Verschärfte Kontrollen beim Bürgergeld: Was sich bei Weiterbewilligung, Kontoauszügen und Bewilligungszeiträumen ändert

Lesedauer 2 Minuten

Als die Bundesagentur für Arbeit im April 2025 die überarbeitete Version des Weiterbewilligungsantrags (Formular WBA) veröffentlichte, sprang vielen Bürgergeld-Beziehern eine unscheinbare, aber folgenreiche Passage ins Auge: Kontoauszüge aller Haushaltsmitglieder sind nun ausdrücklich als „erforderliche Anlage“ aufgeführt – und zwar lückenlos für die letzten drei Monate.

Damit wird eine Anforderung zur Regel, die früher meist nur bei Verdachtsmomenten oder bei Selbstständigen gestellt wurde.

Gesetzlicher Rahmen und fachliche Weisungen

Die gesetzliche Basis für Bewilligungszeiträume findet sich in § 41 SGB II.

Dort heißt es, über den Leistungsanspruch sei „in der Regel für ein Jahr“ zu entscheiden; eine Verkürzung auf sechs Monate ist nur vorgesehen, wenn über den Anspruch vorläufig entschieden wird oder die Kosten für Unterkunft und Heizung als unangemessen gelten.

Die dazugehörigen fachlichen Weisungen der Bundesagentur betonen zudem, dass jede weitere Verkürzung ausführlich dokumentiert werden muss und nur in „Ausnahmefällen“ unter sechs Monaten liegen darf.

Von zwölf auf sechs Monate – Berichte aus der Praxis

Trotz dieser klaren Regel formulieren Betroffene zunehmend die Erfahrung, dass Jobcenter standardmäßig nur noch sechs Monate bewilligen – teils ohne nachvollziehbare Begründung. In Einzelfällen wurden sogar Dreimonatsbescheide verschickt.

Juristen verweisen darauf, dass das Jobcenter in solchen Fällen eine sachliche Rechtfertigung liefern und diese in der Akte vermerken muss; fehlt sie, kann ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg haben.

„Uneingeschränkte Erreichbarkeit“ – ein fragwürdiger Hebel

Eine besonders “kreative” Begründung lautet bisweilen „derzeit nicht gewährleistete uneingeschränkte Erreichbarkeit“.

Im Sozialrecht ist dieser Begriff unbekannt. Erreichbarkeit ist im Bürgergeld-Kontext klar geregelt: Wer ohne Zustimmung länger als drei Wochen im Jahr abwesend ist, verliert vorübergehend den Anspruch.

Eine darüberhinausgehende Steigerung in Form einer „uneingeschränkten“ Erreichbarkeit liefert keine belastbare Rechtsgrundlage für Sanktionen oder verkürzte Bewilligungszeiträume.

Kontoauszüge: Pflicht, Grenzen und Datenschutz

Mit der generellen Vorlagepflicht rücken Fragen des Datenschutzes in den Mittelpunkt.

Ist Ihr Bürgergeld-Bescheid korrekt?

Lassen Sie Ihren Bescheid kostenlos von Experten prüfen.

Bescheid prüfen

Erst jüngst entschied das Bundessozialgericht, dass Jobcenter eigens auf die Möglichkeit hinweisen müssen, sensible Buchungen zu schwärzen; unterbleibt dieser Hinweis, kann ein Versagungsbescheid aufgehoben werden.

Gleichwohl pocht die Verwaltung auf vollständige Serien von Auszügen. Datenschutzverbände erinnern daran, dass nach § 78b SGB X nur Daten erhoben werden dürfen, die zur Aufgabenerfüllung unbedingt nötig sind, und verlangen individuelle Prüfungen statt einer pauschalen Anforderung.

Lesen Sie auch:

– Bürgergeld: Jobcenter dürfen nicht Unterlagen vom Partner verlangen – Gericht entschied

Digitaler Antrag oder bewusste Papierflut?

Die Bundesagentur wirbt offensiv für „Jobcenter Digital“ und die neue App „BA-mobil“, die seit Januar 2025 weiterentwickelt wird. Wer Unterlagen digital einreicht, kann den Bearbeitungsstand in Echtzeit verfolgen und erspart der Behörde Scannen und Archivierung.

Kritiker sehen darin jedoch weniger Bürgerfreundlichkeit als einseitige Effizienzgewinne, während der analoge Weg nach wie vor zulässig bleibt – und teilweise als legitimes Druckmittel empfunden wird, um die Verwaltung nicht einseitig zu entlasten.

Rechtsmittel: Widerspruch, DSGVO-Auskunft, Eilantrag

Wer einen willkürlich verkürzten Bewilligungszeitraum erhält oder wegen fehlender Auszüge sanktioniert wird, hat einen Monat Zeit für Widerspruch.

Parallel empfiehlt es sich, per Datenschutz-Selbstauskunft Einsicht in die interne Dokumentation zu verlangen: Ist dort kein Grund vermerkt, stärkt das die eigene Position. Bei existenzieller Gefährdung – etwa wenn Zahlungen ausbleiben – kann zusätzlich ein Eilantrag beim Sozialgericht gestellt werden.

Verwaltungsaufwand und offene Kostenfragen

Wie hoch der bürokratische Aufwand für die rund neun Millionen jährlichen Weiterbewilligungsanträge tatsächlich ist, lässt sich nur schätzen; verbindliche Zahlen liefert die Bundesagentur bislang nicht.

Auffällig ist jedoch, dass das Bundesarbeitsministerium 2023 kurzfristig 200 Millionen Euro zusätzlich für Verwaltungskosten freigab, um Jobcenter „für gestiegenen Aufwand im Bürgergeld“ zu entschädigen – ein Hinweis darauf, dass das Verfahren alles andere als schlank ist.