Politiker, vor allem wenn sie Staatsämter bekleiden, sollten auch hohe Gehälter beziehen. Schließlich tragen sie eine große Verantwortung. Wenn sie aber hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückbleiben und zudem Stimmung gegen Armutsbetroffene machen, sollten kritische Bürger genauer hinschauen.
Leistung muss sich lohnen: An 5 von 30 Sitzungen teilgenommen
Beispiel Markus Söder (CSU). Er ist bayerischer Ministerpräsident und gleichzeitig bayerischer Landtagsabgeordneter. Deshalb bekommt er laut dem Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” zum einen ein Gehalt als Ministerpräsident in Höhe von 17.046,00 Euro und zum anderen 4.222,50 Euro für seine Tätigkeit als Landtagsabgeordneter. Er bekleidet sozusagen zwei Ämter. Von 30 Landtagssitzungen hat Söder im Jahr 2022 aber nur fünf besucht.
Dafür kritisiert der CSU-Politiker die Bundesregierung in Sachen Bürgergeld. “Das Bürgergeld der Ampel ist das völlig falsche Signal. Es ist sozial ungerecht und benachteiligt die Fleißigen. Für uns ist klar: Leistung muss sich lohnen.” (Söder bei Twitter, siehe Screenshot).
Söder würde entgegnen, dass sein Amt als Ministerpräsident viel Zeit in Anspruch nehme und er deshalb weniger an Landtagssitzungen teilnehmen könne, die im Übrigen ein wichtiges demokratisches Instrument sind.
Wir fragen deshalb: Sollte Söder dann nicht entweder seine Bezüge als Landtagsabgeordneter kürzen lassen oder sich ganz auf das Ministeramt konzentrieren? Oder soll er sich lieber zurückhalten, wenn er über Armutsbetroffene spricht? Vielleicht bekommen wir eine Antwort.
Markige Sprüche gegen Bürgergeld-Bezieher verfehlen nicht ihre Wirkung
Die Aussagen rechter und konservativer Kreise zeigen nämlich ihre Wirkung. Überall in den sozialen Medien wird gegen Bürgergeld-Beziehende zu Felde gezogen. Die Betroffenen würden angeblich “keinen Anreiz” haben, arbeiten zu gehen. Das Bürgergeld würde dazu führen, dass eine “soziale Hängematte” geschaffen sei.
Heute weniger Kaufkraft als zu Hartz IV Zeiten
Das stimmt aber nicht, wenn man sich aktuelle Auswertungen anschaut. Denn mit dem Bürgergeld haben die Betroffenen heute noch weniger Kaufkraft als vorher mit Hartz-IV. Die Preissteigerung der im Regelsatz enthaltenen Güter liegt nach aktuellen Berechnungen bei 12,8 Prozent. Das geht aus einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung hervor.
Zwar ist ein Rückgang der Inflation zu verzeichnen. Doch die Lebensmittelpreise steigen weiter, wie aus der Anfrage an die Bundesregierung hervorgeht. Im vergangenen Monat März stiegen die Preise für Nahrungsmittel im Vergleich zum Vorjahresmonat um 22,3 Prozent. Im Februar lag die Teuerungsrate für Nahrungsmittel bei 21,8 Prozent.
Unterdeckung bei den Strompreisen
Auch die Strompreise sind nach wie vor sehr hoch. Nach Angaben des Vergleichsportals “Verivox” kostete eine Kilowattstunde im vergangenen Herbst durchschnittlich 70 Cent.
Im Vergleich dazu sind die Strompreise im April zwar wieder auf 35,3 Cent pro Kilowattstunde gesunken, im Vorjahr lag der Strompreis aber noch bei 24,9 Cent pro Kilowattstunde.
Der Grundversorgungstarif (Normaltarif für einen Singlehaushalt) liegt derzeit bei 40,75 Euro (489 Euro im Jahr). Im Durchschnitt zahlt ein Singlehaushalt laut “Verivox” (Datenstand Januar 2023) jedoch 92 Euro im Monat für Strom. Das sind 1.104 Euro im Jahr.
Vergleicht man diesen Betrag mit dem Posten Strom im Regelsatz, ergibt sich ein Fehlbetrag von 615 Euro im Jahr. Weil Strom aus den Regelleistungen bezahlt werden muss, findet somit eine regelrechte Unterdeckung statt. Selbst wenn Bürgergelde-Beziehende massiv Strom sparen, können sie die Lücke nicht schließen. Kein Wunder also, dass viele Bürgergeld-BeTroffene vor allem durch die stark gestiegenen Energiepreise in große Not geraten.
Immer mehr Menschen auf die Hilfe der Tafeln angewiesen
Aus diesem Grund sind rund 2 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig auf die Hilfe von Tafeln angewiesen, weil die Regelleistungen nicht ausreichen, um den Grundbedarf an Lebensmitteln zu sichern.
Der Bundesverband der Tafel mahnte bereits Ende letzten Jahres eine Überforderungssitution. Vielfach müssten Menschen wieder weg geschickt werden, weil nicht genug Lebensmittel für alle Hilfesuchenden zur Verfügung stünden.
Eine Studie des Paritätischen Gesamtverbandes kam deshalb auch zu dem Ergebnis, dass die Regelleistungen im Bürgergeld eigentlich mindestens 725 Euro zuzüglich Strom betragen müssten, um armutssicher zu sein.
Wer im Glashaus sitzt…
Die Realität sieht also ganz anders aus als das Bild, das der CSU-Politiker Söder zeichnet. Mit markigen Sprüchen lassen sich zwar Wählerstimmen gewinnen, die Zeche zahlen aber die Betroffenen, wenn sie nicht nur in der öffentlichen Debatte, sondern auch in der Familie, im Freundeskreis oder in den sozialen Medien aufgrund ihrer Notsituation angegriffen werden.
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