einem der Wahlstudios im Schweriner Schloss wiederholte der bieder wirkende 54jährige Juwelier später seine Bewertung von Adolf Hitler: "Er ist ja ein Phänomen gewesen, dieser Mann, militärisch, sozial." Köster, demnächst auch Abgeordneter, verkündete derweil, lässig ans Geländer gelehnt: "Wir wollen das System überwinden."
Tino Müller, ein Kader des Kameradschaftsverbands Soziales und Nationales Bündnis Pommern (SNBP) und bald auch Abgeordneter, hielt sich lächelnd zurück. Erst auf der Wahlparty sagte der 28jährige Mauerer, der in seinem Wahlkreis 35 Prozent der Erstimmen erhielt, der Presse: "Wir kümmern uns um die Leute."
Keine zehn Minuten zu Fuß vom Schloss entfernt richtete die NPD in der "Radeberger Bierstube" am Wahlabend ihre Party aus. Im Jahr 2004, als sie mit 9,2 Prozent in den Landtag von Sachsen einzog, feierte sie noch an einem abgelegen Ort. Nun versteckte sie sich nicht mehr. Ab 17 Uhr trafen die Sympathisanten in dem gutbürgerlichen Lokal ein. Gelassen warteten die Herren im grauen Anzug und die Damen im feinen Kleid auf die Hochrechnungen. Auch die jungen Herren mit Kurzhaarfrisur aus den so genannten Freien Kameradschaften hatten sich, wie die jungen Frauen mit Zopf, fein gemacht.
Großer Applaus kam in dem Lokal auf, als gegen 20 Uhr 30 die Abgeordneten eintrafen. "Udo, Udo" skandierten Nationaldemokraten und Kameradschafter und: "Hoch die nationale Solidarität!" Hände-schüttelnd schritt auch der Wahlleiter der NPD, Holger Apfel, der zudem stellvertretender Vorsitzender der Partei und ihr Fraktionsvorsitzender in Sachsen ist, durch den Saal. Knapp über sieben Prozent lag die NPD zu dieser Zeit. 7,3 Prozent wurden es am Ende. Nach Infratest Dimap haben 17 Prozent der 18- bis 24jährigen die NPD gewählt.
"Wir haben eine Punktlandung hingelegt", sagte Pastörs zu den rund 100 Gästen. Hatte er doch auch als Ziel "Sieben plus X" ausgegeben. Er versprach: "Wir werden eine harte Oppositionspolitik machen." Gemeinsam wolle er weiter "für ein deutsches Deutschland in unseren Grenzen" kämpfen, "die wir uns seit Jahrzehnten nicht haben ausreden lassen". Liebevoll lobte er, "dass mich meine Frau so hervorragend bekocht hat, dass sie meine Wäsche gewaschen hat, dass sie mir geholfen hat, die Kraft aufzubringen". Auch bei den "vielen Frauen in unseren Kameradschaften" bedankte er sich.
Weniger nette Worte fand er hingegen für die Presse. Im Landtag hatte ihn ein Moderator gefragt, ob er als Neonazi bezeichnet werden dürfe. "Wenn Sie damit meinen, dass ich ein Mann bin, der national denkt, dann fühle ich mich durchaus richtig mit so einer Bezeichnung bezeichnet", antwortete er. "Was sind Nazis? Ich kenne keine", sagte Köster später auf dem Flur.
Der Schweriner Direktkandidat der NPD, Thomas Wulff, verstand sich selbst lange als Nazi. Heute hält der NPD-Sekretär und Kameradschafter beide Daumen zum Sieg hoch. "Die NPD hat sich gesellschaftlich verankert, wir sind längst in der Mitte des Volkes angekommen", verkündete derweil Apfel. Und in der Tat: In 33 der bestehenden 36 Wahlkreise kam die NPD über fünf Prozent. In Ostvorpommern erreichte sie in einigen Dörfern über 30 Prozent. In Postlow waren es 38,6 Prozent, in Blesewitz 32,2, in Bargischow 31,6 und in Neu-Kosenow 31,1. In jener Region, wo die NPD auch in einigen Orten über 20 Prozent erzielte, sind vor allem die Kameradschaften stark verankert. Offen hatte Pastörs in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme eingeräumt, dass ein "Schulterschluss mit den Freien Kräften" bestehe. Anders gesagt, die rund 300 NPD-Mitglieder hätten ohne die Kameradschaften keinen so ausgiebigen Wahlkampf führen können. Bei der Aufstellung der 13 Kandidaten der Landesliste musste die Partei so sieben Kameradschafter, wie etwa Birger Lüssow, mitaufstellen. Der 31jährige zukünftige Abgeordnete soll die "Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock" lenken.
Aber auch im Westen des Landes, wo die Nationaldemokraten selbst als "gute Nachbarn" wahrgenommen werden, erzielten sie gute Ergebnisse. In Groß Krams, Kreis Ludwigslust, erhielt die NPD 26,3 Prozent. Pastörs gewann an seinen Wohnort Lübtheen 16 Prozent.
Die "Verbürgerlichungsstrategie" der NPD, von der Karl-Georg Ohse vom Mobilen Beratungsteam für Demokratie und Kultur spricht, ging offensichtlich auf. Zu spät bemerkten die demokratischen Parteien, dass sie in den ländlichen Gemeinden und kleine Städten kaum wahrgenommen werden. Noch später räumten einige Politiker ein, vor Ort die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten allein gelassen haben zu sein. Die NPD trat schon seit langem "bürgerfreundlich" auf: Sie half beim Ausfüllen des Hartz-IV-Antrags, sie ging auf die Mittelschicht zu, sie bot Kinderbetreuungen an, sie half mit, sich gegen die Schließung von Schulen zu wehren, und veranstaltete Volkstänze und Ausflüge. Ganz jugendgemäß richteten die Kameradschaften außerdem Partys, Fußballturniere oder Konzerte aus.
Der Wahlerfolg füllt nun die leere Parteikasse. Jährlich erhält die Fraktion mindestens 500.000 Euro staatlicher Zuschüsse. Dank der 59.674 Zweitstimmen kann die Partei mit 50.712 Euro rechnen. Mit dem Geld will die NPD "Bürgerbüros" eröffnen. In Anklam will der zukünftige Abgeordnete Michael Andrejewski in seinem neuen Büro wieder Hartz-IV-Empfängern helfen. So soll die Erfolgsgeschichte weitergehen.
NPD- keine Hilfe für Erwerbslose
Ein Kommentar der gegen-hartz.de Redaktion
Es mag ja sein, dass NPD Kader und Neonazi- Schützlinge in den Landkreisen Bürgern, die von Hartz IV abhängig sind, bei dem Ausfüllen der Hartz IV- Anträge zu helfen. Doch mit welchem Ziel? Hier geht es nicht um die Verbesserung der Lebensbedingungen und die politische Unterstützung von Erwerbslosen. Es geht darum, Hartz IV Betroffene zu instrumentalisieren- sie in ihrer Not für Rassismus, Antisemitismus zu begeistern, einzufangen. Eine Sündenbock- Mentalität die darauf abzielt, weiter nach unten zu treten und Andersdenkende zu bekämpfen. Bisher gab es von der NPD nur "Schnauze voll" Argumentationen, die politisch und inhaltlich nur auf eins abzielen, Migranten aus dem Land zu jagen. Wo dies endet, weiß jeder Mensch, der sich mit der Deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 auskennt; In der Ermordung von Millionen von Menschen.
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