Hartz IV: Land unter bei den Arbeitsmarktreformen

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Verdi: "Land unter": Schon wieder reden Bundespolitiker von einer Reform der Arbeitsmarktreformen. Dabei haben sich schon die so genannten Hartz-Gesetze als katastrophal erwiesen

Die Union will den Druck auf die Arbeitslosen weiter erhöhen: "Arbeitsunwillige" müssten sofort und ohne Mitsprache des Arbeitsvermittlers bestraft werden, schlugen mehrere Christdemokraten Anfang Oktober vor. Zeitgleich suchten offiziell 5579603 Menschen einen Arbeitsplatz, 4237835 von ihnen bekommen Arbeitslosengeld. Demgegenüber sind gerade einmal 620628 Jobs im Angebot. Im Fordern sind die Politiker groß. Nur, wie sieht es mit dem Fördern aus?

Nicht weniger als die Halbierung der Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahren hatte Peter Hartz im Sommer 2002 in Aussicht gestellt. Arbeitsvermittler sollten sich intensiv um jeden Einzelnen kümmern, auch arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger einbezogen werden.

Die Realität sieht anders aus: Von Fördern ist bei Langzeitarbeitslosen heute keine Rede mehr. Die Ich-AG – die einzige relativ erfolgreiche Maßnahme – hat die Bundesregierung inzwischen abgeschafft. Im Finanztopf, aus dem Integrationsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose bezahlt werden, befinden sich dieses Jahr 1,8 Milliarden Euro weniger als 2005. Doch selbst dieses Geld wird längst nicht vollständig für entsprechende Hilfen eingesetzt: Die von Kommunen und Bundesagentur gemeinsam betriebenen Arbeitsgemeinschaften (Argen) kriegen die Organisation der Maßnahmen nicht auf die Reihe. Die Konsequenzen sind fatal: Obwohl die Konjunktur seit ein paar Monaten anzieht, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen weiter gestiegen.

Alte Fehler nicht behoben
Letzlich haben fast alle Arbeitslosen schlechte Karten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) unterteilt ihr Klientel in drei Gruppen. "Marktkunden" finden von selbst einen Job, so die Überzeugung. Die etwa 36 Prozent „Beratungskunden“ sind die einzigen, die auf Unterstützung hoffen dürfen. Richtig schlecht sieht es für „Betreuungskunden“ aus – etwa 30 Prozent der Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Bei ihnen haben die BA-Mitarbeiter Vermittlungshemmnisse wie Alter über 50, fehlende Mobilität oder gesundheitliche Einschränkungen festgestellt. Für sie gilt: Minijobs und Zweiter Arbeitsmarkt als bestmögliche Alternativen. Mitte-50-Jährigen sollen die Vermittler den Rückzug aus dem Erwerbsleben nahe legen. Der Bundesrechnungshof kritisiert diese Praxis als Verstoß gegen das Sozialgesetz: Die BA sei verpflichtet, die individuelle Beschäftigungsfähigkeit aller ihrer Kunden zu erhalten.

Aber die BA hat kein Interesse, in längerfristig wirkende Maßnahmen zu investieren, weil sie ihre „Kunden“ in der Regel nach einem Jahr an eine Arge abgibt. Was bedeutet: Erst nach langer Wartezeit haben Arbeitslose die Chance auf Unterstützung. Genau diesen Fehler des alten Systems hatte die Reform eigentlich beheben sollen.

Zudem besetzt die BA die raren Stellenangebote fast nur mit Menschen, für die sie zuständig ist. Das spart ihr Arbeitslosengeld-I-Zahlungen und 10000 Euro Strafgeld an den Bundeshaushalt. Dieses wird für jeden fällig, der ins Arbeitslosengeld II wechselt. Wichtige Informationen über Stellenangebote behält die BA daher für sich. Dagegen hat der Main-Kinzig-Kreis geklagt, der seine Langzeitarbeitslosen selbst betreut. Mit Erfolg: Die Richter entschieden, dass die BA ihre interne Datenbank für die kommunalen Arbeitsvermittler öffnen muss. Die BA hat vorerst Revision gegen das Urteil eingelegt.

Während die Politik mit der Debatte um die „Unterschicht” den Arbeitslosen den schwarzen Peter zuschiebt, verweigert sie sich der Realität: dem Versagen der eigenen Politik.

CDU/CSU reicht es noch lange nicht

In einem Schreiben empfiehlt die Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt der christlichen Fraktionen der Bundesregierung Verschärfungen der Hartz-IV-Gesetze:

* Streichung der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen
* Konsequente Streichung des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsverweigerung
* Bei Minijobs bis 400 Euro volle Anrechnung auf das Arbeitslosengeld
* Streichung der Aufwandsentschädigungen für Ein-Euro-Jobber
* Medizinische Zwangsuntersuchungen
* Strafgeld bei nicht eingehaltenen Terminen

(Verdi Publik)

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