Kasse fordert Pflegegeld zurück: Diese Rechtsfehler kippen den Bescheid

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Wenn ein Brief der Pflegekasse die Rückzahlung von Pflegegeld verlangt, klingt das endgültig. In der Praxis ist eine Rückforderung jedoch nur zulässig, wenn die Kasse den ursprünglichen Bewilligungsbescheid korrekt aufhebt oder feststellt, dass ohne wirksamen Bescheid gezahlt wurde. Erst danach darf sie einen Erstattungsbescheid erlassen.

Entscheidend sind dabei die Regeln des Sozialverwaltungsrechts: Änderungen müssen sauber begründet, Anhörungen durchgeführt, Fristen eingehalten und Zeiträume taggenau berechnet werden. Ohne diese Schritte ist eine Rückforderung angreifbar.

Rückforderung ist kein Automatismus

Pflegegeld ist eine laufende Leistung. Vor jeder Rückforderung muss die Kasse die Rechtsgrundlage der Aufhebung benennen: Bei späteren Änderungen (z. B. längerer Klinikaufenthalt, nachträgliche Pflegedienst-Abrechnung) kommt nur eine Aufhebung für die Zukunft in Betracht; rückwirkend nur ausnahmsweise, etwa bei verletzten Mitteilungspflichten.

Stützt sie sich auf einen von Anfang an fehlerhaften Bescheid, braucht sie Vollbeweis und muss strenge Fristen wahren. Ohne formellen Aufhebungsbescheid gibt es keinen Erstattungsanspruch – bloße Zahlungsaufforderungen sind stumpf.

Typische Auslöser – und wo die Kasse oft irrt

Bei stationärer Behandlung im Krankenhaus, in der Reha oder zur Vorsorge ruht das Pflegegeld nicht sofort. Die Leistung läuft grundsätzlich vier Wochen weiter und darf erst danach ruhen. Häufig rechnet die Kasse zu grob und fordert ganze Monate zurück, obwohl nur einzelne Tage nach der Vier-Wochen-Frist betroffen sind.

Beim Tod der pflegebedürftigen Person ist eine taggenaue Abrechnung erforderlich; auch hier werden Teilmonate in der Praxis zu oft falsch berechnet. In der Kombinationsleistung mit einem Pflegedienst ist das Verhältnis von Sachleistung und Pflegegeld an die gewählte Quote gebunden.

Nachträgliche Korrekturen kein Selbstläufer

Nachträgliche Korrekturen dürfen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgen, sondern benötigen eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage und einen förmlichen Bescheid. Wer den verpflichtenden Beratungseinsatz nach § 37 Abs. 3 SGB XI versäumt, riskiert Kürzungen; bereits gezahltes Pflegegeld darf die Kasse jedoch nur nach ordnungsgemäßer Aufhebung zurückfordern, nicht automatisch.

Auslandsaufenthalte werden ebenfalls missverstanden: Für vorübergehende Abwesenheiten gilt eine zeitlich begrenzte Weiterzahlung; bei dauerhaftem Wohnsitz in EU/EWR/Schweiz kann Pflegegeld unter unionsrechtlichen Koordinierungsregeln grundsätzlich exportiert werden. Entscheidend ist der konkrete Status – Urlaub ist etwas anderes als eine Wohnsitzverlegung.

Beweislast und Mitwirkung

Für belastende Entscheidungen trägt die Behörde die objektive Beweislast. Sie muss also belegen, dass und ab wann die Leistungsvoraussetzungen wegfielen, etwa durch Klinik- und Reha-Zeiten, Pflegedienstabrechnungen oder Dokumentation zu Beratungseinsätzen. Betroffene sind zur Mitwirkung verpflichtet, aber erst nach verständlichem Hinweis und Fristsetzung.

Vor der Aufhebung ist regelmäßig anzuhören; Akteneinsicht in Gutachten, Abrechnungen und interne Vermerke kann und sollte man verlangen. Fehlen Unterlagen oder weichen Daten voneinander ab, geht das nicht automatisch zulasten der Pflegebedürftigen.

Rückwirkung: Was geht – und was nicht

Rückforderungen scheitern häufig an unzulässiger Rückwirkung. Wird eine Änderung erst nachträglich bekannt, darf die Kasse zwar ab dem Änderungszeitpunkt korrigieren. Eine weitergehende Rückwirkung setzt zusätzliche Voraussetzungen voraus, etwa grob fahrlässig unterlassene Mitteilungen.

Wer Krankenhaus- oder Reha-Zeiten fristnah gemeldet hat, kann sich regelmäßig gegen weiter zurückreichende Aufhebungen wehren. Stützt die Kasse sich auf einen „anfänglich rechtswidrigen Bescheid“, muss sie innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist nach Kenntnis handeln und die damalige Rechtswidrigkeit substantiiert darlegen. Pauschale Formeln reichen nicht.

Widerspruch und Klage: Fristen und Wirkung

Gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide läuft eine Monatsfrist ab Zugang. Widerspruch und anschließende Anfechtungsklage hemmen in der Regel die Vollziehung; die Kasse darf dann nicht vollstrecken, solange kein gesondert begründeter Sofortvollzug angeordnet ist. Wer die Frist verpasst, kann in Ausnahmefällen Wiedereinsetzung beantragen, sollte sich darauf aber nicht verlassen.

Sinnvoll ist ein zweigleisiges Vorgehen: den Bescheid in der Sache angreifen und parallel die aufschiebende Wirkung betonen oder – falls nötig – beim Sozialgericht anordnen lassen.

Praxisbeispiel: Klinikaufenthalt und zu grobe Berechnung

Die Kasse fordert zwei volle Monatsbeträge zurück, weil eine pflegebedürftige Person acht Wochen in stationärer Behandlung war. In der Berechnung fehlt jedoch die gesetzliche Vier-Wochen-Weitergewährung. Nach Akteneinsicht und taggenauer Gegenrechnung reduziert sich der angebliche Rückforderungsbetrag auf wenige Tage nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist.

Zusätzlich fehlt eine ordnungsgemäße Anhörung. Der Widerspruch hat Erfolg; der Erstattungsbescheid wird aufgehoben, die Kasse erlässt eine neue, deutlich niedrigere Festsetzung, die nun erstmals rechnerisch nachvollziehbar ist. Das Beispiel zeigt: Nicht die Schlagzeile „Kasse will Geld zurück“ ist maßgeblich, sondern die saubere Prüfung von Zeitraum, Rechtsgrundlage und Verfahren.

Häufige Pflegegeld-Rückforderungsgründe und Gegenargumente

Rückforderungsgrund Gegenargumente und Prüfsteine
Langer Krankenhaus-/Reha-Aufenthalt Vier-Wochen-Fortzahlung prüfen, Daten der Einrichtung mit Kassenrechnung abgleichen, taggenaue Berechnung verlangen, Anhörung und Begründung kontrollieren.
Tod der pflegebedürftigen Person Teilmonat korrekt anteilig? Datum des Versterbens vs. Zahlungslauf prüfen; unzulässige Pauschalen zurückweisen.
Versäumter Beratungseinsatz Lag wirklich ein Versäumnis vor? Nachweisdokumente, Terminverschiebungen, Entschuldigungen und Kassenhinweise aus der Akte prüfen; keine rückwirkende „Strafkürzung“ ohne ordnungsgemäße Aufhebung.
Kombinationsleistung mit Pflegedienst Wurde die Quote eingehalten? Nachträgliche Abrechnungen nachvollziehbar? Kein „Nachschieben“ ohne förmlichen Bescheid und klare Berechnung.
Aufenthalt im Ausland Unterscheidung Urlaub vs. Wohnsitzverlegung; unionsrechtliche Exportmöglichkeiten beachten; Zeitgrenzen präzise prüfen.
„Anfänglich rechtswidriger Bescheid“ Kasse muss damalige Rechtswidrigkeit beweisen und Fristen einhalten; pauschale Behauptungen und Blanko-Rückwirkung sind unzulässig.