Ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin packt aus
Die Kritik am Hartz IV System nimmt in den letzten Monaten in der รถffentlichen Wahrnehmung zu. Mitverantwortlich hierfรผr ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nachdem Hartz IV Sanktionen ab 30 Prozent verfassungswidrig seien. Aber auch innerhalb der Behรถrde regt sich Kritik. Wer auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzt, muss nicht unbedingt auch hinter dem Hartz IV-System stehen.
Die Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin Susanne W. aus Duisburg sagt heute: โBeim Jobcenter geht es nicht um Menschen, es geht darum, Statistiken zu erfรผllen.โ 10 Jahre hat sie in der Behรถrde gearbeitet. Fรผnf Jahre davon als Arbeitsvermitterin. Heute berichtet sie รผber ihre Erfahrungen.
Gelder werden verschwendet
Bei Hartz IV werden Gelder verschwendet, kritisert sie. โEs werden Gelder verschwendet an Bewerbungstrainings, an Maรnahmen, die nicht zielfรผhrend sind.โ Im letzten Jahre fand beispielsweise ein sogenanntes Jobspeeddating statt. รber 700 Erwerbslose seien eingeladen worden. Ziel sei es gewesen, mit Firmen in Kontakt zu kommen und Jobangebote zu erhalten.
Im Vorfeld habe es ein Bewerbungstraining gegeben. Im Anschluss wurden dem Jobcenter noch mal weitere Gelder bewilligt worden, berichtet sie gegenรผber der Zeitung “Der Westen”. โDie mussten raus. Wir mussten jedem Kunden ein Bewerbungstraining aufbrummen, egal, ob er schon da war oder nicht”, berichtet sie weiter gegenรผber dem Blatt.
In einem weiteren Beispiel erlรคuterte sie, wie weitere Mittel aus dem Fenster geworfen wurden. Bei einem Lehrgang fรผr Lagerarbeiter wurde jedoch nicht der Schein zum Fรผhren eines Gabelstaplers finanziert. Dieser ist aber erforderlich, um รผberhaupt einen Job als Lagerarbeiter zu bekommen. Ohne den Gabelstaplerfรผhrerschein macht der Lehrgang keinen Sinn. Die Leistungsbezieher hรคtten dafรผr kรคmpfen mรผssen, so die Insiderin.
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Die wenigsten Leistungsbezieher sind arbeitsunwillig
Nach ihrer Erfahrung nach seien die wenigsten Hartz IV Bezieher “Arbeitsunwillig”. Es gรคbe zwar zwar einen gewissen Prozentsatz, die tatsรคchlich nicht wollen, aber “die meisten wollen arbeiten. Wenn man sie an der Hand nimmt, wuppt das von ganz alleine.โ
In ihrem Arbeitsalltag habe sie immer versucht, auf “die Kunden” einzugehen und weniger auf Richtlinien zu achten. Gegenรผber der Zeitung sagte sie: โIch habe meinen Job geliebt, allerdings habe ich mich nicht immer an die Vorgehensweisen gehalten und somit meinen Kunden viele Sanktionen erspart. Ich musste zwar vor meiner Vorgesetzten Rechenschaft ablegen, warum ich so wenig Sanktionen verteile, aber ich habe immer Argumentationen gefunden, die fรผr meine Kunden sprachen. Es waren viele Kunden bei mir, die mir gedankt haben, dass ich Ihnen das Gefรผhl gebe, jemand zu sein. War fรผr mich selbstredend.โ
Botschaft an die Jobcenter-Mitarbeiter
Die Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin hat auch eine Botschaft an die Kollegen, die in den Behรถrden arbeiten: โWir dรผrfen alle nicht vergessen, dass man es mit Menschen zu tun hat.โ Das hรคtten nรคmlich einige ihrer Ex-Kollegen vergessen. Man kรถnne nur mitreden, wenn man auch in dieser Situation war.
“Erst dann kann man mit Kunden des Jobcenters auf Augenhรถhe reden. Einige meiner Kollegen kรถnnen dies nichtโ, erzรคhlt die Ex-Mitarbeiterin. โIch habe viele Gesprรคche mitbekommen, wo ich mir dachte: So hรคttest du nicht mit mir reden dรผrfen.โ
Auch andere sind ausgestiegen
รhnliches berichtet auch die Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann. Sie macht sich fรผr die Abschaffung von Sanktionen stark und sieht das gesamt Hartz IV System kritisch. Fรผr Willach ist das aber kein Thema. Sie sagt, dass System und auch die Sanktionen seien wichtig. Es wรผrden Gelder falsch eingesetzt werden und Sanktionen seien auch wichtig.