Ohne das Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) scheint ein Behindertenparkplatz unerreichbar. Richtig ist: Der blaue EU-Parkausweis berechtigt zum Parken auf Plätzen mit Rollstuhlsymbol; er wird in der Regel nur bei „aG“, „Bl“ (blind) oder sehr seltenen gleichgestellten Schädigungen erteilt. Ein Schwerbehindertenausweis allein genügt nicht.
Für einen personenbezogenen Parkplatz vor der Wohnung oder am Arbeitsplatz verlangen viele Städte zusätzlich den blauen Ausweis.
Die Rechtsgrundlage für Ausnahmen
Neben den starren Regeln gibt es Spielräume. Zwei Normen sind entscheidend: § 45 Abs. 1b Nr. 2 StVO erlaubt der Straßenverkehrsbehörde, Behindertenparkplätze anzuordnen, § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO ermöglicht Einzelfall-Ausnahmegenehmigungen (Parkerleichterungen).
Die Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) konkretisiert, für wen solche Erleichterungen typischerweise vorgesehen sind – sie bindet die Behörden im Regelfall, schließt begründete Ausnahmen im Einzelfall jedoch nicht aus.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags beschreibt diese Spielräume und die – durchaus hohen – Hürden ausführlich.
Was Einzelfallregelungen dürfen – und was nicht
Wichtig ist die Trennlinie: Eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO ersetzt nicht den blauen Parkausweis. Sie verschafft Parkerleichterungen (z. B. länger im Halteverbot, kostenlos an Parkuhren), berechtigt aber nicht automatisch zum Parken auf Plätzen mit Rollstuhlsymbol.
Das hat das OVG NRW klargestellt. Wer ohne blauen Ausweis auf einem solchen Platz steht, riskiert weiterhin ein Bußgeld oder Abschleppen.
Gleichzeitig betont dasselbe Urteil: Die VwV-StVO ist ermessenslenkend, nicht starr. Atypische Fälle – also erheblich eingeschränkte Mobilität ohne formales „aG“ – können eine Ausnahme tragen, wenn die Behörde die konkreten Umstände sorgfältig würdigt und ihr Ermessen sauber ausübt. Genau hier liegt das praktische „Schlupfloch“.
Temporäre und landesspezifische Lösungen
Einige Länder und Kommunen nutzen ihre Spielräume aktiv. Schleswig-Holstein kennt zum Beispiel einen gelben Parkausweis, der unter anderem bei vorübergehender Bewegungseinschränkung (etwa nach einer Operation) erteilt werden kann; er gilt regional und gewährt Parkerleichterungen, nicht aber automatisch die Nutzung gekennzeichneter Behindertenplätze.
Weitere Sonderausweise existieren regional, etwa in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder dem Saarland. Solche Pässe helfen, Entfernungen zu reduzieren, wenn es noch nicht oder nicht mehr für „aG“ reicht.
Auch in Bayern finden sich kommunale Hinweise auf „vorübergehend außergewöhnliche Gehbehinderung im Einzelfall“ mit befristeten Genehmigungen für bis zu sechs Monate – abgesichert durch ärztliche Bestätigung oder Feststellungen des Versorgungsamts.
Der personenbezogene Parkplatz vor der Haustür oder am Arbeitsplatz
Ein individueller, nummerierter Behindertenparkplatz („mit Parkausweis-Nr. …“) wird nach strenger Prüfung bei der örtlichen Straßenverkehrsbehörde angeordnet.
In der Praxis verlangen viele Kommunen dafür den blauen EU-Parkausweis und den Nachweis, dass in zumutbarer Nähe dauerhaft kein Stellplatz verfügbar ist. Beratungsstellen schildern den Weg und die typischen Nachweise; maßgeblich bleibt die örtliche Verwaltungspraxis.
Ohne „aG“ ist dieser exklusive Platz schwerer durchzusetzen. Einzelfallregelungen können dennoch helfen: Manche Behörden kombinieren temporäre Parkerleichterungen mit maßgeschneiderten Beschilderungen oder räumlich begrenzten Ausnahmen, wenn Mobilität nachweislich stark eingeschränkt ist und vor Ort eine besondere Parksituation besteht.
Ob das gelingt, hängt vom Ermessen der Behörde und der Dokumentation ab.
So erhöhen Sie die Erfolgschancen beim Antrag
Zuständig ist das Ordnungsamt bzw. die Straßenverkehrsbehörde Ihrer Stadt oder Gemeinde. Nennen Sie im Antrag präzise den Ort (Haus- oder Arbeitsadresse), schildern Sie die konkrete Weg- und Belastungssituation (Streckenlänge, Steigung, Treppen, fehlende Bordsteinabsenkungen) und fügen Sie aktuelle medizinische Nachweise bei, die die Gehstrecke und die Belastbarkeit beziffern.
Je deutlicher vergleichbare Einschränkungen zu „aG“ belegt sind, desto stärker das Argument für eine atypische Einzelfallregelung. Verweisen Sie sachlich auf § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO und die Möglichkeit, bei atypischen Fällen abweichend zu entscheiden.
Bitten Sie ausdrücklich um eine ermessensfehlerfreie Entscheidung sowie um schriftliche Begründung, falls abgelehnt wird. In Berlin sind Ausnahmegenehmigungen für Parkerleichterungen übrigens gebührenfrei; andernorts können Gebühren anfallen – erfragen Sie die Konditionen vor Ort.
Formulierungshilfe:
„Hiermit beantrage ich eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO bzw. die Anordnung eines personenbezogenen Behindertenparkplatzes in der XY-Straße Nr. … . Aufgrund einer erheblichen, ärztlich bestätigten Mobilitätseinschränkung (Gehstrecke … m; Treppen; fehlende Bordsteinabsenkung) ist mir das Erreichen üblicher Stellplätze nicht zumutbar.
Ich bitte um eine ermessensfehlerfreie Einzelfallentscheidung und um befristete Parkerleichterungen bzw. – sofern möglich – die temporäre Einrichtung eines personenbezogenen Stellplatzes.
Beigefügt: Atteste, Bescheide, Miet-/Arbeitsnachweis, Fotodokumentation der Parksituation.“
Wenn der Antrag abgelehnt wird
Verlangen Sie die Begründung und prüfen Sie, ob die Behörde wesentliche Umstände übersehen oder das Ermessen nicht ausgeschöpft hat. Das OVG NRW betont, dass die VwV-StVO keine starre Sperre ist; atypische Konstellationen sind zu würdigen.
Ein Widerspruch sollte deshalb die konkreten gesundheitlichen Grenzen, die tatsächliche Parksituation und die zumutbare Entfernung detailliert darlegen und – falls vorhanden – auf landes- oder kommunalspezifische Sonderregelungen verweisen.




