BSG: Leistungsunterbrechung macht Erbe zum Vermögen
Wenn Hartz-IV-Empfänger ein Erbe erwarten, kann sich die vorübergehende Abmeldung vom Hartz-IV-Bezug lohnen. Denn durch eine Unterbrechung von mindestens einem Kalendermonat wird die Erbschaft zum Vermögen, urteilte am Mittwoch, 8. Mai 2019, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 14 AS 15/18 R). Vermögen ist durch Freibeträge besser vor dem Zugriff des Jobcenters geschützt.
Im Streitfall hatte eine alleinerziehende Mutter in Hamburg ihren Hartz-IV-Antrag nicht gezielt zurückgenommen, die Unterbrechung im Leistungsbezug hatte sich zufällig ergeben. Denn zwischenzeitlich hatte sie für knapp ein Jahr Anspruch auf Arbeitslosengeld I vom Arbeitsamt. Danach beantragte sie beim Jobcenter wieder Hartz IV (Arbeitslosengeld II).
Schon während des ersten Hartz-IV-Bezugs starb der Großvater der Mutter, und sie wurde Miterbin eines Grundstücks. Bis das Grundstück verkauft und der Erlös auf die Erben aufgeteilt war, dauerte es aber einige Zeit. Erst gut zweieinhalb Jahre nach dem Tod des Großvaters, als die Mutter und ihr Sohn erneut im Hartz-IV-Bezug standen, wurden ihr 5.330 Euro ausbezahlt.
Das Jobcenter wollte das Erbe als Einkommen anrechnen und die Leistungen entsprechend aussetzen. Zur Begründung verwies es auf das „Zuflussprinzip”, wonach Hartz IV Einnahmen dann als Einkommen gelten, wenn sie dem Arbeitslosen zufließen.
Ausnahmen vom Zuflussprinzip
Hierzu betonte nun das BSG, dass es Ausnahmen vom „Zuflussprinzip” gibt, wenn rechtlich ein anderer Termin maßgeblich ist. Das sei bei einer Erbschaft der Fall. Denn laut Bürgerlichem Gesetzbuch gehe das Vermögen „mit dem Tod” auf die Erben über. Zudem gilt nach bisheriger BSG-Rechtsprechung aber auch, dass Jobcenter eine Erbschaft erst dann anrechnen dürfen, wenn das Geld den Erben tatsächlich als „bereite Mittel” zur Verfügung steht.
Im Streitfall konnte das Jobcenter nach dem Tod des Großvaters während des ersten Hartz-IV-Bezugs noch nicht anrechnen, weil das Geld der Mutter noch nicht zur Verfügung stand. Nach dem Kasseler Urteil war im Zeitpunkt des zweiten Leistungsantrags nach der Arbeitslosengeld-Unterbrechung das Erbe aber bereits zum Vermögen geworden, weil der Anspruch darauf bereits am Todestag des Großvaters bestand.
Entsprechend hatte in der Vorinstanz auch schon das Landessozialgericht Hamburg entschieden (Urteil vom 22. Februar 2018, Az.: L 4 AS 194/17; JurAgentur-Meldung vom 9. April 2018). Umgekehrt kann nach einem früheren BSG-Urteil das Jobcenter ohne Leistungsunterbrechung eine Erbschaft komplett als Einkommen anrechnen und Leistungen zudem schon in Erwartung auf die Auszahlung nur als Darlehen bezahlen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 25. Januar 2012, Az.: B 14 AS 101/11 R).
Laut Sozialgesetzbuch kann auf Hartz-IV-Leistungen ein Anspruch bestehen, es besteht aber keine Pflicht, diesen Anspruch wahrzunehmen. Arbeitslose können daher ihren Leistungsantrag jederzeit zurücknehmen und sich so aus dem Hartz-IV-Bezug abmelden.
Vermögensfreibeträge sind teils altersabhängig
Die Vermögensfreibeträge sind teils altersabhängig. Der Grundfreibetrag für Volljährige beträgt 150 Euro je abgeschlossenem Lebensjahr, mindestens 3.100 Euro. Hinzu kommen 3.100 Euro für jedes minderjährige leistungsberechtigte Kind. Zudem gibt es einen „Freibetrag für notwendige Anschaffungen” von 750 Euro je Person in der Bedarfsgemeinschaft. Für die Altersvorsorge sind die Freibeträge deutlich höher. Hierfür muss das Geld aber in einer Form angelegt sein, die einen Zugriff vor dem Rentenalter vertraglich ausschließt. mwo/fle
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