Hartz IV-Bezieher hat Recht auf Wohnungslosigkeit

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LSG Stuttgart: Jobcenter darf nicht zur Wohnungssuche verpflichten

25.11.2016

Jobcenter dürfen wohnsitzlose Hartz-IV-Bezieher nicht per Bescheid zur Wohnungssuche verpflichten. Weigert sich der Wohnsitzlose, eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, verstößt ein daraufhin erlassener verpflichtender Bescheid zur Wohnungssuche gegen das Selbstbestimmungsrecht des Hilfebedürftigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Donnerstag, 24. November 2016, bekanntgegebenen Urteil vom 8. November 2016 (Az.: L 9 AS 4164/15).

Konkret ging es um einen 60-jährigen Wohnsitzlosen, der im Bodenseeraum lebt. Der Mann übernachtet nach eigenen Angaben seit 2010 in einem offenen Pritschenwagen. Das Jobcenter hatte sich geweigert, die Kosten für die Kfz-Versicherung und eine Heizkostenpauschale als Unterkunftskosten zu übernehmen. Das LSG hatte dies in einem Urteil vom 10. Mai 2016 auch bestätigt (Az.: L 9 AS 5116/15, JurAgentur-Meldung vom 20. Mai 2016).

Doch das Jobcenter war offenbar doch besorgt, dass der Mann keinerlei Dach über den Kopf hat und folglich deshalb noch schwerer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln ist. Es erinnerte den Hartz-IV-Bezieher daran, dass dieser „Eigenbemühungen“ für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu leisten habe. Er müsse seine Wohnsituation ändern, damit die Chance, einen Job zu finden, steigt. Eine entsprechende Eingliederungsvereinbarung unterschrieb der Wohnsitzlose aber nicht. Er wollte lieber weiter in seinem offenen Pritschenwagen leben.

Daraufhin erließ die Behörde einen sogenannten Eingliederungsverwaltungsakt, der den Mann verpflichtete, die „Wohnungssituation zu klären“, Kontakt zur Stadt Radolfzell und zu Notunterkünften aufzunehmen und aktiv nach einer Wohnung zu suchen.

Während das Sozialgericht Konstanz keine Probleme mit dem Zwang zur Wohnungssuche hatte, gaben die Stuttgarter Richter dem Hartz-IV-Bezieher nun recht.

Ein Hartz-IV-Bezieher dürfe nicht ohne Weiteres in einem Eingliederungsverwaltungsakt zur Wohnungssuche verpflichtet werden. Denn eine Eingliederungsvereinbarung sei nach dem Gesetz nur auf „die Eingliederung in den Arbeitsmarkt“ gerichtet. Auch wenn sich mit einer Wohnung die Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhöhen, fehle „für die Verpflichtung zur Wohnungssuche das erforderliche, unmittelbar arbeitsmarktbezogene Moment“, so die Stuttgarter Richter.

Je weiter sich das Jobcenter vom Kernbereich der Arbeitseingliederung entfernt, desto mehr müsse die Behörde „das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht“ des Hartz-IV-Beziehers beachten, forderte das LSG. fle/mwo

Bild: rcx-fotolia

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