Hartz IV: BA-Anweisung zu einmaligen Bedarfen ignoriert Verfassungsgerichtsurteil

Lesedauer 2 Minuten

Die Waschmaschine ist kaputt? Eine finanzielle Krise fรผr Menschen in Hartz IV. Normalerweise werden die Kosten fรผr die Neuanschaffung in Form von Darlehen bewilligt, welche die Betroffenen jedoch in die Schuldenfalle drรคngen kรถnnen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 geurteilt, dass auch die Kosten fรผr einmalige Bedarfe, die nicht realistisch durch die Regelsรคtze gedeckt werden kรถnnen, von den Jobcentern รผbernommen werden mรผssen. Erst im Januar 2021 trat demgemรครŸ das Regelbedarfsermittlunggesetz in Kraft und zehn Monate spรคter hat auch die Bundesagentur fรผr Arbeit eine Anweisung an die Jobcenter erlassen, wie mit der geรคnderten Rechtslage umzugehen sei. Dabei versucht die Bundesagentur offensichtlich, die Gesetzeslage zu unterwandern.

Hartz IV: Regelbedarfsermittlungsgesetz regelt Anspruch auf einmalige unabweisbare Bedarfe

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz hat festgelegt, dass nicht nur laufende, sonderna uch einmalige unabweisbare Bedarfe vom Jobcenter zu รผbernehmen sind und nicht zwingend als Darlehen bewilligt werden mรผssen. Das geht zurรผck auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem dieses darauf verwisen hat, dass die Hartz IV-Regelsรคtze nahezu verfassungswidrig niedrig sind und benรถtigte Bedarfe fรผr unvorhergesehene Ausgaben von den Betroffenen nicht gedeckt werden kรถnnen. In der Anwesiung der Bundesagentur heiรŸt es hierzu jedoch:

โ€žBei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung fรผr die Anerkennung eines Mehrbedarfs nach ยง 21 Absatz 6, dass ein Darlehen nach ยง 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht mรถglich ist. Letzteres ist der Fall bei Bedarfen, die nicht vom Regelbedarf erfasst werden. Bei einmaligen Bedarfen, die vom Regelbedarf erfasst sind, kommt dagegen grundsรคtzlich ein Darlehen nach ยง 24 Absatz 1 in Betracht. Dieses kann aber ausnahmsweise nicht zumutbar sein, insbesondere wenn die leistungsberechtigte Person aufgrund eines nicht absehbaren und nicht selbst zu verantwortenden Notfalls einen auรŸergewรถhnlich hohen Finanzbedarf hat.โ€œ

Die Bundesagentur meint also, dass alle Bedarfe, die nominell von den Regelsรคtzen abgedeckt sind, nur durch Darlehen gedeckt werden kรถnnten und gerade keine einmalig zu bezuschussenden Bedarfe nach ยง 21 Abs. 6 SGB II seien. Eine schwerwiegende Beugung geltenden Rechts, wie Harald Thomรฉ vom Erwerbslosenverein Tacheles in seinem aktuellen Newsletter feststellt.

Lesen Sie auch:
โ€“ Trotz negativem Schufa-Eintrag eine Wohnung finden
โ€“ Bรผrgergeld: Erst dann ist Hartz IV abgeschafft
โ€“ Hartz IV: Sozialverbรคnde und Partei-Jugenden fordern umfassende Reformen von Koalitionsverhandlungen

Einmalige Bedarfe mรผssen bewilligt werden, wenn Darlehen unzumutbar ist

Das Regelbedarfsermittlungsgesetz legt fest, dass einmalige Bedarfe als Zuschuss zu รผbernehmen sind, wenn ein Darlehen nach ยง 24 Abs. 1 SGB II nicht zumutbar ist, weil die Kosten eine unzumutbare Belastung darstellen oder bereits andere Rรผckzahlungsverpflichtungen vorliegen, die Kosten der Unterkunft nicht vollstรคndig รผbernommen werden oder รคhnliches. AuรŸerdem sollen so Bedarfe gedeckt werden, die im Regelsatz รผberhaupt nicht vorgesehen sind.

In der Anwesiung der Bundesagentur bleibt das unerwรคhnt. Das bedeutet vermutlich, dass Betroffene auch kรผnftig einmalige Ansprรผche auf dem Klageweg durchsetzen mรผssen. Insbesondere bei Posten wie ElektrogroรŸgerรคten, digitalen Endgerรคten, Brillen, Pass- und Urkundengebรผhren reichen die Anteile der Regelsรคtze bei weitem nicht aus, umdie entstehenden Kosten zu decken.

Bild: Anatoliy Karlyuk / AdobeStock