Da das Jobcenter die Angemessenheitsgrenze nicht dem tatsächlichen Wohnmarkt anpasst, müssen viele Hartz IV-Bezieher die Differenz aus der eigenen Tasche stemmen. Diese Differenz beträgt über eine halbe Milliarde Euro jährlich.
Ablehnung der Wohnkosten ist häufigster Klagegrund
Nicht selten lehnt das Jobcenter die komplette Übernahme der Wohnkosten ab. Der Grund: Der Mietpreis übersteige die Angemessenheitsgrenze. Denn die bestimme schließlich darüber, wie viel Mietkostenübernahme den Leistungsbeziehern zustehe. Mit über 30.000 Bestandsklagen gegen Bescheide dieser Art, sind derartige Entscheidungen des Jobcenters einer der häufigsten Klagegründe. Die derartige Fülle an Urteilen, zuzüglich des Aufwands der Berechnungen der jeweiligen Angemessenheitsgrenze, deuten deutlich auf die ungenügende Ausgestaltung des §22 im SGB II hin.
Wohnkosten sind gesetzlich unzureichend geregelt
Auch die Fraktion Die Linke kritisiert die derzeitige Handhabung. Demnach sei die Übernahme der Wohnkosten gesetzlich unzureichend geregelt. Dabei gehöre Wohnen zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum. Schon lange stimmt die gesetzliche Regelung allerdings nicht mehr mit den stetig ansteigenden Mietpreisen überein. Eine Tatsache, die es vielen Leistungsbeziehern unmöglich macht, entsprechenden Wohnraum zu finden. Die sogenannte Wohnkostenlücke verdeutlicht das gravierende Ausmaß dieses Problems. Diese stellt nämlich die Differenz zwischen den tatsächlichen Wohnkosten und den Leistungen dar, die das Jobcenter beziehungsweise die Sozialämter auszahlen.
Wohnkostenlücke lag 2017 bei 600 Millionen Euro
Der aktuelle Wert stammt aus dem Jahr 2017. In dem Jahr erhielt fast jeder fünfte Hartz IV-Haushalt nicht die Erstattung der kompletten Wohnkosten. Folglich müssen die Leistungsbezieher die Differenz aus ihrer eigenen Tasche bezahlen und das aus dem ohnehin schon knapp bemessenen Regelsatz. Das bedeutet, dass viele dieser Personen dauerhaft unter dem Existenzminimum leben müssen, welches eigentlich durch Hartz IV gewährleistet sein soll. Im Jahr 2017 belief sich die Eigenfinanzierung auf fast 600 Millionen Euro. Diese hohe Summe hat das Jobcenter Hartz IV-Beziehern demnach verwehrt, indem nicht die kompletten Wohnkosten übernommen wurden.
Ganz offensichtlich handelt es sich bei den unzureichenden Wohnkosten nicht um Einzelfälle. Ein Großteil der Hartz IV-Leistungsberechtigten ist davon betroffen. Hohe Schulden und Obdachlosigkeit sind die Folgen, die ohne zu zögern in Kauf genommen werden. Eine entsprechende Anpassung der gesetzlichen Regelungen ist längst überfällig.
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