Hartz IV: Diese Jobcenter zahlen zu wenig Miete

Lesedauer 3 Minuten

Hartz IV Betroffene müssen in “angemessenen Wohnungen” leben. Was “angemessen” ist, das bestimmen die Kommunen. Der Wohnungsmarkt wird allerdings immer angespannter. Es sind kaum noch günstige Wohnungen zu bekommen. Die Folge: Die Betroffenen müssen die zusätzlichen Mietkosten, die nicht vom Jobcenter übernommen werden, aus den niedrigen Regelleistungen selbst aufstocken.

Eine Anfrage der Linken zeigt dringenden Handlungsbedarf bei den Wohnkostenlücken insbesondere in Haushalten mit Kindern. Die Zahlen stellen die Verfassungskonformität der geltenden Rechtswirklichkeit in Frage. In einigen Bundesländern und Städten ist die Situation besonders angespannt.

Jeder sechste Haushalt in Hartz IV muss Mietkosten selbst aufstocken

“Die Antwort auf die von mir gestellte Kleine Anfrage 19/30857 zeigt: In Deutschland wird mehr als jedem sechsten Haushalt in Hartz IV nur ein Teil der Wohnkosten durch das Jobcenter erstattet”, berichtet Katja Kipping von den Linken.

In manchen Gemeinden, ist sogar jeder zweite Leistungsbezieher von einer sogenannten Wohnkostenlücke betroffen. Besonders hart trifft es Familien mit Kindern sowie Alleinerziehende. Hier fehlen den Betroffenen jeden Monat 101 Euro (Haushalte mit Kindern) bzw. 96 Euro (Alleinerziehende mit Kindern). Durchschnittlich haben Betroffene eine Wohnkostenlücke von 87 Euro.

Unterschiedliche Methoden zur Herleitung von angemessenen Wohnkosten

In Deutschland ist ein Methodenwildwurchs bei der Bestimmung angemessener Wohnkosten durch die Kommunen entstanden. Seit Jahren drücken sich die Bundesregierungen um eine verfassungskonforme Lösung für die Wohnkosten von armen Menschen. “Die Folge ist Verdrängung und bitterste Armut. Die Betroffenen müssen sich die Miete im wörtlichen Sinne vom Munde absparen”, kritisiert die Linken-Politikerin.

Lesen Sie auch:
Eine Wohnung finden trotz negativen Schufa-Einträgen

Die Bestimmung von den Angemessenheitsgrenzen bei den Wohnkosten betrifft neben Hartz IV-Beziehende auch arme Rentnerinnen und Rentner sowie erwerbsgeminderte Personen mit geringem Einkommen. Sie müssen bei zu geringen Angemessenheitsgrenzen Umziehen oder wenn dies nicht möglich ist, den Regelbedarf, der für Essen, Mobilität und soziale Teilhabe vorgesehen ist, für Wohnkosten zweckentfremden.

Vergleicht man unterschiedliche Haushalte fällt auf: Besonders hart trifft es Familien mit Kindern und Alleinerziehende. Hier wird auch das Existenzminimum von Minderjährigen durch Wohnkostenlücken von 101 € (Familien mit Kindern) bzw. 94 € (Alleinerziehende) regelmäßig unterschritten. Das führt zu einer Beschränkung der Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen.

Unterschreitung des garantierten Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum

Das führt regelmäßig zu einer Unterschreitung des durch die Verfassung garantierten Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Die in der Antwort übermittelten Daten zeigen, dass diese Unterschreitung keine lokalen Einzelfälle sind, sondern es in fast allen Jobcentern eine hohe Zahl Betroffener gibt und die jeweiligen Wohnkostenlücken erheblich sind.

Diese Bundesländer sind besonders betroffen

Im Land Berlin werden die meisten Fälle nicht übernommenen. Hier die Zahl 22 % (d.h. in 22 % aller Leistungsbeziehenden gibt es Kürzungen der Kosten der Unterkunft). Ebenso schwerwiegend ist die Situation im Land Brandenburg mit 16,5 %, gefolgt von Thüringen mit 16,4 %. In Zahlen bedeutet das, dass bei den Haushalten in Berlin durchschnittlich 146,22 EUR nicht übernommen wird, gefolgt von Baden-Württemberg, wo durchschnittlich 104,83 EUR nicht übernommen werden.

Die höchste Nichtübernahmequote liegt in Saalfeld-Rudolfstadt in Höhe von 32,50 %, gefolgt von Schweinfurt mit 25,6 % und gefolgt von Berlin – Lichtenberg mit 24,6 %, berichtet Harald Thomé von Tacheles e.V.

Diese Jobcenter zahlen am Wenigsten

Am schlimmsten trifft es zahlentechnisch die Menschen im Jobcenter Ebersberg, dort werden durchschnittlich 234,84 EUR, in München 213,13 EUR und in Dachau 198,47 EUR pro gekürztem Haushalt an Kosten der Unterkunft nicht anerkannt.

“Meine Fraktion und ich streiten für eine Überwindung des Hartz IV-Systems und die Ersetzung durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung. Unabhängig davon ist die Bundesregierung gefordert bis zu einer verfassungskonformen Lösung die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung übernehmen”, sagt Kipping.
Mit den besonders drastischen Wohnkostenlücken bei Familien mit Kindern und Alleinerziehenden “versündigt sich jeder, der den Status quo hinnimmt an den kommenden Generationen”.