Schwerbehinderung: Merkzeichen B entzogen – fallen alle Ansprüche weg?

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Wird das Merkzeichen B gestrichen, betrifft das sofort Ihre Begleitung im ÖPNV. Die unentgeltliche Mitnahme einer Begleitperson entfällt mit dem neuen Ausweis. Ihre eigene Freifahrt kann weiter bestehen, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Prüfen Sie daher parallel die Rechtsgrundlage der Aufhebung und Ihre Mobilitätsoptionen.

Wann „B“ zusteht – aktuelle Linie der Gerichte

Das Merkzeichen B verlangt einen klar nachweisbaren Hilfebedarf im ÖPNV. Entscheidend ist, ob beim Ein- und Aussteigen, beim Umsteigen, bei Orientierung oder während der Fahrt regelmäßig fremde Hilfe nötig ist. Es genügt nicht, wenn Hilfe nur gelegentlich erforderlich ist.

Die Rechtsprechung fordert eine verkehrsmittelspezifische Prüfung des Alltags, nicht bloß Diagnosen. Zudem gilt: B ist ein Zusatz zu anderen Merkzeichen und setzt in der Regel G, Gl oder H voraus.

Kein „isoliertes B“: Voraussetzungen sauber prüfen

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze ordnen B ausdrücklich den Fällen zu, in denen zusätzlich G, Gl oder H vorliegen. Die Behörden müssen diese Koppelung dokumentieren. Wer nur B ohne die genannten Voraussetzungen führt, riskiert Fehler im Bescheid. Betroffene sollten die Begründung genau anfordern und die fachliche Herleitung gegenprüfen.

Häufige Behördenfehler – hier setzt Ihre Gegenwehr an

Viele Entziehungen stützen sich auf pauschale Annahmen. Häufig werden nur Diagnosen gewürdigt, nicht aber konkrete ÖPNV-Abläufe. Ebenso häufig fehlt die Prüfung der „Regelmäßigkeit“ des Hilfebedarfs in realen Fahrketten.

Auch formelle Fehler treten auf: Entziehungen erfolgen ohne die richtige Rechtsgrundlage oder ohne sachgerechte Ermessensausübung. Diese Punkte sind im Widerspruch zentral.

Entziehung rechtlich angreifen: § 48 oder § 45 SGB X?

Für eine Aufhebung „für die Zukunft“ braucht es eine nachträgliche, wesentliche Änderung der Verhältnisse. Nur dann greift § 48 SGB X. Will die Behörde einen früheren, seit Beginn rechtswidrigen Bescheid aufheben, muss sie § 45 SGB X anwenden. Dann gelten strenge Vertrauensschutz-Regeln und Fristen. Ohne saubere Subsumtion unter die richtige Norm ist die Entziehung angreifbar.

Beweise, die vor Gericht tragen

Stellen Sie Ihren ÖPNV-Alltag präzise dar. Führen Sie Fahrtenbücher mit Linien, Haltestellen, Umsteigewegen und Zeiten. Dokumentieren Sie Stufen, Spaltmaße, defekte Aufzüge, Gedränge und unklare Durchsagen. Ergänzen Sie das mit fachärztlichen Funktionsberichten: nicht nur Diagnosen, sondern konkrete Fähigkeitsgrenzen beim Ein-, Aus- und Umsteigen oder bei Orientierung und Kommunikation.

Zeugen können Begleitpersonen, Schul- oder Arbeitsassistenzen sein. Gerichte knüpfen die Entscheidung an diese Tatsachen.

Was der B-Entzug im ÖPNV konkret ändert

Die unentgeltliche Mitnahme der Begleitperson setzt den B-Eintrag voraus. Fehlt B, besteht die kostenfreie Begleitung nicht mehr. Die eigene Freifahrt hängt dagegen vom Beiblatt mit Wertmarke und den übrigen Merkzeichen ab. Wer G, Gl, aG, Bl oder H erfüllt und eine Wertmarke führt, nutzt den Nahverkehr weiterhin unentgeltlich. Diese Unterscheidung ist für Betroffene zentral.

Wertmarke: Erstattung bei Rückgabe möglich

Geben Sie eine Jahres-Wertmarke vor dem 30. Juni zurück, erhalten Sie auf Antrag die Hälfte des Betrags. Bei Rückgabe vor Laufzeitbeginn ist eine volle Erstattung möglich. Die Rückgabe ist zudem Voraussetzung für bestimmte Erstattungsansprüche. Bewahren Sie Belege auf und stellen Sie den Antrag schriftlich beim Versorgungsamt.

Mobilitätsbudget? Realistisch sind regionale Dienste

Ein bundesweit einheitliches Mobilitätsbudget als Ersatz für B gibt es derzeit nicht. In vielen Städten existieren jedoch Begleit- und Fahrdienste. In Berlin begleitet der VBB-Begleitservice täglich von 7 bis 22 Uhr von der Haustür bis zum Ziel.

Daneben stehen Sonderfahrdienste für anspruchsberechtigte Personen zur Verfügung. Solche Angebote können den Zeitraum bis zur Entscheidung im Rechtsbehelf überbrücken. Prüfen Sie die Optionen Ihrer Kommune.

Hintergrund: Warum „regelmäßig“ der Dreh- und Angelpunkt ist

Die Gerichte unterscheiden deutlich zwischen gelegentlichen Hilfen und einem wiederkehrenden, vorhersehbaren Hilfebedarf. „Regelmäßig“ meint einen Bedarf, der sich aus typischen Fahrten ergibt und nicht nur in Ausnahmesituationen entsteht.

Wer seinen Alltag konkret belegt, schließt Argumentationslücken. Diese Linie prägt sowohl Entziehungs- als auch Neuantragsverfahren.

Wenn die Behörde B streicht, obwohl sich nichts änderte

Liegt keine wesentliche Veränderung vor, scheidet eine Aufhebung nach § 48 SGB X aus. Greift die Behörde stattdessen zu § 45 SGB X, muss sie Ihr Vertrauen würdigen und Fristen einhalten. Das gilt insbesondere bei langjährigen, bestandskräftigen Feststellungen. In der Praxis scheitern viele Entziehungen an diesen Hürden. Lassen Sie die Begründung rechtlich prüfen.