Hartz IV: Bis zu 60 Tage warten auf ein Erstgespräch

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Durch die Corona-Krise waren die Jobcenter für Hartz IV Beziehende kaum erreichbar. Eine interne Revision prüfte daher die Arbeit von vier Jobcentern. Dabei wurden zum Teil erhebliche Mängel und sogar rechtswidriges Handeln der Behörden offenkundig.

4 Jobcenter aus vier Bundesländern geprüft

Zwischen den Monaten Januar und Mai 2021 mussten sich demnach vier Jobcenter in Passau, Lörrach, LK Northeim und Bielefeld einer internen Revision der Bundesagentur für Arbeit unterziehen. Dabei wurden insgesamt 156 Kunden-Datensätze sowie deren qualifizierte Erstgespräche und Folgegespräche durch die Jobcenter nach der Hartz IV-Beantragung während der Corona-Pandemie geprüft.

In einem Passus ist den Jobcentern zwingend vorgeschrieben, bei Neuanträgen sehr zeitnah Eingliederungsangebote den Leistungsberechtigten zu unterbreiten. Parallel muss zudem ein sogenanntes Profiling erstellt werden. In diesen Profilen sind Stärken und berufliche Fähigkeiten fixiert. Zusätzlich werden Ziele definiert.

Nach dem Profiling wird auf Grundlage der Ziele eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Das alles wird in einem Erstgespräch zwischen Leistungsbezieher und Sachbearbeiter geregelt.

Die Revision zeigte, dass immerhin in 90 Prozent der überprüften Daten Kontaktversuche stattfanden. In 80 Prozent der Fällen wurden tatsächlich Erstgespräche geführt. Jedoch wurden diese nicht immer zeitnah und entsprechend qualifiziert geführt.

Keine Erstgespräche und dennoch Profiling und Eingliederungsvereinbarung

In 20 Prozent der untersuchten Fällen wurde keine Erstgespräche geführt. Merkwürdigerweise stellte allerdings die Revision fest, dass dennoch “nach Aktenlage” ein Beratungsvermerk vorgenommen wurde. Zudem wurde trotz fehlendem Gespräch ein Profiling sowie eine Eingliederungsvereinbarung erstellt.

Bis zu 60 Tage bis zum Erstgespräch

Viel schwerwiegender bewertete die interne Revision die lange Zeit, die verging, bis tatsächlich ein Erstkontakt seitens des Jobcenters stattfand. Bei gerade einmal 10 Leistungsbeziehern fand am Tag der Antragstellung ein Erstgespräch statt. Bei weiteren “Kunden” vergingen rund 60 Tage, bis ein erstes Gespräch stattfand. Im Schnitt dauerte es 28 Tage bis zum Erstgespräch.

Jedes 7. Gespräch unqualifiziert geführt

Negativ viel zudem auf, dass jedes 7. Gespräch nicht qualifiziert genug geführt wurde. Entweder war das Profiling nicht plausibel oder nicht vorhanden, es fehlte an Vermittlungsaktivitäten durch die Integrationsfachkraft, Eigenbemühungen der Leistungsbeziehenden wurden nicht angefordert oder die Stellengesuche waren nicht geeignet.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Prüfer auch bei den Folgegesprächen. „Mängel zeigten sich zum Teil auch bei den Folgegesprächen“, ist dem Bericht zu entnehmen.

Im Ergebnis stellte Revision fest, dass die Jobcenter „die besonderen Erfahrungen des letzten Jahres nutzen sollten, um Verbesserungspotenziale in ihrer Integrationsarbeit zu identifizieren und ihre Prozesse zu optimieren.“

Hartz IV Beziehende hätten längst Sanktionen zu spüren bekommen

“Stell dir vor, ein/e Leistungsberechtigte/r mit Arbeitslosengeld II lässt sich im Durchschnitt für das Erstgespräch nach Einladung 28 Tage Zeit? Schnell hätte sie oder er das Maximum der Sanktionsgrenze für Meldeversäumnisse im Briefkasten”, kritisiert die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin und Hartz IV Kritikerin Inge Hannemann aus Hamburg.

Sogar rechtswidriges Handeln

Hannemann sieht bei den vorgefertigten Eingliederungsvereinbarungen rechtswidriges Handeln. “Nach diversen Landes- und Sozialgerichtsurteilen ist eine vorgefertigte Eingliederungsvereinbarung, welche ohne individuelles Gespräch entstand, rechtswidrig.”
Eine solche Vereinbarung, die beide Seiten unterschreiben, muss nämlich immer verhandelbar sein.

“Es sind nicht immer die Erwerbslosen. Nur die Mängel der Jobcenter bleiben zu oft verdeckt”, resümiert Hannemann.

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