Herausfallen von Kindern aus der Hartz IV-Bedarfsgemeinschaft. Kinder mit Einkommen (Unterhalt, Waisenrente etc.) und Bedarfsgemeinschaft
Können Kinder ihren Bedarf mit eigenem Einkommen decken, scheiden sie aus der SGB II-Bedarfsgemeinschaft (BG) aus. Überschüssiges Einkommen darf nicht – wie sonst – auf die anderen Mitglieder der BG verteilt werden. Fließt nicht benötigtes Kindergeld an den Kindergeldberechtigten zurück, ist davon zunächst die Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR in Abzug zu bringen. Bei solchen Fallkonstellationen lohnt sich eine genaue Prüfung der Einkommensberechnung und -bereinigung.
Herausfallen von Kindern aus der Hartz IV Bedarfsgemeinschaft
Der § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bestimmt, dass Kinder und junge Erwachsene nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, wenn sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen sicherstellen können. Das ist der Fall, wenn das Einkommen ihren Bedarf übersteigt. Der Bedarf berechnet sich aus dem jeweiligen Regelsatz, gegebenenfalls Mehrbedarfszuschlägen und dem Prokopfanteil der Unterkunfts- und Heizkosten.
Daraus folgt, dass nicht-hilfebedürftige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) ihr Einkommen nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbringen müssen. Vielmehr besteht gar keine BG mit Eltern, gegebenenfalls deren Partner sowie den Geschwistern. Eine Anrechnung von überschüssigem, den Bedarf des Kindes oder jungen Erwachsenen übersteigenden Einkommen ist demnach unzulässig. Eine Ausnahme bildet hier das Kindergeld, das das Kind nicht zur Deckung des eigenen Bedarfs benötigt.
Kinder können in den folgenden Konstellationen aus der SGB II-Bedarfsgemeinschaft herausfallen. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob und in welcher Höhe Einkommensanteile bei der hilfebedürftigen "Restfamilie" angerechnet werden darf:
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene,
* die von dem getrennt lebenden Elternteil Unterhalt oder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) erhalten und in Verbindung mit Kindergeld und Wohngeld aus dem SGB II-Leistungsbezug fallen,
* die in Verbindung mit Waisen- oder vergleichbaren Renten, Kindergeld und Wohngeld aus dem Leistungsbezug fallen oder
* die über eigenes Erwerbseinkommen verfügen und damit ihren Bedarf decken können bzw. in Verbindung mit Unterhalt, Waisenrenten, Kindergeld und Wohngeld aus dem Leistungsbezug fallen.
Allerdings begründen Kinder und junge Erwachsene, die aus der BG herausgefallen sind, mit ihren Eltern eine Haushaltsgemeinschaft. Diese besteht, wenn Verwandte und Verschwägerte mit Hilfebedürftigen in einem Haushalt leben (§ 9 Abs. 5 SGB II). Bei verwandten und verschwägerten Personen, die zusammen in einer Haushaltsgemeinschaft leben, wird vermutet, dass diese sich gegenseitig unterstützen, soweit dies von ihnen erwartet werden kann (§ 9 Abs. 5 SGB II). Eine solche Unterhaltsleistung wird jedoch erst erwartet, wenn das bereinigte Nettoeinkommen (abzüglich Erwerbstätigenfreibeträge und sonstiger Absetzbeträge) die zweifache Regelleistung von derzeit 351 EUR zuzüglich des Prokopfanteils der Kosten für Unterkunft und Heizung übersteigt (§ 1 Abs. 2 ALG II-VO).
Nicht benötigtes Kindergeld wird dem Kindergeldberechtigten angerechnet
§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass Kindergeld im SGB II als Einkommen angerechnet wird. – Abweichend zum Einkommenssteuergesetz und dem Bundeskindergeldgesetz bestimmen § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II, dass Kindergeld nicht dem kindergeldberechtigten Elternteil sondern dem Kind zuzurechnen ist. Das gilt jedoch nur, wenn das Kind es zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Nicht zur Deckung des Bedarfs benötigtes Kindergeld wird wiederum zu Einkommen des Kindergeldberechtigten.
Die ALG II-Verordnung (ALG II-VO) bestimmt, dass von jeder Art von Einkommen Volljähriger eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR in Abzug zu bringen ist. Sie bestimmt zudem, dass diese auch vom Einkommen Minderjähriger in Abzug zu bringen ist, sofern diese nicht mit Volljährigen in der Bedarfsgemeinschaft leben (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 2. Teilsatz ALG II-VO). Diese Rechtsvorschrift (bis 31.12.2008 § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-Vo alte Fassung; ab 01 Januar 2009 § 6 Abs. 1 Nr. 1 2. Teilsatz ALG II-VO neue Fassung) wurde trotz eindeutiger Rechtslage von den SGB II-Trägern systematisch ignoriert. Daraus folgt, dass das Einkommen der aus der Bedarfsgemeinschaft heraus gefallenen Kinder um jeweils 30 EUR bereinigt wird. Damit reduziert sich das an den Kindergeldberechtigten zurückfließende Kindergeld um jeweils 30 EUR und erhöht dessen ALG II-Auszahlungsbetrag um jeweils 30 EUR.
Vorrang: Inanspruchnahme von Wohngeld
Es laufen derzeit einige behördliche Anstrengungen Kindern, Jugendliche und junge Erwachsenen über den Mechanismus des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auf die vorrangige Leistung Wohngeld zu verweisen. Im Ergebnis bedeutet dies eine Verschiebung der zuvor Sozialgeld beziehenden Kinder von 0 bis 14 Jahren in das Wohngeld. Kinder mit Unterhalt/UVG, Kindergeld und Wohngeld können so knapp aus dem Leistungsbezug fallen und der nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird bei den kindergeldberechtigten, ALG-II-beziehenden Eltern angerechnet. Der einzige materielle Vorteil liegt dann bei den 30 Euro Versicherungspauschale, die beim Einkommen der Kinder abzusetzen sind.
Ansprüche durchsetzen
Es ist sinnvoll zu prüfen, ob nicht gegebenenfalls Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene über ihr eigenes Einkommen aus der BG herausfallen.
Können die Kinder ihren Bedarf mit eigenen Einkünften decken, wird zu prüfen sein, ob und in welcher Höhe überschüssiges Einkommen bei Eltern und Geschwistern angerechnet wird (meistens zu finden in den ALG-II-Bescheiden unter der Rubrik "sonstiges Einkommen" oder "Kindergeld Einkommen") oder inwieweit nicht benötigtes und an den Kindergeldberechtigten zurückgeflossenes Kindergeld um die Versicherungspauschale bereinigt wurde (zu finden beim Einkommen der Eltern unter den Stichworten "Einkommensüberhang" oder "sonstiges Einkommen").
Bei Bescheiden, bei denen die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist, sollte mit Hinweis auf die unzulässige Anrechnung von Einkommen oder gegen die Höhe des angerechneten Kindergeldes Widerspruch eingelegt werden.
Rückwirkende Korrekturen
Die SGB II-Träger haben vielerorts, teilsweise über Jahre, nicht benötigtes Einkommen von Kindern auf Eltern und Geschwister angerechnet und/oder vom Einkommen Minderjähriger außerhalb der SGB II-Bedarfsgemeinschaft nicht die Versicherungspauschale von 30 EUR abgesetzt. Zudem wurden auch das an das kindergeldberechtigte Elternteil zurückgeflossene Kindergeld häufig nicht um die Versicherungspauschale bereinigt. Hier sollten Überprüfungsanträge nach § 44 Abs. 1 SGB X gestellt werden. (02.07.2009)
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