Erwerbsminderung: Volle Erwerbsminderungsrente wenn kein Teilzeitjob gefunden werden kann

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Eine Zahntechnikerin beantragte eine volle Erwerbsmindungsrente wegen chronischer Schmerzen und Depressionen. Die Rentenkasse lehnte dies ab. Das Sozialgericht Karlsruhe verpflichtete die Rentenkasse jedoch, eine volle Rente zu zahlen, obwohl die Betroffene nach medizinischen Gutachten noch drei Stunden arbeiten kรถnnte. (S 12 R 2113/23)

Chronische Schmerzen und Depressionen

Die Frau arbeitete bis 2020 in Vollzeit als Zahntechnikerin. Dann litt sie unter chronischen Scherzen, zusammen mit Depressionen. AuรŸerdem litt sie an einer Bewegungsstรถrung im linken Bein. Intensive Behandlungen verbesserten die Einschrรคnkungen nicht. Sie konnte ihren Beruf nicht mehr ausรผben. Sie beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung eine volle Erwerbsminderungsrente.

Behandelnde ร„rzte bestรคtigen volle Erwerbsminderung

Dem Antrag fรผgte sie รคrztliche Gutachten Ihrer behandelnden ร„rzte bei, die bestรคtigten, dass sie nur noch weniger als drei Stunden pro Tag beschรคftigt sein kรถnnte. Das entspricht den Kriterien einer vollen Erwerbsminderung.

Rentenkasse sieht die Arbeitsfรคhigkeit als gegeben an

Die Rentenversicherung prรผfte die Reha-Berichte der Betroffenen und holte eigene Gutachten ein. Diesen zufolge konnte die Betroffene weiterhin sechs Stunden oder mehr pro Tag arbeiten. Es gebe zwar qualitative Einschrรคnkungen, aber keine quantitativen.

Einschrรคnkungen lassen sich laut Rentenasse ausgleichen

So betrรคfen die Einschrรคnkungen vor allem Tรคtigkeiten im Sitzen. Sie lieรŸen sich durch Hilfsmittel wie eine Beinschiene und die Fortbewegung im Auto oder in รถffentlichen Verkehrsmittel ausgleichen. Auch kรถnnten weitere Therapien zur Besserung fรผhren.

Gericht gibt eigenes Gutachten in Auftrag

Die Zahntechnikerin klagte vor dem Sozialgericht Karlsruhe, um Ihren Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente durchzusetzen. Die Richter beauftragten einen Facharzt fรผr Neurologie und Psychiatrie, um die Betroffene erneut zu untersuchen.
Dieser erkannte eine mittelschwere depressive Stรถrung, eine dissoziative Bewegungsstรถrung des linken Beines und anhaltende somatoforme Schmerzen. Somatoform sind kรถrperliche Symptome, die keine nachweisbare kรถrperliche Ursache haben.
Er kam zu dem Ergebnis, dass die Betroffene zwar noch mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden pro Tag arbeiten konnte. Das entspricht einer teilweisen Erwerbsminderung und berechtigt bei Versicherten den Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente.

Das Gericht schlieรŸt sich dem Gutachten an

Das Gericht schloss sich diesem Gutachten an. Der Befund sei prรคzise, und der Gutachter hรคtte genau geprรผft, ob die Betroffene ihre Beschwerden รผbertrieben darstelle. Die Richter sahen die Einschรคtzungen der Rentenkasse und ihrer Gutachter hingegen als nicht stichhaltig an und hielten auch die Befunde der Reha-Kliniken fรผr vergleichsweise unzureichend.
Es sei unrealistisch, so die Richter, dass die Betroffene ihr Leistungsvermรถgen dauerhaft auf mehr als sechs Stunden steigern kรถnnte.

Medizinisch teilweise Erwerbsminderung, doch laut Urteil volle Erwerbsminderung

Medizinisch lag laut dem gerichtlichen Gutachten eine teilweise Erwerbsminderung vor, da die Betroffenen noch mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden arbeiten konnte.

Trotzdem billigten die Richter ihr eine volle Erwerbsminderungsrente zu und verpflichteten die Rentenversicherung diese auszuzahlen.

Die Arbeitsmarktrente

Hier griff eine Sonderregelung bei der Erwerbsminderungsrente. Die Kriterien fรผr eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente sind objektiv medizinisch und beziehen sich auf die Dauer der tรคglichen Leistungsfรคhigkeit. Laut diesen Kriterien war die Betroffene teilweise erwerbsgemindert.

Die Richter bezogen sich jedoch auf die sogenannte Arbeitsmarktrente. Bei dieser muss die Rentenkasse statt einer teilweisen Erwerbsminderungsrente eine volle Erwerbsminderungsrente auszahlen, wenn es keine Aussicht auf eine Stelle mit reduzierter Stundenzahl gibt.

Einen solchen Fall sah das Sozialgericht Karlsruhe als gegeben an. Es gebe fรผr die Betroffene keine realistische Perspektive, in absehbarer Zeit eine Teilzeitstelle zu finden.

Rentenkasse รผbersieht chronische Schmerzen und depressives Leiden

AuรŸerdem unterschieden die Richter zwischen einer theoretischen Mรถglichkeit, drei Stunden pro Tag zu arbeiten und den tatsรคchlichen psychischen Problemen und den Schmerzen der Betroffenen. Die gesundheitlichen Einschrรคnkungen machten es unmรถglich, konzentriert und leistungsfรคhig auch nur drei Stunden zu arbeiten.

Wesentliche Besserung ist nicht zu erwarten

So รคndere die Mรถglichkeit, Hilfsmittel fรผr die Bewegung zu verwenden, nichts an der Erwerbsminderung aufgrund der psychischen Leiden und der chronischen Schmerzen. Eine wesentliche Besserung sei nicht zu erwarten, und die Rentenkasse musste eine volle Erwerbsminderungsrente auszahlen.