Hartz IV: BA-Anweisung zu einmaligen Bedarfen ignoriert Verfassungsgerichtsurteil

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Die Waschmaschine ist kaputt? Eine finanzielle Krise für Menschen in Hartz IV. Normalerweise werden die Kosten für die Neuanschaffung in Form von Darlehen bewilligt, welche die Betroffenen jedoch in die Schuldenfalle drängen können. Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 geurteilt, dass auch die Kosten für einmalige Bedarfe, die nicht realistisch durch die Regelsätze gedeckt werden können, von den Jobcentern übernommen werden müssen. Erst im Januar 2021 trat demgemäß das Regelbedarfsermittlunggesetz in Kraft und zehn Monate später hat auch die Bundesagentur für Arbeit eine Anweisung an die Jobcenter erlassen, wie mit der geänderten Rechtslage umzugehen sei. Dabei versucht die Bundesagentur offensichtlich, die Gesetzeslage zu unterwandern.

Hartz IV: Regelbedarfsermittlungsgesetz regelt Anspruch auf einmalige unabweisbare Bedarfe

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz hat festgelegt, dass nicht nur laufende, sonderna uch einmalige unabweisbare Bedarfe vom Jobcenter zu übernehmen sind und nicht zwingend als Darlehen bewilligt werden müssen. Das geht zurück auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem dieses darauf verwisen hat, dass die Hartz IV-Regelsätze nahezu verfassungswidrig niedrig sind und benötigte Bedarfe für unvorhergesehene Ausgaben von den Betroffenen nicht gedeckt werden können. In der Anwesiung der Bundesagentur heißt es hierzu jedoch:

„Bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung für die Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Absatz 6, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Letzteres ist der Fall bei Bedarfen, die nicht vom Regelbedarf erfasst werden. Bei einmaligen Bedarfen, die vom Regelbedarf erfasst sind, kommt dagegen grundsätzlich ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 in Betracht. Dieses kann aber ausnahmsweise nicht zumutbar sein, insbesondere wenn die leistungsberechtigte Person aufgrund eines nicht absehbaren und nicht selbst zu verantwortenden Notfalls einen außergewöhnlich hohen Finanzbedarf hat.“

Die Bundesagentur meint also, dass alle Bedarfe, die nominell von den Regelsätzen abgedeckt sind, nur durch Darlehen gedeckt werden könnten und gerade keine einmalig zu bezuschussenden Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II seien. Eine schwerwiegende Beugung geltenden Rechts, wie Harald Thomé vom Erwerbslosenverein Tacheles in seinem aktuellen Newsletter feststellt.

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Einmalige Bedarfe müssen bewilligt werden, wenn Darlehen unzumutbar ist

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz legt fest, dass einmalige Bedarfe als Zuschuss zu übernehmen sind, wenn ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II nicht zumutbar ist, weil die Kosten eine unzumutbare Belastung darstellen oder bereits andere Rückzahlungsverpflichtungen vorliegen, die Kosten der Unterkunft nicht vollständig übernommen werden oder ähnliches. Außerdem sollen so Bedarfe gedeckt werden, die im Regelsatz überhaupt nicht vorgesehen sind.

In der Anwesiung der Bundesagentur bleibt das unerwähnt. Das bedeutet vermutlich, dass Betroffene auch künftig einmalige Ansprüche auf dem Klageweg durchsetzen müssen. Insbesondere bei Posten wie Elektrogroßgeräten, digitalen Endgeräten, Brillen, Pass- und Urkundengebühren reichen die Anteile der Regelsätze bei weitem nicht aus, umdie entstehenden Kosten zu decken.

Bild: Anatoliy Karlyuk / AdobeStock

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