Hartz IV: Verbleib in teurer Wohnung möglich

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Alles hatte so gut angefangen, doch dann kam die Kündigung ins Haus und nach erfolgloser Jobsuche das Abseits Hartz IV. Plötzlich wird man von allen Seiten bevormundet und diskreditiert. Nun soll man auch aus seiner Wohnung raus, die man doch in den letzten Jahren mühsam eingerichtet und renoviert hat? Es gibt Chancen Zwangsumzüge für ALG II EmpfängerInnen abzuwehren.

Nicht in jedem Fall sind in einem Zeitraum von sechs Monaten zu hohe bzw. nicht angemessene Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung zu senken. Sie sind solange zu berücksichtigen, wie es dem einzelnen Hilfebedürftigen oder seiner Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sie zu verringern. Dafür gibt es wichtige Gründe.

Ein solcher wichtiger Grund ist die Unmöglichkeit, die Aufwendungen für die Unterkunft zu senken. Dies kann der Fall sein, wenn Hilfebedürftige trotz aktiver Suche keine angemessene Wohnung z.B. in der Stadt Berlin finden. Es kann auch daraus resultieren, dass Vermieter nicht bereit sind, ihre Wohnungen an Bedürftige zu vermieten. Ein anderer wichtiger Grund wäre es, wenn der aktuelle Vermieter nicht gestattet, die Wohnung an weitere Personen zur Untervermietung anzubieten. Wenn es dem Hilfebedürftigen und ggf. seiner Bedarfsgemeinschaft nicht zumutbar ist, das Verlangen des Jobcenters nach der Herstellung der angemessenen Kosten zu erfüllen, ist dies ebenfalls ein wichtiger Grund. Wohnt jemand zum Beispiel länger als 15 Jahre in einer Wohnung, hat er eine längere Kündigungsdauer als sechs Monate. Ihm kann ein Umzug nach einem halben Jahr Bezug von Arbeitslosengeld II nicht zugemutet werden. Auch wenn die wesentlichen sozialen Bezüge der Kinder gefährdet werden, ist ein Umzug unzumutbar. Ebenso sind ältere Menschen ab 60 Jahren, schwangere Frauen, Schwerbehinderte, z. B. Blinde und Personen, die in absehbarerer Zeit kostendeckende Einkünfte haben, vor Umzugsforderungen geschützt. Weitere wichtige Gründe sind der nur vorübergehende Grundsicherungsbezug wegen Arbeitslosigkeit, die Examensphase bei Studierenden oder wenn die Mieteinsparungen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Umzugskosten stehen. "Maßnahmen zur Senkung der Wohnkosten werden in der Regel nicht verlangt werden können bei schwerer Krankheit oder Behinderung, mehr als 60-jährigen Hilfebedürftigen nach längerer Wohndauer, Alleinerziehenden mit zwei und mehr Kindern." Diese Ausnahmen gelten hinsichtlich der im Gesetz formulierten Sechs-Monatsregel in Berlin. Im Land Berlin werden zunächst die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten ein Jahr lang seit Beginn des Leistungsbezuges übernommen.

Rechte von Hartz 4 Betroffenen bei einer zu "teuren Wohnung"
Im Prinzip können erwerbsfähige Hilfebedürftige oder Bedarfsgemeinschaften, die oberhalb der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten liegen, mit dem ersten Bescheid auf Arbeitslosengeld II (ALG II) dazu auffordert werden, die Angemessenheit dieser Kosten innerhalb eines halben Jahres herbeizuführen. Diese Aufforderung kann auch mündlich durch den Fallmanager vorgenommen werden. Jede Regelung, die nach außen getroffen wird, ist ein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X. Also können Betroffene gegen solche Aufforderungen Widerspruch einlegen. Aufforderungen müssen in der Akte des Hilfebedürftigen notiert sein. Ist unklar, ob dies der Fall war, sollte Akteneinsicht gemäß § 25 Abs. 1 SGB X beantragt werden. Außerdem muss für die Betroffenen die Aufforderung erkennbar sein.

Eine erkennbare Aufforderung schließt eine Beratung des Jobcenters ein, wie und mit welchen Nachweisen die Angemessenheit der Unterkunftskosten herbeigeführt werden kann. Eine einfache mündliche Aufforderung ohne eine solche Beratung ist nach § 14 SGB I anfechtbar, da ihnen keine Leistung der Behörde gegenübersteht (z.B. Kaution). Zu jedem Verwaltungsakt kann Widerspruch binnen eines Monats eingelegt werden. Daher muss eine mündliche Aufforderung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X unverzüglich (bis zu vier Wochen) schriftlich bestätigt werden. Denn nach § 34 Abs. 1 SGB X hat ein mündlicher Verwaltungsakt keine rechtliche Bindungskraft. In diesem Falle hieße das, dass der mündlichen Aufforderung des persönlichen Ansprechpartners beispielsweise keine Umzugskostenübernahme vom Jobcenter folgen müsste. Mündlich Aufgeforderte sollten daher unverzüglich einen rechtsmittelfähigen Bescheid nach § 33 Abs. 2 SGB X fordern, der Nachweise zum Beweis des Aktivwerdens der Betroffenen zur Wohnungs- oder Untermietersuche und die Zusicherung der Umzugskostenübernahme enthält. Weiterhin müssen im Bescheid das Erfordernis und die Ermessenskriterien hinreichend dargelegt werden. Gegen einen solchen Bescheid kann binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden!

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