Hartz IV: Faktische Benachteiligung wegen sprachlicher Vorurteile

„Sozial schwach“, „sozial benachteiligt“, „Risikofamilien“ und „soziale Brennpunkte“ – diese Begriffe werden im öffentlichen Diskurs häufig verwendet, wenn es um Menschen in Armut und Hartz IV geht. Doch das ist problematisch, denn durch Sprache werden Werte zugeschrieben und unsere Wahrnehmung beeinflusst. Sie führen zu einer Vorverurteilung und haben sogar konkreten Einfluss darauf, wer als „bedürftig“ beurteilt wird und wie und wo Hilfsleistungen durch die Politik zur Verfügung gestellt werden.

Sprachliche Zuschreibung wird zu stereotypen

Zuschreibungen wie die eingangs erwähnten haben direkten Einfluss auf die Wahrnehmung von Betroffenen. Sie suggerieren, dass die Betroffenen soziale Defizite und nicht in der Lage wären, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Dabei geht es doch eigentlich um ein finanzielles Defizit, das aus diversen auch unverschuldeten Gründen eingetreten sein kann. Darauf weist Susanne Schwartz in einem Beitrag auf dem Deutschen Schulportal hin. Die Verwendung dieser Begriffe wurde in der Vergangenheit bereits öffentlich kritisiert, sie wurden aber durch die Corona-Berichterstattung wieder vermehrt benutzt.

Was durch die Verwendung dieser Begriffe außerdem passiert, merkt Schwartz an,  sei eine automatische Überhöhung jener, die nicht von Armut betroffen seien. Ihnen gegenüber fänden sich Familien mit mangelnder Bildung, die den ganzen Tag nur vor dem Fernseher auf der Couch säßen und KIndergeld und Hartz IV-Leistungen für ungesundes Essen, Zigaretten und Alkohol verprassen würden und auch noch charakteristische Vornamen hätten oder aufgrund eines möglichen Migrationshintergrunds nicht arbeitswillig seien. Das ist nicht nur wegen der diskrimierenden Vorurteile problematisch, sondern auch weil damit ein wesentlicher Teil der Menschen, die nicht vom Arbeitsamt erfasst werden, aber dennoch an der Armutsgrenze leben, nicht als Betroffene von Armut wahrgenommen werden, denen der Sozialstaat strukturell helfen müsste.

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Vorurteile verhindern Hilfsleistungen an Betroffene

Schwartz arbeitet außerdem heraus, dass die sprachlich geprägte Wahrnehmung von Menschen in Armut dazu führe, dass viele Betroffene nötige Leistungen überhaupt nicht bekommen. Ein Beispiel dafür ist der Corona-Freizeitzuschlag, den zehntausende Kinder von Alleinerziehenden nicht erhalten. Das aber orientiert sich nicht an den tatsächlichen finanziellen Verhältnissen oder der finanziellen mehrbelastung durch die Pandemie, sondern an verallgemeinernden Beurteilungen.

Die Nachhilfelehrerin und Elternsprecherin aus Berlin plädiert daher dafür, beispielsweise Hilfen für Kinder nicht anhand von platten finanziellen Grenzwerten, sondern bedarfsorientiert zur Verfügung zu stellen, damit ich Menschen an der Armutsgrenze von diesen profitieren. Die sprachliche Stigmatisierung wirkt sich nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen nachteilig aus, sondern auch auf jene, die in der öffentlichen Debatte oftmals vergessen werden: Menschen an der Armutsgrenze, Menschen in Altersarmut, Alleinerziehende. Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken!

Bild: frittipix / AdobeStock

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