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Viele ALG 1 Bezieher müssen mit Hartz IV aufstocken
Jeder zehnte Bezieher von Arbeitslosengeld 1 muss mit Hartz IV-Leistungen aufstocken. Das bedeutet, dass die Arbeitslosenversicherungsleistungen nicht ausreichen, um die Zeit zum nächsten Job zu überbrücken. Deutlich wird, dass vielfach die Löhne nicht ausreichen, um wenigstens das Existenzminimum zu erreichen.
74.855 Arbeitslosengeld-Empfänger sind auf Hartz IV-Leistungen angewiesen
In der gesamten Bundesrepublik sind fast 75.000 Arbeitslosengeld I-Empfänger auf eine Aufstockung durch Hartz IV-Leistungen angewiesen, um so ihr Existenzminimum zu sichern. In den alten Bundesländern beziehen 9 % der ALG I-Empfänger zusätzlich Hartz IV. In Ostdeutschland sind sogar 13,8 % der ALG I-Empfänger auf Hilfe vom Jobcenter angewiesen.
Linke-Abgeordnete kritisiert das Arbeitslosengeldsystem
Sabine Zimmermann, Abgeordnete der Linken, kritisiert das Arbeitslosengeldsystem. Das Arbeitslosengeld I stellt eine Versicherungsleistung für den Fall der Arbeitslosigkeit dar. Hierfür zahlt der betroffene ALG I-Empfänger oft jahrelang ein, damit bei einer plötzlich eintretenden Erwerbslosigkeit eine finanzielle Sicherheit besteht.
Dadurch, dass viele Menschen jedoch lediglich einen Niedriglohn erhalten, fällt die 60 %-Auszahlung von Arbeitslosengeld I bei 10 % der ALG I-Berechtigten so gering aus, dass diese Personen zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind. Merke: Wer schon von seinem Einkommen kaum leben kann, kommt bei Jobverlust mit seinem ALG I erst recht nicht über die Runden.
Niedriglohnbeschäftigung muss bekämpft werden
Damit ALG I-Empfänger nicht aufstocken müssen und zusätzlich auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind, muss die Niedriglohnbeschäftigung effektiv bekämpft werden. Auch Leiharbeitsunternehmen müssen abgeschafft werden, da diese die Problematik zusätzlich verstärken. Sabine Zimmermann fordert daher eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 EUR pro Stunde.
Die Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld I müssten ebenfalls gelockert werden. Die Rahmenfrist von zwei Jahren, in der man einer Beschäftigung nachgegangen sein muss, müsse auf drei Jahre angehoben werden. Der Vorteil daran wäre, dass Arbeitslose nicht direkt in den Hartz IV-Bezug fallen.
Hintergrund: Trotz ALG I aufstockende Leistungen beantragen
Sie fragen sich, wie es sein kann, dass jeder zehnte, der seinen Job verliert, gleich zum Jobcenter muss? Das liegt an harschen gesetzlichen Regeln, die gerade Menschen mit kleinem Einkommen benachteiligen. Die Rahmenbedingungen fürs ALG I und aufstockende Leistungen vom Jobcenter haben wir im folgenden für Sie zusammengefasst:
Der Unterschied zwischen Arbeitslosengeld I und Hartz IV
Arbeitslosengeld I ist nicht zu verwechseln mit Arbeitslosengeld II, das vielen besser als Hartz IV bekannt ist. Das sind die Unterschiede zwischen ALG I und hartz IV:
- Arbeitslosengeld I bekommen Sie von der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosengeld II vom Jobcenter.
- Arbeitslosengeld I ist normalerweise die erste Leistung, die Sie beantragen, wenn Sie ihren Job verlieren.
- ALG I bekommen Sie, wenn Sie aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit heraus arbeitslos werden. Voraussetzung ist jedoch, dass Sie in den zwei Jahren davor mindestens 12 Monate lang beschäftigt gewesen sein müssen. Das ALG II ist nicht an eine vorherige Berufstätigkeit geknüpft.
Bei ALG I keine Jobcenter-Gängelei
Das Gute an ALG I ist grundsätzlich: Das Geld steht Ihnen unabhängig von ihrer finanziellen Situation zu. Sie haben in eine Versicherung eingezahlt, nun ist der Versicherungsfall eingetreten und Sie haben ein Recht auf Ihre Leistung – ob Sie nun finanziell darauf angewiesen sind oder nicht. Die Bedürftigkeitsprüfung und Gängelei die Jobcenter-Betroffene erleben, bleibt Ihnen zum Großteil erspart.
Auch hier gilt allerdings: Keine Regel ohne Ausnahme. Denn ganz ohne Einschränkungen wird Ihnen Ihr ALG I nicht ausgezahlt. Bedingungen für einen ALG I-Bezug:
- Sie müssen sich während des Leistungsbezugs bemühen, Arbeit zu finden.
- Sie müssen an Maßnahmen der Agentur für Arbeit teilnehmen.
- Sie müssen sich rechtzeitig arbeitssuchend melden.
- Sie dürfen Ihren alten Job nicht einfach so gekündigt haben oder sich dort so sehr daneben benommen haben, dass Ihnen deswegen gekündigt wurde. Sonst drohen Ihnen Sperrzeiten.
- Sie müssen tatsächlich arbeitslos sein. Wenn Sie mehr als 15 Stunden in der Woche arbeiten, gelten Sie nicht mehr als arbeitslos.
Hinweis: Was bedeutet “rechtzeitig” arbeitssuchend melden?
Rechtzeitig heißt in diesem Kontext: Sie müssen sich spätestens drei Monate, bevor Ihr Vertrag endet, arbeitslos melden. Wenn Sie weniger als drei Monate im Voraus von Ihrer Arbeitslosigkeit erfahren, melden Sie sich umgehend bei der Agentur für Arbeit. Sie müssen dort persönlich erscheinen.
Teilarbeitslosengeld
Eine Versicherungsleistung, die Arbeitnehmer mit mehreren Beschäftigungsverhältnissen kennen sollten, ist das Teilarbeitslosengeld. Es kann beantragt werden, wenn eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle ausfällt.
ALG I: Wie viel Geld gibt es denn nun?
Die meisten ALG I-Berechtigten dürfte vor allem eine Frage interessieren: Wie viel Geld landet denn nun am Ende in der Kasse? Darauf gibt es eine kurze und eine lange Antwort. Die kurze Antwort ist: Das ALG I entspricht ungefähr 60 % des vorherigen Nettoverdienstes.
Die lange Antwort ist:
- ALG I entspricht 60 % des durchschnittlich in den vergangenen 12 Monaten verdienten Nettogehalts.
- Es werden nur Einkommen unter 5.800 EUR in den neuen Bundesländern und 6.500 EUR in den alten Bundesländern berücksichtigt – diese Einschränkung dürfte nur die wenigsten Erwerbslosen betreffen.
- Wer Kinder hat, bekommt 67 % des pauschalierten Nettoentgelts.
- Bei der Berechnung wird ein pauschaliertes Nettoentgelt zugrunde gelegt. Das muss nicht ihrem tatsächlichen Nettogehalt entsprechen, oft bekommen Sie weniger.
Gutverdiener war und den ALG I-Maximalsatz bekommt, kann sich über rund 2.000 € ALG I freuen. Wer aber für Mindestlohn gearbeitet hat, kann nur mit einem Betrag in der Größenordnung von 700 € rechnen – und das gilt für eine Vollzeitstelle. Das zeigt: Frau Zimmermann hat Recht. Von ALG I bei Mindestlohn können Erwerbslose kaum ihre Miete zahlen. Wenn das ALG I nicht reicht, bleibt den Erwerbslosen nur der Weg, ergänzende Sozialleistungen zu beantragen.
ALG I und ergänzende Sozialleistungen
ALG I-Empfänger können verschiedene andere Sozialleistungen beantragen, wenn ihr ALG I nicht ausreicht. Die wichtigsten davon sind Kinderzuschlag, Wohngeld und ALG II Dabei gibt es aber eine vorgegebene Reihenfolge zu beachten. Das liegt am sogenannten Subsidiaritätsprinzip. Das besagt, dass man auf einige Sozialleistungen nur ein Recht hat, wenn man seinen Bedarf nicht anders decken kann.
Dieses Prinzip betrifft beispielsweise Hartz IV. Das Jobcenter springt oft erst ein, wenn klar ist, dass andere Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag nicht für den Lebensunterhalt ausreichen. Bedürftige werden vom Jobcenter oft weggeschickt und sollen erst mal anderswo Anträge stellen. Manchmal verweigern die Jobcenter sogar die Annahme von Anträgen. Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen – denn ein Jobcenter ist verpflichtet, jeden Antrag anzunehmen.
ALG I plus Wohngeld und Kinderzuschlag
ALG I richtet sich nach Ihrem Einkommen vor der Arbeitslosigkeit. Wohngeld soll Menschen mit kleinem Einkommen helfen, ihre Miete zu bezahlen. Die Höhe richtet sich unter anderem nach den Kosten der Wohnung. Kinderzuschlag ergänzt das Kindergeld für Eltern, die knapp bei Kasse sind. Alle drei Sozialleistungen können Sie gleichzeitig beziehen. Das bedeutet zwar Papierkrieg bis das Geld auf Ihrem Konto landet, aber wenn Sie einmal im Leistungsbezug sind, müssen Sie eigentlich nur Änderungen Ihrer Verhältnisse mitteilen und haben ansonsten Ihre Ruhe und können sich auf die Jobsuche konzentrieren.
ALG I aufstocken durch ALG II
Wenn die anderen staatlichen Hilfen zusammen nicht ausreichen, müssen Erwerbslose ALG II beantragen. Wir haben es oben beschrieben – das geht rund 10 % der ALG I-Empfänger so.
Auch Menschen, die viele Jahre lang gearbeitet und in die Sozialkassen eingezahlt haben, müssen dann gleich bei Beginn ihrer Arbeitslosigkeit beim Jobcenter vorstellig werden. Dort müssen sie einen ganz normalen Antrag stellen und sprichwörtlich die Hosen herunter lassen. Den bevor das Jobcenter zahlt, will es ganz genau wissen, wie viel Geld Sie im Monat haben, was Sie gespart haben und wie die finanzielle Situation Ihrer Familie ist. Für viele, die immer für sich selbst gesorgt haben, ein demütigender Prozess.
Dann rechnet das Jobcenter nach seinem Standardverfahren aus, welchen Bedarf Sie haben – also wie viel Geld Sie zum Leben und für Ihre Wohnung brauchen. Diesem rechnerischen Bedarf stellt es Ihre Einkünfte gegenüber – dazu gehört Ihr ALG I, aber auch Unterhaltszahlungen, Kindergeld und so weiter.
Das Geld, was Sie brauchen, um diesen rechnerischen Bedarf noch zu decken, gibt Ihnen das Jobcenter zum ALG I dazu.
Hinweis: Was bedeutet ALG I aufstocken?
Der Begriff Aufstocker drückt aus, dass das Jobcenter Ihr Einkommen bis zum Existenzminimum aufstockt.
Im Zweifel immer Antrag auf Hartz IV einreichen
Stellen Sie immer einen Antrag, wenn Sie glauben, dass Sie vielleicht ein Anrecht auf Hartz IV haben. Bedürftige werden vom Jobcenter oft weggeschickt und sollen erst mal anderswo Anträge stellen – siehe Subsidiaritätsprinzip. Manchmal verweigern die Jobcenter sogar komplett die Annahme von Anträgen.
Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen – denn ein Jobcenter ist verpflichtet, jeden Antrag anzunehmen. Das gilt, egal ob der einzelne Mitarbeiter nun glaubt, dass Sie Leistungen bekommen werden oder nicht. Auch wenn Sie alleinstehend sind und 8.000 € monatlich zum Leben haben, haben Sie das Recht, ALG II zu beantragen.
Dass Sie in dieser Situation Geld vom Jobcenter bekommen, ist natürlich sehr unwahrscheinlich, aber das ist eine andere Frage. Denn der Witz ist: Wenn Sie Ihren Antrag nicht abgeben, obwohl Sie Hartz IV-berechtigt sind, werden Ihnen die Leistungen nicht nachträglich ausgezahlt. Hartz IV bekommen Sie immer erst ab dem Monat der Antragstellung.
So lange bekommen Sie ALG I
Auch wenn Sie von Ihrem ALG I die Rechnungen bezahlen können – in der Ferne winkt auch für ALG I-Empfänger immer schon das Jobcenter. Wie lange haben Sie also Zeit, einen Job zu finden, bevor Sie in Hartz IV abrutschen? Das ist unterschiedlich und hängt davon ab, wie lange Sie vor Ihrer Arbeitslosigkeit sozialversicherungspflichtig gearbeitet – das heißt in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt – haben.
Wenn Sie in den 2 Jahren vor ihrer Meldung bei der Arbeitsagentur mindestens 12 Monate eingezahlt haben, bekommen Sie bei Jobverlust ALG I. Auch wie lange Sie Anspruch auf ALG I haben richtet sich nach Ihrer Einzahlungsdauer.
Für Erwerbslose unter 50 gilt folgende Tabelle:
So lange haben Sie sozialversicherungspflichtig gearbeitet | So lange bekommen Sie ALG I |
12 Monate oder mehr | 6 Monate |
16 Monate oder mehr | 8 Monate |
20 Monate oder mehr | 10 Monate |
24 Monate oder mehr | 12 Monate |
Ältere Erwerbslose sind besser abgesichert, so dass für sie ergänzend folgende Tabelle greift:
Alter | So lange haben Sie sozialversicherungspflichtig gearbeitet | So lange bekommen Sie ALG I |
50 oder älter | 30 Monate oder mehr | 15 Monate |
55 oder älter | 36 Monate oder mehr | 18 Monate |
55 oder älter | 48 Monate oder mehr | 24 Monate |
Ersatzzeiten werden angerechnet
Sie haben Ihre Arbeit verloren, haben aber in den letzten 2 Jahren nicht mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet? Bestimmte Ersatzzeiten werden auch angerechnet. Als Ersatzzeiten gelten beispielsweise Wehrdienst, Mutterschaft und Kindererziehung, Krankengeldbezug und Jugend- oder Bundesfreiwilligendienst.
Arbeitslos und krank – was nun?
Wer krank ist, kann nicht arbeiten. Wer nicht arbeiten kann, bekommt kein Arbeitslosengeld, oder? Nein, keine Sorge, auch im Krankheitsfall sind Sie im ALG-Bezug abgesichert. Die ersten sechs Wochen bekommen Sie weiter Ihre ganz normalen Leistungen, danach bekommen Sie von der Krankenkasse Krankengeld.
Quellen:
§ 147 SGB III
Sabine Zimmermann zu ALG I-Aufstockern
Voraussetzungen für ALG I-Bezug
§ 3 Abs. 3 SGB II
§ 5 SGB II
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